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"Sie besitzt alle Eigenschaften, auch die komische Grausamkeit. Ob aber eine Frau alle komischen Mittel anwenden darf, fragt sich." Urteil über Helene v. Druskowitz von Conrad Ferdinand Meyer

Helene von Druskowitz - zum 150. Geburtstag einer Vergessenen.

Die Fakten über das Leben der Helene von Druskowitz sind spärlich, die Einfallstore für Mythen-und Legendenbildungen entsprechend zahlreich. Geboren wurde sie als jüngstes von drei Kindern am 2. Mai 1856 in Wien-Hietzing. Gemessen an den Zeitumständen waren ihre Startbedingungen gar nicht schlecht. Die früh verwitwete Mutter hat auf die Ausbildung ihrer einzigen Tochter eindeutig wert gelegt und deren Ambitionen zeitlebens unterstützt. Helene absolviert eine Klavierausbildung am Wiener Konservatorium, erhält Privatunterricht und maturiert 1874 als Externe am Piaristen-Gymnasium. Im gleichen Jahr übersiedelt sie mit ihrer Mutter nach Zürich, wo Frauen seit 1867 zum Studium zugelassen waren. Sie studiert Philosophie, Archäologie, Orientalistik, Germanistik und moderne Sprachen und promoviert hier 1878 als zweite Frau - nach der Russin Stefania Wolicka - zum Doktor der Philosophie.

Eine freie Intellektuelle

So wenig sich Helene von Druskowitz ihren Studienort aussuchen konnte - es gab für sie als Frau nur die Option Zürich - so wenig konnte sie ihre Lebensform wählen. Da sie nicht heiratete, blieb ihr nur die Lebensgemeinschaft mit der Mutter; ein Leben als alleinstehende Intellektuelle war gesellschaftlich kaum realisierbar. Auch ihre Karriere konnte sie sich nicht aussuchen - es gab letztlich keine Möglichkeiten. Nach eigenen Angaben hielt sie Vorträge in Wien, München, Basel und Zürich und lebte als freie Schriftstellerin in Wien und in Zürich bei ihrer Mutter, die 1888 starb.

Ab 1889 lebt Druskowitz in Dresden, schreibt weiterhin Essays und Theaterstücke, die nie aufgeführt werden, und wird 1891 nach einem möglicherweise alkoholbedingten Zusammenbruch in die Irrenanstalt eingewiesen. Noch im selben Jahr erfolgt die Überstellung in die niederösterreichische Landes-Irren-Anstalt, wo sie in den geschlossenen Abteilungen der Anstalten Ybbs und Mauer-Öhling bis zu ihrem Tod am 31. Mai 1918 verbleiben wird.

Was wir von Druskowitz' Leben wissen, entstammt Selbstaussagen, ab 1891 der Krankengeschichte und den Spuren, die sie in den Biografien ihrer Zeitgenossen hinterlassen hat. Marie von Ebner-Eschenbach etwa, die Druskowitz 1881 kennen lernt. Wie Betty Paoli war auch Frau Baronin von der impulsiven, selbstbewussten Art der jüngeren Kollegin einigermaßen abgestoßen und nahm sie als Autorin nicht ernst, unterstützte sie allerdings trotzdem finanziell.

Oder Friedrich Nietzsche, dem Druskowitz 1884 begegnete und zunächst bewundert. Doch sie distanziert sich rasch von seinem prophetischen Gestus und spricht ihm 1886 in ihrem Essay Moderne Versuche eines Religionsersatzes seine philosophische, nicht seine schriftstellerische Qualifikation ab. In den intellektuellen Zirkeln scheint die Streitschrift einiges Aufsehen erregt zu haben, jedenfalls erschienen 1887 und 1888 Neuauflagen. Privat folgt der Publikation natürlich der Bruch mit Nietzsche, der von der "kleinen Literatur-Gans" nichts mehr wissen will, und sorgt auch für eindeutige Positionierungen im Freundeskreis. C. F. Meyer, der Druskowitz' frühe literaturwissenschaftliche Essays ausführlich gelobt hatte, bringt es in einem Brief an eine Schriftstellerfreundin auf den Punkt: " ... auch sollte sie einmal aufhören, den Prof. Nietzsche ... öffentlich zu züchtigen, ihm die Ruthe zu geben. Man wird sagen, sie hätte ihn gern geheiratet."

Dass Nietzsche zwei Jahre vor Helene von Druskowitz in einer Irrenanstalt verschwinden wird und auch Conrad Ferdinand Meyer 1892 - er allerdings nur für 14 Monate - in einer Heilanstalt landete, ist eine auffällige Koinzidenz. Sie legt die Vermutung nahe, dass die Existenz eines freien Intellektuellen im späten 19. Jahrhundert strukturelle Fallen bereithielt, die sich nicht allein auf Frauenleben beziehen. Die Probleme konnten auch harmloser sein, etwa Verlust der Lehrbefugnis wegen Kritik am universitären Betrieb, wie es Eugen Dühring geschah, den Druskowitz in Berlin kennen lernt und in einer 1889 erschienen Studie würdigt.

