Sepp Mall richtet in "Wundränder" seinen Blick auf das Südtirol der 1960er Jahre.Südtirol in den 1960er Jahren - eine "schwierige" Zeit, wie es im Klappentext heißt; jedenfalls eine mit politischen Unruhen, Gewaltakten und Intrigen. Davon erzählt Sepp Malls neuer Roman jedoch nur am Rande. Er verwendet eine Art Kippfigureneffekt: Im Mittelpunkt stehen nicht die beiden in die Anschläge verwickelten Männer, sondern jene Personen, die mit den Folgen der Ereignisse ratlos und überfordert zurückbleiben.Da ist der kleine Paul, dessen Vater sich eines Tages "in Luft aufgelöst" hat. Paul
Wolf Haas hat in seinem Roman "Das Wetter vor 15 Jahren" die Liebesgeschichte in jene Form gepackt, die Medien so gerne haben: das Interview.Interviews lese er "wahnsinnig gern", bekannte der Eigenmarketingprofi Wolf Haas - natürlich in einem Interview. Auch wer diese Leidenschaft nicht teilt und gedruckte Zwiegespräche wie Dramentexte oder Kabarettmitschnitte im Hörfunk doch als etwas - akustisch oder optisch - Amputiertes empfindet, muss zugeben, dass Wolf Haas seine selbst gestellte Aufgabe in "Das Wetter vor 15 Jahren" perfekt bewältigt hat.Über zweihundert Seiten umfasst die
Ein wichtiger Exilroman von Alice Rühle-Gerstel ist nun wieder zugänglich.Mit der Neuausgabe von Alice Rühle-Gerstels "Der Umbruch oder Hanna und die Freiheit", nach der lange vergriffenen Erstveröffentlichung von 1984, ist einer der großen Exilromane der österreichischen bzw. Prager deutschen Literatur wieder zugänglich. Es ist das Verdienst des kleinen deutschen AvivA Verlags, der in der Reihe "Wiederentdeckte Autorinnen" 2006 bereits Vicki Baums Komödie "Pariser Platz 13" mit einem ausgezeichneten Nachwort von Julia Bertschik vorgelegt hat.Alice Rühle-Gerstel wurde 1894 als Tochter
Der Horlemann-Verlag ermöglicht die Wiederentdeckung des Schriftstellers Wolfgang Bittner.Wolfgang Bittner ist einer der bedeutendsten Autoren Deutschlands“, heißt es auf einem Werbeblatt für seinen Roman „Der Aufsteiger“. Das mag etwas vollmundig klingen, aber die Absicht ist ehrenwert; einer der bekanntesten ist Bittner jedenfalls leider nicht. Dass der Horlemann Verlag in Bad Honeff drei Jahrzehnte nach seiner Erstpublikation nun Bittners Roman neu präsentiert, ist eine lobenswerte Initiative und hoffentlich eine Chance, den 1941 in Gleiwitz geborenen Autor wieder in die Debatten
Wlodzimierz Odojewskis Roman "Ein Sommer in Venedig" erzählt poetisch von kindlicher Fantasie.Ein Sommer in Venedig" ist ein schmaler Band, der Titel wirkt so anmutig wie das verträumt in eine Muschel hineinhorchende Kind am Cover. Für ein Buch sind das lauter Wohlfühlargumente, und der Verlag, der als Logo ein zu Boden gefallenes rotes Blatt führt, hat wohl richtig kalkuliert, den Buchhandlungen kleine Stößchen davon in einer Pappbox mit Venedigprospekt anzubieten für die heiß umkämpften Plätze nahe dem Verkaufspult. Die konzertierte PR-Aktion gilt in diesem Fall tatsächlich einer
Alexander Spiegelblatts Erinnerungen an seine verlorene bukowinische Heimat.Es ist ein Verdienst des Otto Müller Verlags, mit der "Jiddischen Bibliothek" Texte zugänglich zu machen, die ohne schützendes Reihendach am hektischen Buchmarkt unserer Tage schwer einen Ort finden würden. Als Band sechs ist nun Alexander Spiegelblatts Erinnerungsbuch an seine verlorene bukowinische Heimat erschienen.Geboren 1927, gehört Spiegelblatt einer Generation an, die viele Traditionen und viele der Originale, an denen diese untergegangene Welt so reich war, nicht mehr selbst kennen gelernt hat. Es ist so
Die renommierte Literaturwissenschaftlerin, -kritikerin und Literatin Ruth Klüger erhält den 11. Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und im Exil. Eine Würdigung.Die Geschichte sei erschütternd, entspreche aber nicht "den literarischen Standards seines Hauses“, urteilte einst Siegfried Unseld über das Manuskript von Ruth Klügers KZ-Erinnerungen "weiter leben“. Zwar war der enorme Erfolg des Buches, das dann 1992 im Wallstein Verlag erschien, nicht abzusehen, aber dieses Diktum verrät doch einiges von der Selbstüberhebung maßgeblicher Akteure im Kulturbetrieb. Die
"Warum die Herren Seesterne tragen": Anna Weidenholzers leiser neuer
Roman beleuchtet Unspektakuläres so, dass es als das Entscheidende im
Leben der Menschen kenntlich wird.
