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Der Dialogpartner ist „die“ Welt

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OECONOMIA HUMANA-Beiträge zum Wirtschaftskapitel der pastoralen Konstitution. Verlag J. P. Bachem, Köln. 574 Seiten, geb., DM 5 .—.

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OECONOMIA HUMANA-Beiträge zum Wirtschaftskapitel der pastoralen Konstitution. Verlag J. P. Bachem, Köln. 574 Seiten, geb., DM 5 .—.

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Im Jahre 1966 wurde in Lugano die „Internationale Stiftung Huma- num“ errichtet, deren Aufgabe es sein soll, den Dialog der Kirche mit der Welt zu fördern. Erstes Dokument einer Tätigkeit der Stiftung ist die Herausgabe eines umfangreichen und von ersten Experten geschriebenen Sammelbandes über das Wirtschaftskapitel der Pastoralkonstitution „Die Kirche in der Welt von heute“ („Gaudium et spes“), welches neben der dogmatischen Konstitution als das bedeutendste Dokument des Vaticanum II angesehen wird.

Die Autoren stammen aus zehn Ländern und vertreten beide christliche Konfessionen, wobei sie jeweils ein Kapitel aus der PK zum Gegenstand ihrer Untersuchung nehmen. Die thematische Gliederung des Bandes erfolgt nach der Gedanken- führunig der Konstitution.

Das Werk wird in dankenswerter Weise mit dem lateinischen und deutschen Text der Konstitution (Kapitel III „Das Wirtschaftsleben“) eingeleitet.

Die Antwort auf kirchenamtliche Dokumente ist heute nicht mehr ein bedingungsloses und manchmal peinlich devotes Ja und ebensowenig (wenn der Kritiker ernst genommen werden will) ein rabiates Nein. Diese Wandlung in der Interpretation kirchenamtlicher Deklarationen deutet auf ein kritisches Enstnehmen der Aussage der Kirche hin, deren Wirken keineswegs mehr als in einem ,Jenseits“ angesiedelt betrachtet wird.

Nach einer Einleitung in die Textgeschichte (J. Hirschmann), befaßt sich J. M. van der Ven mit der Frage von Freiheit und Bindung des Menschen in einer Situation, die eine irreversible Sozialisierung des Menschen erkennen läßt. W. Weber (Münster) untersucht den technischen Fortschritt (im Zusammenhang mit dem Heil des Menschen), der nicht nur quantitativ (more mathematico), sondern auch qualitativ, in seinem Bezug auf den einzelnen Menschen, zu verstehen ist. P. Pavan deklariert den Vorrang der menschlichen Arbeit vor dem Betriebskapital aus der Wirtschaftskonstitution. J. Y. Calvez weist auf die in der PK ausgesprochene Notwendigkeit der Teilnahme des Menschen an der Wirtschaft hin und kommt dabei auf die neuerlich aktuell gewordene Frage der Mitbestimmung. Der Verfasser ist der Ansicht, daß die Kirche sich auch in dieser Frage nicht spezifisch festlege, sind doch ihre Aussagen für differente lokale und historische Situationen in gleicher Weise gültig. Was die Kirche zu fördern gewillt ist, muß jeweils als ein Optimum erkannt werden. J. Messner setzt die Diskussion über die Mitbestimmung, soweit sie in der PK erörtert wunde, fort und weist nachdrücklich auf die zwei Ebenen der Mitbestimmung, jene des Unternehmens und jene des Betriebes, hin. Eine Fixierung der Mitbestimmung auf der unternehmerischen Ebene (Geschäftsführung) ist Ausdruck einer statischen Eigentumsauffassung. D. Worlock untersucht moral theologisch das Problem des Streiks, den er als eine gesetzmäßige Revolte gegen die Gesellschaft bezeichnet. E. Lio bietet eine umfangreiche Abhandlung über die universelle Bestimmung der Erdengüter, ausge hend von der sozialen Funktion des Eigentums(rechtes). A. Rauscher setzt sich kritisch mit der gleichen Thematik auseinander, die nach seiner Ansicht in der PK nicht ausreichend klar formuliert worden ist. Gleiches gilt für die soziale Ordnungsfunktion des (Privat) Eigentums. A. F. Utz bestätigt, daß die Eigentumslehre der PK der traditionellen Eigentumslehre der Kirche seit Leo XIII. entspreche und sie lediglich zusammenfasse. Der Autor erläutert nochmals und systematisch die christliche Eigentumsauffassung u. a. am Beispiel der Sozialversicherung. E. Fessler (ein Bankfachmann) schreibt sachkundig über Investitionsplanung und Währungswesen auf Grund der Aussagen der PK. Sehr klar sind die geldsoziologischen Darstellungen, ebenso die Erörterungen zur Kaufkraftsicherung in ihrer sozialethischen Bedeutung. J. Schmauch geht auf die Ausführungen der PK über Landwirtschaft und Landbevölkerung ein, während sich G. Arroyo mit dem neuerlich diskussionsreif gewordenen Problem des Großgrundbesitzes und der Landreform befaßt. Dabei wird darauf hingewiesen, daß jede Landre- form nicht „Idealen“, sondern dem Menschen zu dienen habe. H. de Riedmatten (ständiger Beobachter des Vatikans bei internationalen Organisationen) analysiert an Hand des Textes der PK die Entwicklung als Weltproblem. H. Walz (Generalsekretär des Deutschen Evangelischen Kirchentages) erläutert die Formen der Zusammenarbeit von Katholiken und Evangelischen bei Entwicklungsfragen. St. de Lestapis behandelt die Probleme der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bevölkerungspolitik angesichts der unübersehbaren sozioökonomischen Übervölkerung.

A. Sigmond erklärt, daß die PK hinsichtlich der Wirtschaftssysteme eine metaökonomische Position ein- nehme, davon ausgehend, daß wesentlich die Gemeinwidmung der Güter ist. Der evangelische Sozialist A. Philip betonte den kompromissarischen Charakter der PK, ihren ständigen Bezug auf eine abgestorbene und der alten Aufklärung zuzurechnende Naturphilosophie. Dadurch kann das „Drama“ der gegenwärtigen Menschheit nicht erfaßt werden. Der Text der PK ist zu abstrakt, moralistisch und universalistisch, zum Unterschied von der Enzyklika Populorum progres- sio. D. L. Munby rühmt die moderne Bewertung der modernen Welt in der PK, die er mit entsprechenden Dokumenten des Weltkirchenrates vergleicht. E. Duff behandelt die in der PK erläuterte Frage der Gerechtigkeit in der Wirtschaft aus ökumenischer Sicht. M. Fogarty fragt „Genügen gute Ermahnungen?“ und stellt einzelne Schwächen der PK heraus, vor allem die Tatsache, daß sie Normen enthält, die auf die Vergangenheit bezogen sind. A. Vanistendael analysiert die PK vom Standpunkt der Erwartungen der Arbeitnehmer, wobei er feststellt, daß der Arbeitnehmer als eine Realfigur (und nicht allein im Sinn der Industriegesellschaften) angesprochen worden ist. L. de Rosen geht auf die PK aus der Sicht des Unternehmers ein.

Das Buch bringt nicht nur eine Übersicht über die verschiedenen Aspekte, unter denen die PK interpretiert werden kann, sondern ist auch als Handbuch verwertbar, um so mehr, als ein umfangreicher Index das Aufsuchen der Textstellen erleichtert.

Bedauerlich ist, daß bei Auswahl der katholischen Autoren — von einer Ausnahme abgesehen — unverkennbar einseitig vargegangen worden ist.

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