"Heute findet eine generelle Art der Verkitschung statt“

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Als Roman war Daniel Kehlmanns "Vermessung der Welt“ ein Bestseller. Der Autor hat auch das Drehbuch der Verfilmung mitgeverfasst - eine Herausforderung, wie er im Gespräch offenbart .

Die Furche: In Ihrem Roman gibt es viel indirekte Rede, woraus sich ein großer Teil des Humors bezieht. War es schwer, das zu übersetzen?

Daniel Kehlmann: Ja. Das war der Grund, weshalb ich das Drehbuch nicht schreiben wollte. Als ich mich dann doch dazu entschlossen hatte, war mir klar: Man kann das gar nicht ersetzen. Ich habe gelernt, dass man für Film witzige Dialoge schreiben kann, die eine ähnliche Tonlage haben, wie der Humor des Buches. Aber man kann in keiner Weise die Pointen retten, die durch die indirekte Rede entstehen. Detlev Buck hat halb im Scherz gesagt, die 3D-Technik ist das Äquivalent zur indirekten Rede …

Die Furche: 3D wird gerne vom Spektakelkino verwendet. Hier aber ist es eine Art Realismus, damit diese fremde Welt echter wirkt.

Kehlmann: Komischerweise hat das so noch keiner gemacht. Es ist interessant, dass 3D zu einer Art von Genre-Kino verkommt. Dabei liegt die Stärke dieser Technik nicht darin, Actionfilme interessanter zu machen. Für mich liegt die Stärke ganz klar im Dokumentarbereich, und auch in der Erzeugung einer ruhigen und künstlerischen Welt.

Die Furche: War der Erfolg des Buches auch den ambivalenten Figuren Humboldt und Gauß geschuldet?

Kehlmann: Ich folge jeder meiner Figuren, ohne notwendigerweise mit ihr übereinstimmen zu müssen. Heutzutage ist es beliebt, sich mit den Figuren identifizieren zu können. Amazon ist voll von Leserrezensionen, in denen man sich beschwert, dass man sich nicht mit den Figuren identifizieren kann. Man kann sogar bei Goethes Faust nachsehen und irgendjemand beschwert sich, dass er sich nicht mit Faust identifizieren kann. Das ist eine merkwürdige Verkitschung der Lesekultur. Man fängt an, überall nur mehr noch sympathische Leute haben zu wollen. Ich glaube, bei Filmen ist es ähnlich.

Die Furche: Da ist es noch schlimmer.

Kehlmann: Dass Hollywood immer brutaler wird, ist meines Erachtens überhaupt nicht wahr. Die wirklich tollen, großen und brutalen Filme gab es in den 70er-Jahren. Heute findet eine Art generelle Verkitschung der Kulturrezeption statt. Nabokov hat gesagt, man solle sich in einem Buch mit keiner Figur identifizieren, sondern mit dem Autor. Das heißt natürlich, mit der Person dahinter, mit dem Geist, der hinter dem Kunstwerk steckt. Daran glaube ich vollkommen. Bücher oder Filme brauchen interessante Figuren, keine netten. (Interview: Matthias Greuling)

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