Die Bedeutung einer tragenden Idee
Zum Tod von Wilhelm Holzbauer (1930-2019)
Zum Tod von Wilhelm Holzbauer (1930-2019)
Mit neun wollte er Bau meister werden, als Architekt machte er österreichische Baugeschichte. Musik und guten Whiskey liebte er. Über 500 Bauten realisierte sein Büro. Mit Friedrich Achleitner, Friedrich Kurrent und Otto Leitner besuchte er die Höhere Bundesgewerbeschule in Salzburg, später an der Wiener Akademie der Bildenden Künste die Meisterklasse Clemens Holzmeister. 1950 gründeten Holzbauer, Kurrent, Leitner und Spalt die legendäre Arbeitsgruppe 4. Schon der Erstling ein Wurf: Holzmeister vermittelte ihnen den Entwurf einer Kapelle in einem Bauernhof. Sie beließen das niedere, alte Gewölbe mit seinen mächtigen Pfeilern als Andachtsraum und schufen mit einem Glockenturm über einer gläsernen Satteldachhälfte einen atmosphärischen Raum über der Altarinsel: 1953 bis 1956 nahm diese Kirche in Salzburg-Parsch das Zweite Vatikanum vorweg. 1956 schiffte sich Holzbauer als Fullbright-Stipendiat am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston an Bord der "Andrea Doria" ein, die vor New York sank: dramatischer Auftakt seiner Zeit in Amerika, die in Briefen an Freund Achleitner dokumentiert ist. 1964 gründete er das eigene Büro, das ein enormes Arbeitspensum umsetzte. Darunter das Bildungshaus St. Virgil und die Naturwissenschaftliche Fakultät in Salzburg, die Anlage "Wohnen Morgen" in Wien, die neuen Säle für den Wiener Musikverein und die Gestaltung der Wiener U-Bahn mit der Arbeitsgruppe U-Bahn (Marschalek, Holzbauer, Ladstätter, Gantar). Von 1977 bis 1998 war Holzbauer Professor an der Hochschule für Angewandte Kunst, von 1987 bis 1991 ihr Rektor. "Er war ein exzellenter Lehrer", erinnert sich Hannes Traupmann, sein Schüler und Assistent, der mit Christoph Pichler das erfolgreiche Büro pxt führt. "Er vermittelte uns nachhaltig, wie wichtig eine tragende Idee ist -und dass man sie mit tollen Zeichnungen kommunizieren muss." Berüchtigt die Schlusskorrekturen, rauschend die Feste. Holzbauer war großzügig: Auf einer Exkursion nach Amsterdam, wo er Oper und Rathaus baute, übernachteten alle Studenten in seinem schmalen Grachtenhaus. Plündern der Weinkeller inklusive.