Unter Brüdern - vom Kaiser bis zum Clown

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Die Ausstellung "300 Jahre Freimaurer - Das wahre Geheimnis" widmet sich der legendenumrankten Organisation.

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Die Ausstellung "300 Jahre Freimaurer - Das wahre Geheimnis" widmet sich der legendenumrankten Organisation.

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Was haben Giacomo Casanova, Fred Sinowatz und George Washington gemeinsam? Sie gehörten derselben geheimnisumwitterten Bruderschaft an: den Freimaurern. Der Überlieferung nach wurde 1717 die Großloge von England gegründet, was als Beginn der Geschichte der modernen Freimaurerei gilt. Die Österreichische Nationalbibliothek nahm dies zum Anlass für ihre aktuelle Ausstellung "300 Jahre Freimaurer - Das wahre Geheimnis". Sie will hinter die Kulissen dieser international verbreiteten Vereinigung blicken, die das aus heutiger Sicht ungewöhnliche Kunststück vollbringt, sowohl Vernunft und Universalismus als auch religionsartigen Ritualen und Mystizismus zu huldigen.

Bibel, Tenach und Koran auf dem Altar

Die Freimaurerei ist ein Kind des Zeitalters der Aufklärung und hält daher Humanismus und Toleranz hoch. Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Jahr 1776 zum Beispiel wurde mehrheitlich von Freimaurern verfasst und hält fest, dass jeder Mensch frei geboren ist und Anspruch auf seine eigene Würde besitzt. Diesen Werten fühlen sich Freimaurer auf der ganzen Welt bis heute verpflichtet. Die Großloge von Israel etwa legt die christliche Bibel, den jüdischen Tenach und den islamischen Koran auf den Altar, zum Großmeister wird abwechselnd ein jüdischer und ein arabischer Israeli gewählt.

Die großen Religionen stehen der Freimaurerei freilich weniger offen gegenüber: Die katholische Kirche sieht die Zugehörigkeit zur Freimaurerei nach wie vor als unvereinbar mit ihren Grundsätzen an (siehe auch links), die Islamische Weltliga als unvereinbar mit dem Islam.

Die Freimaurer selbst sehen sich in der Tradition der mittelalterlichen Dombaumeister und Steinmetze, die ihre Versammlungsräume "Lodges" (in England) bzw. "Loges"(in Frankreich) nannten, und sind bis heute in Logen organisiert. Von England aus breitete sich die Freimaurerei auf dem europäischen Kontinent aus und zog den fortschrittlich gesinnten Adel, aber auch Gelehrte, Unternehmer und Künstler in ihren Bann. Sogar Franz Stephan von Lothringen, der spätere Gemahl von Maria Theresia und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, gehörte den Freimaurern an.

Mit der Gründung der Loge "Zur wahren Eintracht" im Jahr 1781 begann in Österreich eine Blütezeit der Freimaurerei, deren Ideen unter Kaiser Joseph II. so etwas wie allerhöchste politische Anerkennung erlangten. Zu den prominentesten politischen Vertretern in dieser Zeit zählten die Reformer Ignaz von Born und Joseph von Sonnenfels, der die treibende Kraft hinter der Abschaffung von Folter und Todesstrafe war. Der mit Abstand bekannteste Freimaurer der Loge war Wolfgang Amadeus Mozart, der mit der "Zauberflöte" ein kaum verhohlenes Hohelied auf die Freimaurerei schuf.

Während die Freimaurerei in Großbritannien oder in den USA bis auf den heutigen Tag eine große gesellschaftliche Bedeutung hat, wurde sie in Österreich von Kaiser Franz II. im Jahr 1795 verboten. Das Verbot hielt - bis auf ein kurzes Intermezzo im Revolutionsjahr 1848 -bis 1918 an. Obwohl die Sozialdemokratie den Freimaurern durchaus skeptisch gegenüber stand, schlossen sich nach 1918 einige Vertreter des "Roten Wien" der Bewegung an, etwa Julius Tandler und Ferdinand Hanusch, die die Projekte der Sozialdemokratie als Umsetzung der Ideen des Freimaurerbundes betrachteten. Gegner der Freimaurer hingegen machten in verschwörungstheoretischer Manier die "jüdisch unterwanderten" Logen für alle möglichen Katastrophen verantwortlich - von der Oktoberrevolution über den Zusammenbruch der Monarchien bis zur Wirtschaftskrise. Klarerweise wurden die Freimaurer nach dem "Anschluss" 1938 verfolgt.

Bruderschaft im Rundfunk

In der Nachkriegszeit war das Kulturleben Österreichs von den Folgen des Nationalsozialismus und einem konservativen Katholizismus geprägt. In diesem Umfeld erlebte die Freimaurerei eine neue Blütephase. Viele Kreative schlossen sich dem Bund an, um einander in den Logen jenseits von Parteiendünkel und Ideologien begegnen zu können. Insbesondere im ORF war von den 1950er- bis in die 1980er-Jahre eine Reihe von Freimaurern tätig: unter anderen der Fernsehdirektor, spätere Unterrichtsminister und Bürgermeister von Wien Helmut Zilk, der Programmplaner und spätere Wiener ÖVP-Stadtrat Jörg Mauthe, der Regisseur Axel Corti, der Radiomoderator Günther Schifter oder der Puppenspieler Arminio Rothstein, den Generationen als Clown Habakuk kennen.

Seit Ende der 1960er jedoch verlor die Freimaurerei deutlich an Anziehungskraft. Die streng hierarchische Organisation mit Meistern und Großmeistern, der als elitär empfundene Grundansatz sowie die Rituale und Insignien wirkten angesichts des neuen Zeitgeistes verstaubt. Die Tatsache, dass die meisten Logen nur Männer als Mitglieder zulassen, war nicht mit der Forderung nach Gleichberechtigung der Frauen vereinbar. Auch ein Geheimbund - mit aller damit verbundenen Anziehungskraft - sind die Freimaurer nicht mehr. Die Großloge von Wien ist ein eingetragener Verein, der im Internet präsent und telefonisch erreichbar ist.

300 Jahre Freimaurer - Das wahre Geheimnis

bis 7.1.2018. Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek, Mo-So 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr. www.onb.ac.at

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