"Ins kalte Wasser springen hat Charme!"

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Der Philosoph Clemens Sedmak erklärt, worum es den zwölf "Salzburger Hickmännern" geht - und dass ein ethisch korrektes Leben durchaus anstrengend sein darf.

Die Furche: Herr Professor Sedmak, Sie und elf andere stapfen bewusst in den Spuren von Leo Hickman - was wollen Sie damit erreichen?

Clemens Sedmak: Wir wollen das Experiment eines ethisch sensiblen Lebens auf Salzburg, auf Österreich umsetzen. Es geht uns nicht darum, originell zu sein; es geht uns auch nicht darum, zu zeigen, wie man Hickman besser machen könnte; uns geht es um ein informiertes Sich-Einlassen auf ein solches Leben, bei dem durch das Handeln Kompetenz und neues Wissen erworben werden soll.

Die Furche: Sie haben nach einer sehr kurzen Vorbereitungsphase mit dem Projekt begonnen…

Sedmak: … ohne lange Vorbereitung ins kalte Wasser zu springen, ist ja auch der Charme dieses Projekts. Das Nachdenken und Reflektieren findet ohnedies während des Experiments statt. Wir beanspruchen auch nicht Expertinnen und Experten zu sein, die von vornherein wissen, was unter welchen Umständen ethisch gut ist. Im Gegenteil, uns geht es darum, "Experimente mit der Wahrheit", wie es Mahatma Gandhi genannt hat, zu machen.

Die Furche: Das heißt …

Sedmak: … Erfahrungen zu sammeln, auch am eigenen Leib und im eigenen Leben, über die man dann ethisch-systematisch nachdenken kann.

Die Furche: Soll bei dieser "experimentellen Ethik" schlussendlich ein Rezeptbuch für ein ethisch korrektes Leben herauskommen?

Sedmak: Kein Rezeptbuch, aber ein reflektiertes Erfahrungsbuch; was Hickman wirklich toll gemacht hat, ist die narrative Beschreibung seines Experiments, aber er hat nicht systematisch nachgedacht. Zum Beispiel die jüngste Aussage von Umweltminister Erwin Pröll, weniger mit dem Flugzeug zu fliegen: Gut und schön, aber wir fragen weiter: Wie akzeptabel ist das, was ich als Begründung dafür biete?

Die Furche: Und wie akzeptabel ist diese Minister-Forderung?

Sedmak: Generell macht man es sich zu leicht, wenn Dinge, die auf einer institutionellen Ebene angesiedelt sind, auf den Spielraum des einzelnen abgewälzt werden. Der und die einzelne kann zweifellos sehr viel zur Lösung unserer großen Probleme beitragen; aber es ist billig, wenn jemand in einer Position, in der er Strukturen verändern könnte und wo seine Verantwortung darin liegt, sozial-und strukturethisch zu denken, wenn so jemand beginnt, in einer zentralen ethischen Frage individualethisch zu kippen.

Die Furche: Das heißt, es braucht beides: die strukturellen und die individuellen Veränderungen - letztere sind aber ganz schön anstrengend…

Sedmak: … und sollen auch anstrengend sein. Das Leben ist ja nicht dazu da, dass man es vertrödelt; ein gutes Leben ist ein Leben, das man empfehlen und rechtfertigen kann; ein Leben, das man empfehlen kann, ist ein Leben, das man selbst als lebenswert erfährt und das auch ausstrahlt; es hat keinen Sinn, wenn man selber verbittert, um ein Ideal zu leben, das mich zwingt, Dinge zu tun, die nicht in mir liegen und ich mich ständig selbst verleugnen muss. Ein Leben, das ich rechtfertigen kann, ist aber durchaus mit dem Moment des Verzichts und einer Verweigerung, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, verbunden.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

Weitere Info: www.unicummensch.org

Die Gruppe ist über jedes Feedback dankbar, per Mail unter: jakob.reichenberger@sbg.ac.at

Die furche wird weiterhin über "Hickman auf Salzburgerisch" berichten.

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