Auch Peter-André Alt versucht sich an Kafkas Biografie.Vielleicht ist ein diffuses Bedürfnis nach Orientierung am unüberblickbaren Dichterhimmel der Grund, dass sich aktuell monumentale Biografien großer Beliebtheit erfreuen, wie das breite Echo auf die herausragenden Arbeiten von Sven Hanuschek über Elias Canetti gezeigt hat. Über Franz Kafka ist nach früheren Arbeiten von Klaus Wagenbach oder Hartmut Binder 2002 Reiner Stachs voluminöse Untersuchung "Kafka. Die Jahre der Entscheidungen" erschienen. Dieser erste von geplanten drei Bänden eines großen Biografieprojekts präsentierte,
Fritz Lehners erster Band seiner Trilogie über die Gestapo-Zentrale "Hotel Metropol".Es ist in jedem Fall ein monumentales Unterfangen: 449 eng bedruckte Seiten umfasst der erste Band von Fritz Lehners Trilogie, die im August 1944 einsetzt, über das "Hotel Metropol", die Gestapo-Zentrale am Wiener Morzinplatz. Monumental ist auch der Anspruch, als Nachgeborener die innere Perspektive eines Opfers und eines Täters parallel zu führen. Beide Akteure sind auf ihre Art außergewöhnlich: Wolf Manhardt, der verhinderte Akademiker aus verarmtem Kleinbürgertum, ist überzeugter Nationalsozialist
Sven-Eric Bechtolf nimmt die Inszenierung von Wagners "Ring" als Anlass, aus seinem Leben zu erzählen.Sven-Eric Bechtolf eignet sich Richard Wagners "Ring des Nibelungen" an, "indem er ihn gnadenlos persönlich nimmt", heißt es im Klappentext, und was werbend gemeint ist, könnte auch anders interpretiert werden. Es war zu erwarten, dass die Etablierung des Modells Ich-AG als Erfolg versprechendes Sozialverhalten in Zeiten des Prekariats die Flut der Memoirenbücher anwachsen lässt. Wer seine Energien in den Aufbau der eigenen Bedeutsamkeit setzt, muss früher oder später, meistens eher
Joseph Zoderer legte zu seinem 70. Geburtstag einen Erzählband vor: "Der Himmel über Meran".Der Himmel über Meran" ist der poetische Titel des schmalen Erzählbandes, den Joseph Zoderer zum 70. Geburtstag vorlegt. Titel wie Thema der sechs Prosatexte können durchaus als eine Art programmatischer Kommentar zum Erzählwerk dieses Autor gelesen werden.Zoderers Geschichten behalten häufig etwas eigenartig Fremdes; es bleibt ein unauflöslicher Rest, in dem Erstaunen über das Hier und Jetzt mitschwingt, das die Figuren wie ihren Autor an einer finalen Beheimatung zu verhindern scheint. Und
Zwischen Zürich und Wien rollt nicht nur der Fußball, sondern verkehren auch Nachtzüge, ideale Schauplätze für Handlungen aller Art.Der Schweizer Autor Hansjörg Schertenleib lebte 1986 längere Zeit in Wien und benutzte daher häufig die Nachtzug-Verbindung Zürich-Wien. Das ist zwanzig Jahre her, liegt also vor der Ära der Billigflüge. Die nächtigen Zugfahrten haben den Autor jedenfalls nachhaltig beschäftigt, und so ist viele Jahre später daraus die Idee geworden, vierzehn Autorinnen und Autoren auf die imaginäre Reise mit dem "Wiener Walzer" zu schicken.Der Nachtzug ist ein
Österreichische und tschechische Autorinnen und Autoren schreiben Stifter neu.Stifter reloaded" - schon der Titel macht darauf aufmerksam, dass Paraphrasen und Remix-Varianten im Zeitalter der dj-Kultur gut im Trend liegen. 2004 legte der Gerstenberg Verlag "24 melancholische Geschichten" zu Wilhelm Müllers Gedichtzyklus "Die Winterreise" vor, an der das Verblüffendste die große Zahl an Mordgeschichten war. Die starken Emotionen der Müllerschen Gedichte sind für Autoren und Autorinnen zu Beginn des 21. Jahrhunderts offenbar nicht mehr begreifbar als bloße Folgen simplen
"Sie besitzt alle Eigenschaften, auch die komische Grausamkeit. Ob aber eine Frau alle komischen Mittel anwenden darf, fragt sich." Urteil über Helene v. Druskowitz von Conrad Ferdinand MeyerHelene von Druskowitz - zum 150. Geburtstag einer Vergessenen.Die Fakten über das Leben der Helene von Druskowitz sind spärlich, die Einfallstore für Mythen-und Legendenbildungen entsprechend zahlreich. Geboren wurde sie als jüngstes von drei Kindern am 2. Mai 1856 in Wien-Hietzing. Gemessen an den Zeitumständen waren ihre Startbedingungen gar nicht schlecht. Die früh verwitwete Mutter hat auf die
Literarische Kristallisationsfigur der Nachkriegsjahrzehnte und genaue Beobachterin in Bombennächten und Ruinenlandschaften: Zum Tod von Jeannie Ebner.Jahrelang stand Jeannie Ebner im Zentrum des literarischen Lebens, und das begann nicht erst mit ihrer Tätigkeit als Redakteurin der Literaturzeitschrift "Literatur und Kritik" von 1968 bis 1978. Ihre winzige Wohnung war schon in den späten vierziger Jahren Treffpunkt für die Jungen wie H. C. Artmann, René Altmann oder Hertha Kräftner. Sie war in den literarischen Zirkeln der Zeit verankert. Ihre Lyrik erregte im "Art Club" Aufsehen, sie
Überzeugendes Erzähldebüt der jungen Amerikanerin Karen Russell.Das fulminante Prosadebüt der 1981 in Miami geborenen Karen Russell erschien 2006 mit dem Titel "St. Lucy's Home for Girls Raised by Wolves" und wurde für den "First Book Award 2007" nominiert. Trotzdem ist es eine mutige Entscheidung des Schweizer Verlags Kein und Aber, diesen Erzählband zu präsentieren, denn im Lizenzgeschäft aus dem angloamerikanischen Raum dominiert eher die Roman-Dutzendware.Verwunderlich ist allenfalls, dass für die deutsche Ausgabe eine andere Erzählung titelgebend wurde: "Schlafanstalt für
Über 50 kunsthistorische Untersuchungen und Künstler-Monografien hat
Wieland Schmied hinterlassen, hunderte Ausstellungen kuratiert,
hunderte Katalogbeiträge verfasst und dazu noch literarische Bände.
