6767807-1968_41_27.jpg
Digital In Arbeit

Der Knall von oben

Werbung
Werbung
Werbung

Im Herbst dieses Jahres wird das erste Überschallpassagierflugzeug der Welt, die in englisch-französii- scher Zusammenarbeit entwickelte Concorde, von der südfranzösisehen Stadt Toulon zu ihrem ersten Flug starten. Nach einer Reihe von strengen Tests gab Rolls-Royce die Motoren des neu entwickelten Flugzeuges Concorde, für die ein eigenes Flugmotorenöl vom Mohil-Konzern ausgearbeitet werden mußte, zur Verwendung frei. Bei der Concorde werden Düsentriebwerke des Typs „Olympus 593“ verwendet.

Ist man in Fachkreisen heute schon der Meinung, daß die Concorde nur für wenige Jahre ihre vorherrschende Stellung behalten wird, so glauiben Flugfachleute bereits jetzt, daß daneben auch noch andere Schwierigkeiten mit Uberschallverkehrsmaschinen auftreten werden. Die Concorde wird bereits im Jahre 1974 durch die derzeit noch im Projektstadium befindliche Boeing 2707 eine sehr starke Konkurrenz erhalten. Dieses amerikanische, rund 300 Pässdffet’e fasstnd Überschallflugzeug wild’; nicht’ mff mehr Fluggäste übernehmen können, sondern auch das erste Flugzeug der Welt sein, bei dem statt Aluminium Titan verwendet wurde.

Auch die Tragflächenpfeilung wird bei dieser Maschine verwendet werden können, so daß die Boeing nicht nur größer, sondern auch schneller fliegen wird.

So gesehen hat man in Europa den Vorsprung durch allzu große Divergenzen zwischen England und Frankreich wieder einmal verpaßt. Hätten nämlich nicht England und Frankreich wiederholt mit dem Austritt aus dem Gemeinschaftsprojekt gedroht, so wäre zweifellos das Überschallverkehrsflugzeug schon 1968 im großen in Dienst gestellt worden. Inzwischen aber hat die Boeing 2707 solche Fortschritte gemacht, wobei den Amerikanern noch die Erfahrung mit Titan in der Raumfahrt zugute kam, da man von der Concorde bisher insgesamt nur ungefähr die Hälfte jener Zahl von Maschinen absetzen konnte, die notwendig wäre, um diesem Projekt auch Gewinnchancen einzuräumen. Die Fluggesellschaften warten lieber auf die wesentlich größere und daher rationellere Boeing, die Mitte der siebziger Jahre auf den Markt kommen wird. Die Uibersehalltriebwerke der Type GE 4 sind jedenfalls bereits ins Erprobungsstadium gelangt.

Wird man im heurigen Jahr also kaum noch von einer großen Lärmwelle, die die neuen Überschallpassa- giermaschinen entwickeln, belästigt werden, so dürfte das spätestens 1970 der Fall sein. Schon jetzt wollen sieh einzelne Länder gegen diesen „Knall von oben“ schützen.

In der Schweiz liegt dem Nationalrat bereits ein Antrag vor, der für das gesamte Gebiet der Schweiz das Überfliegen von Uberschall- passagiennaischinen untersagen soll.

Australische Stadltplaner und Architekten warnten in Melbourne vor dem zu erwartenden Fluglärm durch Uberschal Im aschi&ejr und, vertraten die Meinung, in der Nähe von Flugplätzen sollte man in Zukunft unterirdische Wohnungen zum Schutz vor Gesundheitsschädigungen bauen.

Auch deutsche Fachleute meinen, besser wäre es, die Überschallmaschinen nur vom Kontdnentrand im Überseeverkehr einzusetzen oder Überschallpassagierflugzeugen zu verbieten, über dem Festlande die Schallgrenze zu durchbrechen.

Auch die im September 1968 in Linz abgehaltene Fachtagung des österreichischen Arbeitsringes für Lärmbekämpfung befaßte sich mit dem Thema Fluglärm. Wieweit allerdings die Entwicklung den Menschen auch in dieser Beziehung überrollt, steht derzeit noch nicht fest, denn der Schallkegel der sehr hoch fliegenden Überschafllmaschi- nen wird zirka 100 bis 150 km breit sein. Eine solche Verkehrsmaschine, die in Wien-Schwechat startet, wird daher auch noch Graz, Enns und Gmünd Lärmbelästigung bringen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung