Das erste öffentliche Auftreten der Rotgardisten vollzog sich am
18. August 1966 bei einer Massenkundgebung in Peking, an der auch Mao mit der roten Armbinde — darauf drei chinesische Schriftzeichen, „Hong-Wei-Bing“ (Rotgardisten), die zweifellos von Maos Schreibpinsel selbst stammen — teilnahm und einen Vorbeimarsch aus Anlaß der „großen proletarischen Kulturrevolution“ abnahm.
Seitdem liefen diese rotchinesischen Provos überall Amok. Bis zum 15. September ging dieses Treiben und wurde erst zu diesem Zeitpunkt etwas gebremst; Stanley Karnow, Korrespondent der „Washington Post“ in Hongkong, nannte es schlicht und einfach „Hochsommerverrücktheit“ (Sonnenstich). Wie bekannt, versammelten sich am 15. September rund eine Million blutjunger Rotgardisten und „revolutionäre Lehrer und Schüler“ sowie Soldaten auf dem Tien-An-Men- Platz, um ihren „großen Lehrer, Führer, Kommandanten und Steuermann“ Mao und seinen „vertraulichsten Kampfgefährten“ Lin Piao zu sehen. Durch eine Reihe von Reden der roten Sturmführer wur den die neuen „Boxer“ provisorisch auf das Land geschickt, damit die Ernte überhaupt noch in die staatseigenen Silos transportiert werden kann. Innerhalb eines einzigen Monats hat dieser Haufen, der hauptsächlich aus Mittelschülern rekrutiert ist — wegen der Reform des Schulwesens in diesem Jahr haben sie ja in der Schule außer dem Parteikram nichts zu tun —, zahlreiche alte Denkäler und Kulturstätten demoliert. Die „innere Kulturrevolution“ ist zum allgemeinen Fremdenhaß geworden. In Peking wurde die Sacre-Coeur-Schule verboten, katholische Nonnen wurden mißhandelt und ausgewiesen, ausländische Diplomaten und Vertretungen öffentlich beleidigt... Der Zustand ist nicht mehr fern einer „Kongolisierung“. Warum und wozu also Rotgardisten? Wo ist da der Zusammenhang zwischen Rotgardisten und „Kulturrevolution“? Warum läßt Mao seine eigene Ordnung durch solche revolutionäre Straßenjungen zerstören? Warum läßt Mao zum erstenmal die Armee über dem Kopf der Partei stehen? Dafür gibt es nur folgende Interpretation:
