Henry David Thoreau (1817-1862), berühmt geworden durch „Waiden oder das Leben in den Wäldern“, sowie mit seinem „Essay über den bürgerlichen Ungehorsam“, gilt in gewisser Weise als geistiger Vater der friedlichen Anarchie, der Hippies und „Grünen“. Er pries die Yankee-Tugend der Genügsamkeit, lästerte den Hurra-Militarismus und setzte sich leidenschaftlich für die Sklavenbefreiung ein.In der hier vorliegenden Auswahl seiner Schriften unter dem Titel „Leben ohne Grundsätze“ sind hochinteressante Betrachtungen versammelt. Der Herausgeber Phi- • lip Wolf-Windegg
Hubert Selby, durch „Last Exit Brooklyn” und „Mauern” zu einem der wichtigsten und schockierend-sten Autoren Amerikas aufgestiegen, setzt in seinem dritten Roman die ihm eigene Thematik fort.Großstadtdschungel, menschenfressende Konzernideologie, Brutalität, Unrat. Der Manager Harry White wird zunehmend Opfer seiner Triebhaftigkeit. Indem er seinen „Dämon” nicht in die Gewalt bekommt, wird er zum Dieb, zum Mörder, zum Selbstmörder.Ohne Schonung zeigt Selby eine ausweglose und hoffnungslose Hölle, in der sich das Ich dieses negativen Helden zerschindet. Selbst der Versuch, den
Francisco Goya, Erster Hofmaler des spanischen Königs und gleichzeitig unheimlicher Kritiker der aristokratischen Intrigen, hat vier große graphische Zyklen geschaffen: die „Caprichos” um 1793/94, von der Inquisition eingeklagt, die „Desastres de la Guerra” 1810-1820, sowie die Tauromaquia (1815/16) und die „Disparates” (auch Los Proverbios genannt, die nach Goyas Tod 1864 herausgegeben wurden).Goyas Kriegs-Zyklus, nämlich der Einfall der französichen Revolution in Spanien, umfaßt 85 Blätter. Die Greueltaten und der Irrsinn menschlichen Fanatismus haben hier ihren
Anfang des 20. Jahrhunderts hatten sich die ikarischen Wünsche erfüllt. Die Brüder Wright, Orville, Graf Lambert, Bleriot waren magische Piloten. Die Fliegerei wurde zum Inbegriff der technischen Zivilisation und beeinflußte Literatur und bildende Kunst.Die Futuristen entwickelten den Maschinenmythos und die russischen Konstruktivisten besangen die Himmels-Eroberer. Ein neues Thema, eine moderne Angelogie. Dieser „Engelskult” des aerodynamischen Fortschritts ergriff ganz Europa, von d'Annunzio bis Nietzsche, von Rilke bis Benn und Scheerbart.Der Autor hat in ungeheurem Sammelfleiß die
Ina-Maria Greverus, Direktorin des Instituts für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie an der Universität Frankfurt, ist bereits mit ihrem bemerkenswerten Buch „Kultur und Alltagswelt" hervorgetreten. In dem vorliegenden Band versucht sie dem Phänomen des menschlichen „Territoriums" auf die Spuren zu kommen.Sie skizziert zunächt „Heimat" als politische Vokabel und Aufgabe, schildert das Heimatbild in Ideologie und Brauchtum, um schließlich zu einer gründlichen und hochinteressanten Untersuchung auszuholen. Diese umfaßt Gebiete wie das Heimatrecht,
Das Interesse an Märchen steigt wieder. Neben der Neuauflage einschlägiger Werke der wissenschaftlichen Märchenforschung wird auch die Sammlung von Märchen selbst intensiviert. Ingo Reiffenstein, Dialektforscher, legt nun „österreichische Märchen" vor.Er versucht ein Bild des österreichischen Märchengutes zu geben, wie es die Sammlungen bis zur Zwischenkriegszeit vermitteln. Dabei stützt er sich nicht nur auf Zauners „Deutsche Märchen aus dem Donauland" (1926) und Haidings „Österreichs Märchenschatz" (1953), sondern beispielsweise auf Bunkers
Während das romantische 19. Jahrhundert die barocke Lyrik als zutiefst „emblematisch" fand, gewollt, ausgedacht, wurde sie im 20. Jahrhundert wiederentdeckt. Gerade ihre reizvolle, künstlichüberschwengliche Konstruktion und Wort-Rätselei begann zu faszinieren. Urs Herzog nun hat eine Einführung in das literarische, barocke Lebensgefühl vorgelegt. Er zeichnet diese Gedichtform als gesellschaftliche Gelegenheitslyrik. Das war Gebrauchsgedicht -sei es als Lob für Gott, als Lobgesang auf die Frau Venus, auf Natur und Festlichkeit. Die delecta-tio, also Ergötzlichkeit wurde von den
Der neue Gedichtband Peter Rühmkorfs beginnt folgendermaßen:Wie ich höre, hast du lange nicht von dir selbst gesungen, OnkelchenDie Menschheit muß ja allmählich denken, sie ist unter sich -Wieviele Reiche haben inzwischen ihren Besitzer gewechselt?Das Bewußtsein ist siebenmal umgeschlagen. Da schnei ich nun herein mit lauter letzten Fragen.Um es vorwegzunehmen: Rühmkorf, der Engagierte, Sprachgewaltige und Umgangssprachliche hat uns nun ein Oeuvre hingeknallt, das richtigen Spaß macht. Auf erfrischend ironische Weise singt er das Lied des Troubadours: Liebe, Tagesgeschehen, Angst vor