Nun ist ihm selbst ein Text-Bild-Band gewidmet.
Eine SpurensucheHermann Broch beginnt 1928, nach dem abgewickelten Verkauf der elterlichen Spinnwarenfabrik in Teesdorf, mit der Konzeption seiner "Schlafwandler“-Trilogie, 1932 erschien der dritte Teil "Huguenau oder die Sachlichkeit“.Die Handlung setzt 1917 ein. Auch der junge Huguenau, Textilfabrikantensohn aus Colmar, wird eingezogen. Allerdings nutzt er die erste Möglichkeit zur Desertion, schlägt sich irgendwie durch und landet in Kurtrier, ohne konkrete Pläne und ohne Geld. Er horcht sich ein wenig um und schon ist beides zur Hand. Huguenau redet den Honoratioren des Ortes ein,
Soeben erschienen: Margit Schreiners neuer Roman "Haus, Friedens, Bruch".Da hatte ich noch Kraftreserven. Außerdem dann wieder: sagenhaftes Glück." - "Jetzt muss ich sagen, dass ich schon alles probiert habe: Rückengymnastik, Turnverein …" - "Weil: Sobald du anfängst, dein seelisches und gedankliches Chaos auf vernünftige Weise zu ordnen, ist es wiederum aus mit dem Schreiben."Sieht fast so aus, als wäre Wolf Haas' brummiger Privatdetektiv Brenner zurückgekehrt, doch es ist der durchgängige Sound des neuen Buchs von Margit Schreiner, das mit dem aufgebrochenen Dreischritttitel Haus,
Josef Haslingers Bericht "Phi Phi Island" über den Tsunami vom Dezember 2004 lässt jegliche Reflexion über das Erlebte vermissen.Autobiografische Berichte über das persönliche Erleben eines Katastrophenereignisses wie der Springflut in Südostasien am 26. Dezember 2004 - es war der zweite Urlaubstag der Familie Haslinger - sind einer literaturkritischen Betrachtung schwer zugänglich. Die Bilder des Grauens, der Panik, des massenhaften Todes rundum und des Chaos und der Anarchie danach gehören denen, die sie er-und überlebt haben.Doch das stimmt natürlich so nicht. Der massenmediale
Gernot Friedel hat Egon Friedells Biografie literarisiert.Egon Friedell ist eine schillernde, bis heute von Mythen und nachwirkenden (Selbst)Stilisierungen umrankte Gestalt und der biografische Roman ein schwieriges Genre. Der Leser fühlt sich den historischen Figuren allzu nahe, die Grenze zwischen recherchierter Historie und romanhafter Interpretation verschwimmt.Der Regisseur und Filmemacher Gernot Friedel begegnet dieser Problematik mit einer filmischen Erzählweise. Die Perspektiven wechseln ebenso schnittartig wie Ort und Zeit der Handlung. Geschildert werden die sieben Tage vor Egon
Wer Kurt Bauers "Der Februaraufstand 1934. Fakten und Mythen" unbefriedigt zur Seite gelegt hat, ist mit Bertrand Michael Buchmanns "Insel der Unseligen" besser bedient. Denn er liefert die lange Vorgeschichte, ohne die sich die Ereignisse weder verstehen noch angemessen einschätzen lassen. Buchmann, dessen Hauptinteresse eigentlich die Militärhistorie ist, widmet zwei der drei Abschnitte seines Buches der allmählichen Herausbildung des autoritären "Dollfuß-Schuschnigg-Regimes", für das er den Terminus "Austrofaschismus", der erfolgreich als "linker Kampfbegriff" gebrandmarkt worden ist,
Zwischen den Kulturen: Wenn Immigrantinnen und Immigranten zu schreiben beginnen - in ihrer Muttersprache und auf Deutsch.Einer der größten kulturellen Exportschlager Österreichs, die Kultur um 1900, verdankt sich zu einem großen Teil der zweiten bzw. dritten Generation von Zuwanderern aus dem Osten. Schreiben und Denken zwischen den Kulturen, so könnte man daraus lernen, enthält für eine Gesellschaft ein ungeahntes geistiges Potenzial. An zwei Kulturkreisen Anteil zu haben, eröffnet neue, unorthodoxe Zugänge; daraus kann eine intellektuelle Entwicklung entstehen, die sich im
Alfred Kolleritsch hat ein Stück österreichische Literaturgeschichte
geschrieben: als Begründer und Herausgeber der Literaturzeitschrift
und Talenteschmiede "manuskripte" und auch als Autor. Zu seinem 85.
Geburtstag wird nun sein Roman "Allemann" neu aufgelegt.
Josef Oberhollenzer erzählt von dunkler Kindheit.Ein wenig hinterlässt Josef Oberhollenzers Erzählung "Großmuttermorgenland" den Eindruck vom unzureichenden Grund. Der Titel steht für die Sehnsüchte und Phantasien des kleinen Arnold, die von einem morgendlichen Ritual der Großmutter ausgelöst werden. Sobald sie das Fenster öffnet, "zum Tauern hinauf", behauptet die Großmutter Tag für Tag, dass hinter den Bergen die Erde rund sei. Sie muss es wissen, war sie doch in ihrer Jugend als Pantoffelmacherin weit jenseits der Grenzen des kleinen Südtiroler Bergtals herumgekommen.Das Leben
Stromaufwärts, strombabwärts. Die Schifffahrt auf der Donau hat hierzulande eine lange Tradition. Jetzt hat sie auch eine eigene Ausstellung.Radfahrer, die vor allem lange und malerische Routen bevorzugen, kennen die Strecke entlang der Donau von Passau nach Wien. Wer dabei durch die Wachau radelt, sollte das Schifffahrtsmuseum Spitz besuchen, schließlich nutzt der Donauradweg über weite Strecken die alte Trasse des Treppelweges, auf dem einst lange Pferdezüge die Schiffe stromaufwärts schleppten. Die Wiener Roßauer Lände hat im Übrigen ihren Namen von den Schiffspferden, für die
Martin Walsers jüngster Roman erzählt eine berührende Geschichte über Liebe im Alter, über Goethe und Ulrike von Levetzow.Nach Fertigstellung seines neuen Buches, so mutmaßte ein Kritiker, habe Martin Walser den "wunderbaren Befehl" Suchen/Ersetzen gefunden und alle Walser-Nennungen mit Goethe überschrieben; so sei aus einem Roman über Walser einer über den glücklos verliebten alten Geheimrat geworden.Tatsächlich regt sich leicht Misstrauen, wenn alternde Großschriftsteller sich ans literarische Ausschlachten ihres klassischen Vorgängers machen, daran ist schon Thomas Mann
Reinhard Kaiser-Mühleckers Romandebüt führt ein paar Jahrzehnte zurück und aufs Land.Fast reflexartig stellt sich beim Debütroman "Der lange Gang über die Stationen" des 1982 geborenen Oberösterreichers Reinhard Kaiser-Mühlecker eine Reminiszenz an Robert Schneiders "Schlafes Bruder" ein. Wie Schneider ist Kaiser-Mühlecker im ländlichen Milieu aufgewachsen, das er mit einer einfühlenden Antiquiertheit in Sprache und Gestus schildert.Freilich gerät das hier aufgrund der geringeren zeitlichen Distanz zur Handlungszeit weniger manieriert wie dazumal bei Schneider, aber immerhin liest
Jasper Fforde erzählt die Durchlässigkeit der Grenzen zwischen fiktionaler und realer Welt. In seinem Roman sorgen Beamte dafür, dass die Figuren in ihren Büchern bleiben.Der wallisische Autor Jasper Fforde führt in seiner unterhaltsamen Literatursatire ins Zentrum des literarischen Geschehens, in den "Brunnen der Manuskripte". Hier werden die Texte geschmiedet, zusammengebaut, geputzt und poliert und von den "Löcherflickern" überarbeitet. Das, was die Autoren vereinzelt an ihren Schreibtischen tun, fließt im "Brunnen der Manuskripte" als dem Ort der zentralen Verarbeitung
Mit Bernhard Strobel macht ein junger Autor auf sich aufmerksam: als sorgfältiger und subtiler Arbeiter an der Sprache.Sackgasse", so heißt die letzte der neun Erzählungen, die der junge burgenländische Autor unter diesem Titel versammelt. Er passt wie selten einer als gemeinsames Dach für einen Erzählband, mit dem sich Bernhard Strobel als erstaunlich sorgfältiger und subtiler Spracharbeiter präsentiert.Alle neun Erzählungen sezieren das verzweifelte Scheitern in Kommunikationssituationen. Es sind synchrone Schnitte im Alltagsleben durchschnittlicher Personen und Paare, angesiedelt
Walter Toman"Ich war nicht in der Literatur zu Hause - ich habe sie eher nur genossen, wie ein Schmetterling." Das ist eine durchaus charakteristische Selbsteinschätzung Walter Tomans, die seiner realen Rolle in der literarischen Szene der Jungen nach 1945 aber durchaus nicht entspricht.1945 war er Assistent am Psychologischen Institut in Wien, wo Hertha Kräftner und Wolfgang Kudrnofsky studierten; mit Ingeborg Bachmann besuchte er Veranstaltungen im Institut für Wissenschaft und Kunst; sein Büro stand der Redaktion von Das tägliche Bemühen, einer der ersten Anthologien nach 1945, zur
Marlene Streeruwitz' neuester Roman "Entfernung" begleitet eine Frau zwei Tage durch London und ihr Leben und Leiden.In der Kritik hat sich der Begriff "atemloses Stakkato" eingebürgert für Marlene Streeruwitz' Erzählmanier in abgehackten Satzfragmenten, in denen Grammatik und Logik erzählender Rede mit der Willkür der Punkte getreten werden. Dass man so keinen Erzählatem durchhalten kann, weiß auch Streeruwitz und so setzt sie ihre Zertrümmerungsmaschine durchaus dosiert ein; am rücksichtslosesten immer dann, wenn sich die psychischen Zustände ihrer weiblichen Heldinnen einem
Natascha Wodins Roman über eine 63-jährige Berufsjugendliche, die
sich allein an der Schwelle zum Alter wiederfindet, "als wäre sie aus
dem Fiasko ihrer Jugend nahtlos ins Fiasko ihres Alters gestürzt".
Benno Meyer-Wehlacks Roman "Ernestine geht": ein Anlass, den Stilisten und eigenwilligen Erzähler wieder zu entdecken.Der 1928 in Stettin geborene Benno Meyer-Wehlack ist heute allenfalls als Hörspielautor bekannt, von seinen früheren Büchern ist aktuell kein einziges erhältlich. Der schmale Roman "Ernestine geht" könnte ein Anlass sein, den Autor als feinen Stilisten und eigenwilligen Erzähler wieder zu entdecken.Bruno ist mit Valerija wieder einmal in Wien, um deren uralte Tante zu betreuen. In einer komplizierten zeitlichen Verschachtelung wird im Tod der Tante ihr Leben sichtbar.
Paulus Hochgatterers neuester Roman ist soeben erschienen:kein Thriller - frohlockt .Nun hat Paulus Hochgatterer den Thriller tatsächlich geschrieben", frohlockt Lars Brandt auf der Umschlagrückseite, und man ist sich nicht ganz sicher, ob er dem Buch damit etwas Gutes tut. Wenn zu einem Thriller gehört, dass es eine grausam zugerichtete Leiche gibt, viele falsche Verdachtsspuren und eine überraschende Täternennung buchstäblich auf der letzten Seite, dann hat Lars Brandt recht. Aber sonst und in der Hauptsache eigentlich nicht.Tatort, wenn man in der Diktion bleiben will, ist eine
LITERATUR KANN MAN LESEN, ABER AUCH AUSSTELLEN. FRÜHER WURDE EINE
FÜLLE VON DOKUMENTEN IN ÜBERVOLLEN VITRINEN PRÄSENTIERT. HEUTE
DURCHBRECHEN INSZENIERUNGEN IM RAUM GEWOHNTE LESARTEN UND ZEIGEN DIE
AKTUALITÄT DER LITERATUR.
Den Lesern verlangt der mehr als tausend Seiten umfassende Roman von
Clemens J. Setz einiges ab. Auf der ORF Bestenliste wird "Die Stunde
zwischen Frau und Gitarre" des jungen Autors auch im November als
eine von zehn empfehlenswerten Buch-Novitäten angeführt.
Mit dem ersten literarischen Werk wagen die Autoren den Sprung ins kalte Wasser. Die heimische Literatur hat im Jahr 2008 eine überraschend große Zahl an Debüts von beachtlicher Qualität aufzuweisen.Es war 1999, als ein deutscher Kritiker das "Fräuleinwunder" erfand und das Magazin einer kurz darauf untergegangenen heimischen Buchhandelskette den "Klub der jungen Dichter: jung + schön = Bestseller" ausrief. "Deutschlands jüngster Autor der Verlagsgeschichte" - so kündigte Kiepenheuer & Witsch den damals 17-jährigen Benjamin Lebert an und konnte darauf zählen, dass die Lesungen zum
Ein Sammelband vermittelt einen Überblick über die Bandbreite von Joe Bergers Arbeiten.„Original aus Kaltenleutgeben“, Lebenskünstler, Kampftrinker und „Großzelebrator des Spontanen“ – so lauten die Schlagworte, mit denen Joe Berger als Wiener Szenefigur versehen wurde. Damit kann man sich einen kritischen Geist auch gut vom Leibe halten und sein anarchisches Potenzial verharmlosen. Der Blick bleibt dabei starr auf die Person gerichtet, all das, wogegen „Originale“ wie er protestierten und anlebten, genauso wie all das, was sie davon in ihrem Werk verarbeiteten, bleibt
Julya rabInowIch Ist bIldende KünstlerIn, dolmetscherIn - und
schrIftstellerIn. eIn gespräch über Ihre prosawerKe "spaltKopf" und
"herznovelle", über Ihre arbeIt mIt flüchtlIngen und über verdrängung
und obsessIon.