Kontroverse mit Nietzsche

Als Publizistin begann Druskowitz mit zwei literaturwissenschaftlichen Arbeiten, beide erschienen im Berliner Verlag Robert Oppenheim: 1884 eine umfangreiche Biografie über Percy B. Shelley, 1885 folgte der Essayband Drei englische Dichterinnen mit Studien zu Joanna Baillie, Elizabeth Barrett-Browning und George Eliot. Es sind sorgfältig gearbeitete Essays zu Leben und Werk der drei Schriftstellerinnen, die unaufgeregt aber bestimmt ihre Stärken und auch die Schwächen ihrer Werke analysieren. Druskowitz zeigt, wo und wie diese Frauen anders schreiben als ihre männlichen Zeitgenossen und weshalb diese "natürliche Ergänzung zu den Offenbarungen des männlichen Genies" eine wichtige Funktion haben, die es wahrzunehmen gilt.

Es sind keineswegs feministische Kampfschriften, sondern nüchterne Bestandsaufnahmen. Interessanterweise betont sie in allen drei Fällen, dass den Frauen in punkto Ausbildung und intellektueller Entwicklung vom Elternhaus her keinerlei Schwierigkeiten in den Weg gelegt wurden - was als Hommage an ihre Mutter lesbar ist. Dass Druskowitz von ihr ein gewisses Selbstvertrauen vermittelt bekommen hat, könnte auch der Grund sein, dass sie zwar zeitlebens mit Pseudonymen spielt, sie aber stets lüftet und eher als Rollenspiele inszeniert. Eines ihrer Pseudonyme war Sakkorausch - unter diesem Titel widmete ihr Elisabeth Reichart 1994 eine literarische Hommage.

Frau darf nicht satirisch sein

Während Druskowitz' Essays durchaus wahrgenommen wurden, hatte sie mit ihren Stücken keinen Erfolg. Zum Teil liegt das zweifellos an kompositorischen Mängeln, zu einem Teil aber auch an den Inhalten und dem Bekenntnis zur Satire, das noch bei Autorinnen wie Gisela Elsner oder Elfriede Jelinek für reichlich Verstörung und Missverständnisse sorgte. "Sie besitzt alle Eigenschaften, auch die komische Grausamkeit. Ob aber eine Frau alle komischen Mittel anwenden darf, fragt sich", urteilte C. F. Meyer über ihr Lustspiel Die Pädagogin. Bereits 1889 erschien in Dresden Aspasia, ein Lustspiel in fünf Aufzügen, das unter dem Titel Die Emancipations-Schwärmerin immerhin eine zweite Auflage erfuhr.

Das Stück ist eine bitterböse Auseinandersetzung mit den Zuständen an der Universität, den männlichen Eitelkeiten und Ritualen des Wissenschaftsbetriebs und enthält, kaum dass die ersten Frauen Universitätsboden betreten haben, ein karikierendes Zerrbild auf Auswüchse feministischen Gehabens. Das ist nicht nur witzig zu lesen, es ist auch bemerkenswert, mit welcher Distanz und Selbstironie Druskowitz hier gegen Gefahren und Tücken hohler Blaustrümpfigkeit anschreibt.

Keine Kampfparolen

Dass Helene von Druskowitz heute nicht mehr ganz unbekannt ist, verdankt sie einer jungen Forscherinnengeneration, die sich daranmacht, Spuren von vergessenen Frauenleben zu entbergen. Allerdings wurden ihr dabei auch mancher Bärendienst erwiesen. Allzu leichtfertig wurden da mitunter in Aufsätzen, die hartnäckig familiär von "Helene" sprechen, Lücken im Wissen über ihr Leben mit feministischen "Kardinalsätzen" geschlossen; aus der Freundschaft zu einer Schauspielerin kann da leicht das gesicherte Wissen um ein lesbisches Coming out werden.

Fatal war auch der einzige editorische Versuch einer Wiederentdeckung. 1988 legte der Freiburger Kore Verlag ihre Pessimistischen Kardinalsätze aus dem Jahr 1905 neu auf, und zwar unter dem verfälschenden Titel Der Mann als logische und sittliche Unmöglichkeit und als Fluch der Welt. So übertitelt scheint sich das schmale Bändchen gut als Sammlung feministischer Kampfparolen zu eignen.

Wissenschaftsparodie

Doch die Pessimistischen Kardinalsätze darauf zu reduzieren, ist eine fatale Verkürzung, denn Druskowitz hat ziemlich genau vor 100 Jahren wesentlich radikaler gedacht: Ihr ging es um eine systemische Parodie männlicher Wissenschaftspraxis und um eine adäquate Antwort auf die zeittypischen Traktate, die - allerdings ohne parodistische Absicht - Titel trugen wie Über den psychologischen Schwachsinn des Weibes.

"Das Weib ist ein Rätsel: - So sagt man! Was für ein Rätsel wären wir erst für das Weib, wenn es vernünftig genug wäre, über uns nachzudenken?" Das lässt Arthur Schnitzler seinen Max im Anatol-Zyklus sagen, und zwar in der Szene Agonie (1890). Druskowitz nimmt genau diese Kampfansage auf, mit einer durch den bloßen Wechsel der Geschlechterperspektive verzerrend wirkenden Parodie auf die wissenschaftliche Apodiktik in durchnummerierter Merksatzform: "4. Der Mann ist ein Zwischenglied zwischen Mensch und Tier, denn er ist eine Spottgeburt und als solche derart zynisch und lächerlich ausgestattet, so daß er weder das eine noch das andere in voller Wirklichkeit sein kann."

Richtig gelesen hat die Aneinanderreihung dieser "Kardinalsätze", die Methode wie Inhalte gängiger Wissenschaftspraxis attackieren, an Sprengkraft nichts verloren - und auch nicht an Unterhaltungswert.

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