Schimpanse - © Foto: Anja Krug-Metzinger Filmproduktion GmbH

Schimpansen & Co: Menschliches, Allzumenschliches

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Aktuelle Forschung zu Menschenaffen legt nahe, dass sich Mitgefühl und Moral, Kooperation und Fairness teilweise bereits im Tierreich herausgebildet haben.

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Aktuelle Forschung zu Menschenaffen legt nahe, dass sich Mitgefühl und Moral, Kooperation und Fairness teilweise bereits im Tierreich herausgebildet haben.

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Herz und Schmerz gibt es auch bei Affen – und in ihrer Beziehung zu Menschen. Als die Schimpansin „Mama“ zusammengekauert im Sterben liegt, kommt Jan Van Hooff, um sich zu verabschieden. Der niederländische Forscher kennt „Mama“ schon lange, denn er untersucht das Verhalten der Schimpansen und hat dabei eine Freundschaft zu ihr aufgebaut. Als „Mama“ ihn erkennt, schreit sie vor Freude auf, legt ihren Arm um seinen Hals und zieht ihn zu sich heran. Ohne Worte teilt die Schimpansin mit, dass sie sterben wird. Eine ergreifende Szene, zu sehen im Dokumentarfilm „Menschenaffen“ (siehe unten). Und titelgebend für Frans de Waals jüngstes Buch „Mamas letzte Umarmung“ (Klett Cotta, 2020), das verdeutlicht, dass viele Tiere nicht weniger emotional sind als Menschen. In seinem bislang persönlichsten Werk beschreibt der Verhaltensforscher Affen als tiefgründige Wesen, in denen die Grundlagen des menschlichen Gefühlslebens zu entdecken sind.

Seit Jane Goodall vor mehr als 60 Jahren ihre Feldforschung an wilden Schimpansen in Afrika aufnahm, hat sich der Blick auf unsere nächsten tierischen Verwandten drastisch verändert. Die Britin zeigte, dass Schimpansen Zweige bearbeiten, um damit nach Termiten zu angeln. Dass auch Tiere Werkzeuge herstellen und benutzen, war damals eine revolutionäre Erkenntnis. Doch die Pionierin der Primatologie musste auch erkennen, dass Schimpansen grausame Kriege führen können. Der Film zeigt Aufnahmen der brutalen Kämpfe, die dazu führten, dass Jane Goodall ihr ganzes Weltbild ändern musste.

„Es ist Goodall hoch anzurechnen, dass sie die ihren ursprünglichen Annahmen widersprechenden Beobachtungen in ihrem monumentalen Werk ‚The Chimpanzees of Gombe’ haargenau berichtete“, sagt Anthropologe Volker Sommer, der ebenfalls im Film zu Wort kommt. Dieser führt in den Berg-Urwald von Nigeria, wo der deutsche Forscher das Sozialverhalten der Affen beobachtet. Und zu erstaunlichen Schlüssen kam: Auch in Schimpansengruppen gibt es regional unterschiedliche Sitten und Gebräuche. Und auch Männer- und Frauen-dominierte Affengesellschaften unterscheiden sich gründlich (Schimpansen vs. Bonobos).

Mysteriöse Steinhaufen

Dass die Affen auch geheimnisvolle Steinhäufungen in der Nähe von Bäumen errichteten, bietet heute Stoff für Spekulation. Sind diese Monumente, die bisher nur dem Homo sapiens zugeordnet wurden, ein Zeugnis für kultische Handlungen? Gibt es im Tierreich Vorformen von Religion?

Frans de Waal jedenfalls fand bei Schimpansen etwas sehr Menschliches: die Fähigkeit, sich nach Kämpfen zu versöhnen. Affen zeigen Mitgefühl, Kooperation und einen Sinn für Fairness – Eigenschaften, die bis vor kurzem ausschließlich Menschen zugeschrieben wurden. Mensch und Affe teilen schließlich eine tiefe Vergangenheit, denn vor fünf bis acht Millionen Jahren gab es einen gemeinsamen Vorfahren. Das Beispiel der Schimpansin „Mama“ zeigt, wie diese Verbundenheit heute noch innig zum Ausdruck kommt.

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