Literaturbetriebssatiren als unterhaltsam zu lesende Kommentare zum Zustand des "literarischen Feldes".Wenn gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungsschübe auf die Buchwelt überschwappen, wird sie sich selbst verstärkt zum Thema, auch in Form von Satiren auf den Literaturbetrieb und seine Akteure. Ende des 18. Jahrhunderts sorgten die Ausbreitung der Lesefähigkeit und die Verbilligung der Druckerzeugnisse für eine intensive Debatte über die neue "Lesesucht". Anfang des 20. Jahrhunderts ging die Irritation vom verstärkten Auftreten schreibender Frauen aus und auch von der Frage
Das Bild vom ,Friedensprojekt' Europa wird gern dann besonders herausgestellt, wenn wieder einmal klar wird, dass die EU doch nur eine Wirtschaftsgemeinschaft ist, und es hat einen dunklen Kratzer: die Jugoslawienkriege unmittelbar vor der europäischen Haustür. Gut 90.000 Flüchtlinge kamen damals nach Österreich, mehr als die Hälfte davon waren Muslime.Robert Prossers Roman "Phantome" nimmt diese offene Wunde in Augenschein -aus Sicht der muslimischen Bosnier, was zwangsläufig eine eindeutige Opfer-Täter-Perspektive ergibt und getötete serbische Zivilisten ausblendet. Abgesehen von den
In seinen Geschichten "Schwere Vorwürfe, schmutzige Wäsche" packt Franz Schuh mit Lust jedes Klischee bei den Hörnern.Bislang hat kaum ein Rezensent darauf verzichtet, die launige Piece ausführlich zu zitieren, die Franz Schuh seinem Buch voranstellt - gefüllt mit "passenden" Versatzstücken für die Kritikerkollegen. Doch das eigentlich Hinterhältige an Franz Schuhs Denk-Buch ist die Tatsache, dass sich jeder Rezensent unweigerlich mit den Themen und Problemen, die er resümierend am Zipfel fasst und aus dem Florilegium differenter Kurztextsorten herauspickt, selbst kenntlich macht.
Ein heimatloser Verlierer, ein verrückter Vater und weitere schräge Vögel: Lilian Faschinger analysiert in ihrem Roman "Stadt der Verlierer" wieder soziale Befindlichkeiten der Gesellschaft.In einem Durchhaus bewohnt er eine winzige Dachkammer mit provisorischer Bettstatt; bei seinen Stadtwanderungen sieht und begegnet er im hitzegestauten Wien des Jahres 2002 nur seinesgleichen: Verlierer, die es nicht geschafft haben, sich zu beheimaten oder sonst wie am Leben gescheitert sind. Sandler, Bettler, durchgeknallte Alte und unglückliche einsame Frauen, deren Zuneigung er in jeder Beziehung
In ihrem neuen Roman "Leere Herzen" entwirft Juli Zeh eine sehr zeitnah angesiedelte Dystopie. Angela Merkel ist nach einem Wahlsieg der AfD, die hier Besorgte Bürger Bewegung (BBB) heißt, zurückgetreten, und die neue Regierung setzt den gesellschaftspolitischen Umbau, der wohl schon um die Jahrtausendwende begonnen hat, entsprechend beschleunigt fort.Man könnte diesen Roman als Auseinandersetzung mit Isabell Loreys "Die Regierung der Prekären" verstehen. Prekarisierung bedeutet ja schon lange mehr als unsichere Arbeitsverhältnisse, sie umfasst als Gefühl latenter Gefährdung die
"Liebe Schwester": der neue Roman von Renate Welsh über einen Kleinkrieg zweier Schwestern und die schwierige Annäherung.Es gibt keine "Extrapunkte" für sinnlose Selbstverleugnung und freiwilligen Verzicht auf Glück. Das ist ein Lehrsatz, den vielleicht schon bald keiner mehr verstehen wird. Sefa (84) und Karla (81) gehören noch einer Frauengeneration an, für die Selbstverwirklichung ebenso wenig Thema war wie Fragen der Sexualität. Damals gab's nur "das da unten" und "sogar die Hunde auf der Straße haben ein gewisses Schamgefühl gezeigt", meint Sefa.Behütet, aber lieblos
Daniel Kehlmanns Roman "Die Vermessung der Welt" veschneidet die Leben von Carl Friedrich Gauß und Alexander von Humboldt.Das diffuse Bewusstsein, in einer rasanten Umbruchszeit zu leben, lenkt den Blick aktuell verstärkt auf jene Phase der Geschichte, in der begann, was unsere Gegenwart prägt: das naturwissenschaftlich-technische Zeitalter. Und die Abenteuer der frühen Welteroberer faszinieren umso mehr, je ausgetretener die Pfade auch abseits der Touristenströme werden, was in der österreichischen Literatur schon vielfältige Spuren hinterlassen hat.Daniel Kehlmann führt in seinem
