Von wilden Testosteron-Steirern bis zu Conchita

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Seit jeher galten die Steirer als "die Wilden hinter dem Semmering" - bis im Jahr 1973 "Aus dem Leben Hödlmosers" erschien.

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Seit jeher galten die Steirer als "die Wilden hinter dem Semmering" - bis im Jahr 1973 "Aus dem Leben Hödlmosers" erschien.

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Die Steiermark ist ein Bestandteil Österreichs." Ein für allemal hat Reinhard P. Gruber dieses ironische Statement im Jahr 1973 geprägt. Im "steirischen Roman mit Regie -Aus dem Leben Hödlmosers" beschreibt der Autor das Leben des Kleinhäuslers Hödlmoser aus Kumpitz. Das Dorf Kumpitz ist ein literarischer und dennoch kein fiktiver Ort -es liegt in der Nähe von Fohnsdorf. Hödlmoser begegnet in diesem köstlichen, satirischen Entwicklungsroman seiner Frau, Steirern aus anderen Regionen, und er kommt sogar bis Wien. Man muss es klar sagen: In den 70er-Jahren legten die Steirer die Austro-Fremdenfeindlichkeit ab. Sie ließen die Kärntner Kärntner sein, und die Wiener wurden mit dem aufkommenden Fremdenverkehr in dem herrlichen Land hinter dem Semmering herzlich willkommen geheißen.

Das war in der Psyche der Steirer nicht immer so. Von altersher galten sie als die "Wilden hinter dem Semmering". Bis 1973 sahen sich die Steirer als die "wilden Hunde" und wurden auch vom restlichen Österreich so gesehen. Manche Politiker schimpften auch später noch auf die "Großkopferten" in Wien. Die meisten lernten allerdings mit der Bevölkerung mit. Wien ist nicht mehr der Erzgegner. Brüssel ist es noch nicht.

Die Steirer haben es mit der Sprache. Sie sprachen bis 1973 Dialekte, die 100 Kilometer weiter nicht verstanden wurden. Meine Frau besuchte damals die Familie meines Vaters in der Oststeiermark, nahe der mächtigen Riegersburg. Sie verstand kein Wort und sah mich fragend an. Heute verstehen einander Steirer aller Regionen.

Es waren die Schriftsteller, die die Steiermark ab den 60er-Jahren zum Bestandteil Österreichs machten. Barbara Frischmuth schreibt scharf beobachtend "Über die Verhältnisse" und Gerhard Roth beschreibt "Im tiefen Österreich" die Untiefen der Steiermark. Das "Forum Stadtpark" in Graz war der Kristallisationspunkt für Dichter wie Wolfgang Bauer, Peter Handke oder Elfriede Jelinek.

Verschlafenes Image überwunden

Erzherzog Johann gilt zu recht als die Gründerfigur der modernen Steiermark. Montanwesen, Landwirtschaft, Hohe Schulen: Er injizierte dem Land Gene für die Zukunft. Die Harnoncourts pflegen seine Kultur weiter: Nikolaus, der Dirigent, Karl, der Mediziner, Philipp, der Theologe und Priester. Sie repräsentieren hohe Bildung, Arbeit, Tradition und Moderne, Präsenz und Zurückhaltung, Religion und Kunst. Graz hat sein verschlafenes Image längst abgelegt.

Mein Steiermark-Rap sieht so aus: Nachtslalom in Schladming, Ausseer Land, Mur, Mürz, Enns, Kreischberg und Snowboard-WM, Formel 1 am Österreich-Ring, Riesenschanze am Kulm, Wein und steirische Toskana, Thermen, Didi Mateschitz, Arnie Schwarzenegger, Frank Stronach, Industrie-Entwicklung trotz Krise, Universitäten im Aufschwung, höchste Forschungsquote der EU-Regionen

Es gibt für Steirer wie mich weitere Gründe, das Land spannend zu finden. Etwa das kongeniale Duo Conchita Wurst -Andreas Gabalier. Zwei begabte und hoch politische Entertainer. Der traditionalistisch agierende Volks-Rocker gibt den Testosteron-Lederhosen-Steirer mit Hirschgeweih. Aber auch Conchita ist Steiermark. Ihr Heimatort Bad Mitterndorf im wunderschönen Ausseer Land machte sie zur Ehrenbürgerin und wurde kurzfristig zu "Bart Mitterndorf". Conchitas Botschaft ist weltoffen, fordernd, zukunftsorientiert. Beide zusammen ergeben ein stimmiges Bild der Steiermark. Widersprüchlich, kraftvoll, konservativ, rückwärtsgewandt und zukunftsorientiert. National und weltoffen, tolerant und eng. Und so werden wir Steirer wohl auch wählen.

| Der Autor ist Psychotherapeut, Sportpsychologe, Universitätslektor und Unternehmer |

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