Der Residenz-Verlag ließ es sich angelegen sein, die verstreute Prosa H. C. Artmanns zu sammeln und von Klaus Reichert (Fachmann für Carroll, Nonsens und Joyce) herausgeben zu lassen. Drei dicke Bände, chronologisch geordnet, von 1949 aufwärts. Obwohl ein Großteil der Texte bekannt ist, hat die Kassette einen schönen Vorteil: man kann Artmanns literarische Reise durch die fremde und eigene Schreibhistorie bruchlos verfolgen. Arkadischer Aufschwung, Verarbeitung der spanischen Concettisten, Manieristen, dann Lorca, dann Surrealisten, dann englisches Neunzehnhundert, dann Wiener Dialekt,
In den fünfziger Jahren entstand in den USA ein neues Bewußtsein. Es explodierte sozusagen als „Beat-Sensibilität“ in Musik und Literatur. Der american way of lifemit seinem Materialismus wurde scharf attackiert. Das literarische Dreigestirn: William Burroughs, der in radikaler Form vom Umgang mit Drogen berichtete, Jack Kerouac, der das Glück moderner Tramps formulierte, und Allen Ginsberg, der messianisch die östliche Weisheit propagierte und zum Wortführer der neuen Generation wurde.John Tytell hat über diese moder nen Klassiker kein braves akademisches Buch, sondern einen
Die Reihe „Elemente der Architektur” versucht das Interesse auf einzelne Bauteile hin zu lenken. Dieses Verfahren gewisse Strukturen zu isolieren und in ihrer Eigenexistenz zu präsentieren, läßt Poesie und Wissenschaft in eins zusammenfallen. Der ausführliche Fototeil vermittelt jeweils nahezu rhythmisch Formvarianten und Entwicklungsreihen, der Textteil - von namhaften Schriftstellern gestaltet - sucht Sachliches mit eigener Anschauung zu verbinden.Der erste Band „Tür und Tor” war mit einem Text von Jutta Schütting versehen. Der hier nun vorliegende zweite Band „Fenster”
Der französische Photograph Brassai hat die legendären dreißiger Jahre von Paris in vielen Bildbänden dokumentiert. Als Chronist der Boheme sammelte er aber auch Gespräche, etwa von Picasso. Nun legt er seine Erinnerungen an den amerikanischen Schriftsteller Henry Miller vor. Dieses dem Surrealisten Raymond Queneau gewidmete Buch besteht aus zwei Teilen: „Henry Miller in Paris“ und „Gast aus Amerika“.Zwei Zeitperioden werden in Schlaglichtern zum Leben erweckt. Zum einen Millers Beziehungen zu Celine, Anais Nin und der Avantgarde, zum anderen seine Rückkehr an den Ort seiner
Die Bücher über Pablo Picasso sind kaum mehr zu zählen und zu überblicken. Berühmt wurden davon vor allem die Werke von Roland Penrose „Picasso. Leben und Werk“, Fernande Oliviers „Neun Jahre mit Picasso“ und auch Francoise Gilots „Leben mit Picasso“ - beide skandalumwittert. Ein Großteil der Monographien präsentiert sich als reichhaltige Bildersammlung. Nun aber ist eine dickleibige Biographie von Patrick O'Brian erschienen, ohne eine einzige Abbildung! Ist solch ein Unternehmen angesichts eines Bild-Bessenen gestattet? Jawohl. Denn der Autor hat sozusagen einen Lebensroman
Die österreichische Lyrikerin Friederike Mayröcker hat für den Suhrkamp-Verlag eine Auswahl ihrer Gedichte getroffen: von 1944 bis 1978. Das Buch kann so als Führer durch die Entwicklungsstadien der Dichterin verstanden werden. Es beginnt mit nahezu einfachen, klassischen Texten, die im Folgenden zugunsten komplexerer, freierer Assoziationen aufgegeben werden.Unverändert freilich bleiben formale Gestimmtheit und Themen wie Musik, bildende Kunst, Landschaft, Religion, Mythos. Die Texte sind präzis gewebt, zwingen alle eingefahrenen Regeln des Lesens fallen zu lassen. Gefordert ist ein
Max Frisch legt eine neue Er-zahlung vor, die Geschichte eines Herrn Geiser, der durch ein Un-wetter im Haus eines Tages einge-schlossen wird. Er beginnt in Bi-bel, Schulbuchern, Lexika und dem GroBen Brockhaus zu lesen, um sich Informationen iiber Pha-nomene wie Donner, Blitz, Sint-flutkatastrophen, Geologie und Geschichte zu verschaffen. Bei dieser Lektiire beginnt Geiser Be-ziehungen zwischen dem Gelese-nen und seinem Leben herzustel-len. Er reiht Beobachtungen, Er-innerungen, Notizen wie Max Frisch selbst aneinander.Diese Collagetechnik soli in un-terkiihlter Technik einem gewis-sen
In seinem ersten Roman „Das Waisenhaus“ führte Hubert Fichte die Ich-Figur „Detlev“ ein, der Protagonist als Kindheits-Ich in den Kriegswirrnissen. Im darauffolgenden Roman „Die Palette“ figurierte „Jäcki“ als die Spiegelperson des Autors, Ausdruck der Beat- und Pop-Generation.Im dritten Roman „Detlevs Imitationen. • Grünspan“ verschränkt Fichte in filmischer Schnitt-Technik die Kindheitsepisoden mit den Ereignissen des gealterten Detlev-Jäcki.Fichte, der sich stets mit den Außenseitern der Gesellschaft beschäftigt (Boheme, Kriminelle, marginale Gruppen) arbeitet