Gerhard Roths nicht untypische Nachkriegskindheit.Nach dem Begräbnis des Vaters betritt der Sohn das väterliche Arbeitszimmer und weiß nicht, was tun; da beginnt er, Bleistifte zu spitzen. "Mein Vater, ein ansonsten bis zum Geiz sparsamer Mensch, hatte seine Bleistifte nur so lange benutzt, bis sie stumpf waren, und dann eine neue Schachtel gekauft. Es lagen büschelweise Bleistifte in den Läden, alle gelb und gleich lang, einige abgebrochen. Ich spitzte einen nach dem anderen und legte sie zurück in die Läden." Da sich der Vater durch seinen Tod jeder weiteren Auseinandersetzung
Die aktuellen medialen Optionen sind nicht die einzige grundlegendere Veränderung der Publikations wege im neuen Jahrtausend. Lange Zeit waren Literaturzeitschriften, in Österreich seit den 1960er-Jahren allen voran manuskripte, die heimische Talenteschmiede. Hier begannen die Karrieren ganzer AutorInnengenerationen. Wolfgang Bauer, Barbara Frischmuth, Peter Handke, Gerhard Roth, Michael Scharang, Helmut Eisendle, Reinhard P. Gruber, Gert Jonke, Erwin Einzinger, Walter Kappacher -für sie und viele andere führte der Weg von den manuskripten direkt zu Residenz oder gleich zu Suhrkamp.In
Vermächtnis einer zum Tod Verurteilten.Auslöser war ein Überweisungsschein, den ihre Schwester in Wien nicht vernichtet hatte. Er trug Mariannes Unterschrift und wurde im November 1942 bei der Verhaftung eines ihrer jüdischen Bekannten gefunden, denen Marianne Golz-Goldlust zur Flucht verholfen hatte. Noch am selben Tag wurde sie in Prag von der Gestapo abgeholt. Es folgten zwei Monate Einzelhaft, zahlreiche Verhöre durch die Gestapo, im Mai 1943 dann eine Art Schauprozess, bei dem im Gefolge des Attentats auf den Reichsprotektor Heydrich von vornherein die Todesurteile feststanden.
Sabine Groschup mixt in ihrem Krimi bewährte Zutaten lustvoll zusammen. Ihre Kommissarin jagt nicht nur nach Tätern.Nach ihrem Romandebüt "Alicia und die Geister" (2005) legt die 1959 in Innsbruck geborene Filmemacherin Sabine Groschup - vielleicht den Marktmechanismen folgend - mit "Teufels Küche" ihren ersten Krimi vor, in dem sie bewährte Zutaten lustvoll zusammenmixt.Da ist die auf ihr Aussehen nicht besonders bedachte Wiener Polizistin Merle Kraft, die trotzdem intensiv mit ihrem schwer zu bändigenden roten Kraushaar beschäftigt ist - im Frisiersalon setzt die Handlung denn auch
Essays, Erzählungen, Reportagen und Gedichte von Franz Tumler aus den
Jahren 1946-1991 bietet der Band "Hier in Berlin, wo ich wohne".
Tumler gelingen dichte Miniaturen, in seinen Texten wird aber nicht
nur hingeschaut, sondern auch viel weggesehen.
Während für alle anderen Künste gilt, dass sie der jeweiligen Gegenwart etwas "Neues", auch Dissonantes, entgegensetzen, wird von Literatur gerade in Phasen wachsender Unsicherheiten erwartet, sie möge sich auf bewährte Konzepte besinnen, also wieder ordentlich erzählen. Kein Kunstkritiker würde angesichts der globalen und medientechnischen Verwerfungen der Bildenden Kunst ernsthaft vorschlagen, sie solle auf das Genre-Bild zurückgreifen, damit sie wieder verständlich werdeFreilich arbeitet Literatur immer noch mit denselben 26 Buchstaben, während den anderen Künsten neue
Die Figuren in Kathrin Resetarits' Prosaband machen ihr Scheitern bewohnbar.Der Wiener Czernin Verlag, der sich seit 1999 einen Namen als Sachbuchverlag gemacht hat, wächst mehr und mehr in die Rolle eines kleinen, aber feinen Verlags für österreichische Literatur hinein. Die Bücher sind sorgfältig lektoriert, schön ausgestattet, und der Verlag hat eine gute Hand bei der Auswahl neuer Autorinnen und Autoren.Das gilt auch für den ersten Erzählband von Kathrin Resetarits mit dem poetischen Titel "vögel sind zu besuch", der die Autorin als bekennende Kleinschreiberin ausweist. Das Buch
Daniel Wissers Gedanken-Kopfstände rücken manches zurecht, was der
vertrauten Perspektive entgeht. "Kein Wort für Blau" bietet kurze
Prosatexte über absurde Begebenheiten und skurrile Persönlichkeiten.
