Freimaurer als "Kirche der Republik“

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Ein sachliches und fundiertes Buch schildert die Geschichte von Frankreichs Großloge "Grand Orient“, des Tempels der Vernunft. Sie gilt bis heute aufgrund ihrer radikalen Laizität als "Kirche der Republik“. Der Autor vermeidet Theorien, nennt aber die Akteure.

Einflussreich. Verschwiegen. Geheimnisvoll. Gerne wird mit Etiketten dieser Qualität jongliert, wenn man sich mit den Freimaurern, in gängiger Verkürzung auch Logenbrüder genannt, befasst. Höchst kenntnisreich und gut lesbar hat auch Lorenz Jäger, Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen in seinem im Karolinger-Verlag erschienenen Buch zum Blick "Hinter dem Großen Orient“ eingeladen und einen Brücke zwischen "Freimaurerei und Revolutionsbewegungen“ gespannt. Um es vorwegzunehmen: In der kaum überschaubaren Fülle der Freimaurer-Literatur ist Jäger ein gediegenes Werk gelungen, das keinesfalls den Anspruch erhebt, "eine Gesamtdarstellung der Freimaurerei“ zu leisten. Es geht um die Geschichte der Pariser Loge "Grand Orient“ von der Aufklärung bis zur Februarrevolution 1917. Wobei in Porträtskizzen einzelne Freimaurer, unter anderen Bakunin, Tucholsky, Ossietzky, Kerenski, in historischen Umbruchprozessen dargestellt sind.

Ideologische Kämpfe um den Laizismus

Jäger geht es um die "Strahlungsfelder“ der 1773 gegründeten Großloge "Grand Orient“, die sich als "Tempel der Vernunft“ versteht und aufgrund ihrer radikalen Laizität als "Kirche der Republik“ gilt. Bis in die Gegenwart. Hat sich doch "nirgendwo wie in Frankreich der Zusammenhang von Ideologie der Republik, Antiklerikalismus und Freimaurerei so deutlich hergestellt.“ Es geht also um ein "Gesellschaftsmodell“, in - wie Jäger schreibt - "einem der angestammten Kernländer der katholischen Kirche“, wo die "ideologischen Kämpfe um den Laizismus, die ganz Europa betreffen, noch unverstellt ausgetragen“ werden. Ein eigener Abschnitt unter dem Titel "Abtreibung und Euthanasie“ analysiert die Verflechtungen von "Frankreichs Maurern“ und der Bioethik. Das Recht des Einzelnen, seinen Tod autonom bestimmen zu können, begründet sich im Sterben als "letzten Akt des freien Gewissens“. Insbesondere beim Themenkomplex "Abtreibung und Empfängnisverhütung“ konnte sich die laizistische Position der Freimaurer "kämpferisch profilieren“ und politisch durchsetzen. Jäger verweist in diesem Zusammenhang auf das Diktum "Kultur des Todes“ von Papst Benedikt XVI. und schreibt: Im Kern kritisiere der Papst "den Wahn, die Herrschaft über das Leben selbst antreten zu können“, wodurch deutlich wird, dass der "wirkliche Graben zwischen Kirche und Freimaurerei so tief ist“ wie 1738, als die Freimaurerei durch Papst Clemens XII. verurteilt wurde, was Pius IX. im Jahr 1864 in der Enzyklika "Quanta cura“ bekräftigte. Dass "diese Haltung (der Kirche) zwingend“ ist, steht für den Autor außer Frage.

Zitate und Belege ergeben Zusammenhänge

Jägers Buch zu lesen empfiehlt sich, weil er nicht gängige Verschwörungstheorien aufkocht, sondern konkret die Akteure benennt, die als "Grand Orient“-Mitglieder seit der Französischen Revolution jede "radikale, republikanische, demokratische und sozialistische Bewegung“ maßgeblich beeinflussen.

Anfang des Jahres 2008 war es Nicolas Sarkozy, der in Saudi-Arabien sein Programm einer "Politik der Zivilisation“ präsentierte und dabei die Freimaurer erwähnte, weil sich jeder glücklich schätzen kann, in Frankreich zu leben, "sei er nun Jude, Katholik, Protestant, Muslim, Atheist, Freimaurer oder Rationalist“. Dass es der ehemalige Großmeister des "Grand Orient“ und langjährige Berater Sarkozys war, der von der Maurerei als "Kirche der Republik“ sprach, ist ebenfalls in dem spannenden Buch von Lorenz Jäger nachzulesen.

Hinter dem Großen Orient

Freimaurerei und Revolutions-bewegungen.

Von Lorenz Jäger

Karolinger Verlag Wien 2009

141 Seiten, kart., Euro 19,90

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