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Überzeugende Neuinszenierung von Puccinis "Tosca" im Tiroler Landestheater.

Während an der Berliner Volksbühne Floria Tosca zu einem Geschöpf kreativen Bühnenwildwuchses wurde, hielt es zeitgleich Brigitte Fassbaender, für gewöhnlich keineswegs interpretationsscheu, nicht für nötig, Puccinis brennendes Melodram umzuformulieren. Sie präferiert die Bloßlegung politischer und charakterlicher Strukturen mit ihren kausalen Zusammenhängen: Die Flucht des politischen Gefangenen Angelotti gefährdet seinen Gesinnungsgenossen Cavaradossi, dessen Geliebte Floria Tosca wiederum ist mit ihrer Reflexionsferne und dümmlichen Eifersucht ein willkommenes Werkzeug für den Sadisten Scarpia. Er verknüpft die Fäden zu einem Krimi, der sich mit allen Ingredienzien - nicht nur der Oper - innerhalb von zwölf Stunden in die Katastrophe bohrt. "Leidenschaftlich, qualvoll und düster" wollte Puccini dieses Werk.

Tosca hört und sieht über die Videoüberwachung die Folterung des Geliebten, Scarpia als Prototyp des psychopathisch aus Macht und Eros geformten Despoten bietet freies Geleit gegen ihren Körper an, seinen Handlangern ist kein Befehl zu schmutzig, Tosca bricht zusammen und wird zur Mörderin. Da setzt Fassbaender nichts mehr drauf, arbeitet genau. Nur den Hirtenknaben vom Beginn des dritten Aktes ersetzt sie durch eine junge Putzfrau, die hoch über den Dächern Roms das Blut ermordeter Scarpia-Opfer von der Wand wischt.

Dieses letzte Bild ist die Stunde des Tiroler Symphonieorchesters, das unter Dietfried Bernets Leitung freilich von Beginn an das Drama in der Hand hält, mitdenkend, gestaltend, den Figuren aus der Seele fahrend. Die Morgendämmerung und Cavaradossis "E lucevan le stelle" werden zu einem atemberaubend lyrischen Höhepunkt.

Hector Sandoval singt den Maler sicher, schönstimmig und eher introvertiert. Ludmila Slepneva ist eine leuchtende Tosca großstädtischen Zuschnitts. Dem Scarpia von Michael Dries mangelt es an gefährlicher Ausstrahlung und Härte, aber das Spannende an dieser musikalisch dominierten "Tosca" ist auch ihr Wandel, der sich durch bis zu dreifache Besetzungen der Rollen ergeben wird.

Die Bremse in dieser Produktion zieht Ausstatter Erwin Bode. Er holt wie Fassbaender die zeitlosen Themen des Stückes in die Gegenwart, setzt der Hitze optische Kälte entgegen, das Eis der psychischen Perversion, aber die Bühnenbilder - ausgenommen das dritte, das Stimmung und Bedrohung vermittelt - führen nur in strahlend helle, billige Kirchen- und Büroarchitektur, und Tosca tut er mit einem mausgrauen Hosenanzug samt Handtaschengewirr nichts Gutes.

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