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Ein CSU-Modell

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Bayern hat Mitte Oktober eine sechste Universität erhalten. Neben den bereits bestehenden Hochschulen in München, Erlangen-Nürnberg, Würziburg und Regensburg und neben der kürzlich zur Universität erhobenen Technischen Hochschule München hat nun auch in Augsburg — der Hauptstadt Schwabens, der Stadt der Fugger und Welser — eine weitere Alma mater ihre Pforten geöffnet. Rund 40 Lehrkräfte, Professoren und Assistenten, haben mit 185 Studenten in angemieteten Gebäuden mit der Realisierung dessen begonnen, was der Gründungsbeauftragte und jetzige Präsident, Professor Louis Perridon, als „Experjmen-tieruniversität“ der Festversammlung im Städtischen Theater vorstellte.

Vorerst besteht nur der wirtschafts-und sozialwissenschaftliche Fachbereich mit den Studienrichtungen Makroökonomie und MikroÖkonomie. Ein zweiter Fachbereich, der philosophisch-theologische, ist im Werden, da die katholische Hochschule Dillingen vor kurzem durch ein Konkordat an die Universität Augsburg übergeleitet wurde. Im Herbst 1971 sollen die Studien im rechtswissenschaftlichen Fachbereich aufgenommen werden. Dieser zeichnet sich nach den Worten von CSU-Kultusminister Huber, der die Augsburger Universität eröffnete, insbesondere dadurch aus, daß an Stelle der bisher zweiphasigen Juristenausbildung eine einphasige integrierte Ausbildung mit wechselseitiger Verzahnung von Wissenschaft und Praxis treten wird. Gleichzeitig mit der Eingliederung der Augsburger Pädagogischen Hochschule soll dann im Herbst 1972 der sprachwissenschaftliche Fachbereich seinen Betrieb aufnehmen. Im Rahmen einer „Gesamthochschule“ ist außerdem zu einem späteren Zeitpunkt noch die Integration des „Rudolf-Diesel-Polytechnikums“ sowie der städtischen Werkkunstschule vorgesehen. Wunschtraum bleibt bis auf weiteres die Errichtung eines medizinisch-naturwissenschaftlichen Fachbereichs. Die Augsburger Universität' soll nach ihrem endgültigen Ausbau auf einem insgesamt 100 Hektar großen Gelände des ehemaligen Flugplatzes 12.000 bis 15.000 Studienplätze umfassen.

Vorerst allerdings konzentrieren sich die Anstrengungen auf das „Experiment“ im wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fachbereich, der nach einem 1966 gefaßten — 1969 nachträglich revidierten — Entschluß des bayrischen Landtags die Augsburger Hochschule ausschließlich prägen sollte und jetzt als Grundraster des „Augsburger Modells“ betrachtet wird. Aufbauend auf angelsächsischen Vorbildern wird hier der Versuch unternommen, eine integrierte Wirtschaftswissenschaft zu entwik-keln, die eine traditionell isolierte

Betrachtungsweise von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft überwindet und neben der Zusammenschau von Mikro- und Makroökonomie auch wirtschaftlich relevante Aspekte des individuellen und sozialen Verhaltens der Menschen — früher getrennt in Psychologie Und Soziologie behandelt — miteinbezieht. Bei dem betont nüchternen und frei von jeglichem Magnifizenzen-, Spektabilitäten- und Burschenschaftsgepränge gehaltenen Eröffnungsakt wurde jedoch deutlich, daß auch an dieser neuesten Universität der Bundesrepublik die Reform nicht nur von oben nach unten, sondern auch im umgekehrten Sinne betrieben werden müßte. Studenten- und

Assistentenvertreter hatten erst nach einem angedrohten Boykott der Rede des Kultusministers die Möglichkeit erhalten, unzensiert den Augsburger Honoratioren ihre Anliegen vorzutragen. „Bei allem entschiedenen Willen zur Mitarbeit“ forderten sie grundlegende Änderungen der Satzung, mehr Rechte der Selbstbestimmung, Drittelparität in den Entscheidungsgremien und deren Öffentlichkeit. Dem Präsidialsystem — einer in Bayern erstmals eingeführten Einrichtung — wurde mangelnde Kontrolle zum Vorwurf gemacht. Alles in allem: ein Versuch, den roten Universitäten — vor allem in Bremen — ein Gegengewicht gegenüberzustellen.

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