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Größte Schande seit 1945

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Die Welt hat die Menschen in Bosnien vergessen, klagt Franjo Komarica, Bischof von Banja Luka: Das Land wurde zum Spielball der Mächtigen.

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Die Welt hat die Menschen in Bosnien vergessen, klagt Franjo Komarica, Bischof von Banja Luka: Das Land wurde zum Spielball der Mächtigen.

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Im Namen der Entrechteten der Welt, nicht nur der Katholiken, nicht nur der Bosnier, erhebe ich mit Nachdruck meine Stimme!” Europa schweige, habe die bosnische Tragödie vergessen: Mit solch eindringlicher Anklage stellte Franjo Komarica, katholischer Oberhirte von Banja Luka, sein Buch „In Verteidigung der Entrechteten” vor. Wer Bosnien vergißt, vergißt das Unrecht der Welt, so der Tenor des Bischofs, der ob seines leidenschaftlichen und gefährlichen Einsatzes für den Frieden in der Begion von Banja Luka bekannt wurde. Das Buch, eine Sammlung von Briefen des Bischofs an Papst, Bischöfe und Priester sowie an Politiker im In- und Ausländ, hätte nie erscheinen dürfen, denn das schreckliche Los des Landes hätte es nie geben dürfen: „Wir gelten für die Welt kaum mehr als Menschen!”

Vor allem von der internationalen Gemeinschaft fühlt sich Bischof Komarica im Stich gelassen; der Vertrag von Dayton habe bis dato keinen Frieden gebracht: „Warum läßt die Welt zu, daß die kleinen Völker zertreten werden? Warum wurden wir von den Mächtigen bestraft, die in Washington, Paris, London ... sitzen?” Wenige Tage nach Franjo Komaricas Appell zeigte sich am Machtkampf zwischen der Serbenpräsidentin Biljana Plavsic, die in Komaricas Stadt Banja Luka residiert, und ihrem nunmehrigen Widersacher Badovan Karadzic Pale, wie fern der Friede tatsächlich ist.

Bischof Komarica kann die Wut, die er öffentlich äußert, mit Zahlen und Beispielen unterstreichen, was seine „Herde” betrifft: 80.000 Katholiken gab es in seiner Diözese vor dem Krieg, 8.000 davon sind noch übrig. Auch die Bückkehr der Vertriebenen ist schwierig, da die meisten nicht zurück in ihre Häuser können. Komarica fordert Garantien für Rückkehrwillige, damit sie nicht erneut versklavt werden.

Der Großteil der katholischen Kirchen in der Diözese Banja Luka ist zerstört. Aber auch der Rest steht nur bedingt zur Verfügung: Komarica berichtete von zwei unversehrten Gotteshäusern, deren Schlüssel von den jeweiligen - serbischen - Bürgermeistern nicht herausgegeben werden: Die internationalen Beobachter wüßten darum, würden aber nichts tun ...

Komarica ist über das Schweigen der Welt sehr enttäuscht. Er wolle aber auch in Zukunft mit Nachdruck für seine Landsleute - gleich welcher Konfession oder Nationalität - reden. Und wisse sich dabei eines Sinnes mit dem Papst, der die bosnische Tragödie als „Europas größte Schande seit 1945” bezeichnet habe.

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