Norbert Müllers neuester Roman "EASY Deutschland".Vorangestellt hat Norbert Müller seinem Roman EASY Deutschland ein Personenverzeichnis. Das verwundert zunächst, denn als "Hauptfiguren" werden gerade einmal sieben Personen aufgelistet. Damit müsste der Leser bei einem über 400 Seiten starken Roman eigentlich zu Rande kommen. Doch man verwechselt die Figuren tatsächlich immer wieder, wohl weil die Folie des sozialen und menschlichen Scheiterns so kompakt über ihrer aller Leben gebreitet ist. Deshalb blättert man auch kaum zurück zum Personenverzeichnis; es ist einfach nicht wichtig,
Michael Stavaric\0x02C7 stiftet in seinem Roman "Terminifera" bewusst Verwirrung.Fulminant" und "virtuos" nannten die Kritiker Michael Stavaric\0x02C7s Prosa-Debüt stillborn; nur ein knappes Jahr später legt der 1971 in Brünn geborene Autor mit Terminifera einen Folgeband vor. Stilistisch und kompositorisch sind die beiden Romane eng verwandt, sprachliche Stärken sind auch hier zu finden, allerdings schlagen die Schwächen diesmal stärker zu Buche. Terminifera ist eine sehr locker gefügte Sammlung von Erinnerungs-und Alltagssplittern aus dem Leben einer Figur, die der Leser nicht zu
Nach der Lektüre des Romans "Chronik einer fröhlichen Verschwörung"
bleibt ein gewisses Unbehagen über die hier angehäuften Akte der
Inhumanität und Rücksichtslosigkeit, auch wenn sie vorgeblich dem
Aufbrechen von Denkschleifen und Vorurteilen dienen wollen.
Minotaurus als moderner Stadtwolf: Thomas Ballhausens Prosa "Die Unversöhnten".René Altmann pflegte seinen Lyrikminiaturen statt Überschriften Werknummern voranzustellen, weshalb der Verleger der Eremitenpresse V. O. Stomps sie mit der Bemerkung abgewiesen haben soll: "Das sind die Gedichte eines Buchhalters. Ich lese keine Verse, die numeriert sind."Auch Thomas Ballhausen liebt numerische Systematiken und wendet sie in seinem neuen schmalen Prosaband "Die Unversöhnten" erneut an. Dass die zu den einzelnen Ordnungszahlen gehörenden Textstellen oft nur wenige Zeilen umfassen, hat einen
In "Glücklich die Glücklichen“ beschreibt Yasmina Reza Menschen, die ohne Geldsorgen auch nicht glücklich sind.Yasmina Reza, 1959 in Paris geboren, gilt als meistgespielte zeitgenössische Dramatikerin, ihr Erfolgsstück "Der Gott des Gemetzels“ hat Roman Polanski 2011 verfilmt. Ihre Figuren kommen meist aus dem (groß)bürgerlich jüdischen Milieu, dem sie selbst entstammt und das sie in ihren Ritualen und Verlogenheiten mit Witz und flotten Dialogen vorführt. Auch wenn sie die Zuordnung zum Boulevardtheater zurückweist, einer klamaukigen Inszenierung setzen ihre Texte zumindest
"Die letzte Partie", das Romandebüt von Regine Koth Afzelius,
besticht vor allem durch die Sprache. Am besten gelingt der
Sprachwitz bei der Beschreibung sozialer Machtstrukturen im
Alltagsleben.
Verena Rossbachers Debütroman "Verlangen nach Drachen" wurde 2009 ein Überraschungserfolg. Proportional zur Distanz von Wien stieg die Bereitschaft, die großzügigen Anleihen bei Friedrich Torberg oder Heimito von Doderer als originell zu lesen und "gut abgehangene Klischees"(Falter) für "Züge eines angeschrägten Wiener Originals"(Süddeutsche Zeitung) zu halten. Das "Dauerfeuer einer plauderseligen Komik" (Neue Zürcher Zeitung) ließ allenfalls auf ein wenig mehr Disziplin beim nächsten Buch hoffen. Vorsichtshalber hat die Autorin Einwände in Richtung Verschwurbeltheit, die sie
Die Fragen, die Anton Thuswaldner im November-Booklet aufwarf, sind zu interessant, um von Personalisierungen zugedeckt zu werden.Natürlich ist Aufklärung ein historischer Epochenbegriff, aber er bezeichnet auch eine Haltung, die auf gesellschaftlichen Fortschritt oder, vorsichtiger ausgedrückt, auf die gesellschaftspolitische Verantwortlichkeit des Individuums setzt. Kunst, die sich diesem Prinzip verpflichtet fühlt, kann dafür mehr mit inhaltlichen oder mehr mit formalen Mitteln arbeiten. Trifft sie die Fragen der Zeit, lösen beide Varianten Verstörung aus, die Gesellschaft reagiert
Gerhard Falkners Erzähler sucht Bruno, den Bären, und sich selbst.Am Coverbild von Gerhard Falkners Novelle "Bruno" sind alle drei zu sehen: die Alpen, der Bär und der einsame Wanderer; majestätisch unberührt, unbekümmert stark und geduckt tastend, so ist die Rollenverteilung, wie sie die Bildmontage suggeriert. In Leuk im Wallis treffen sie zusammen und werden einander doch verfehlen. Der Erzähler ist nicht in der besten Verfassung, das ist von Anfang an klar."Ich aber war schon immer ein Spitzenreiter im Rennen um die aberwitzigsten Schicksalsschläge. … Kurz bevor ich in die
Im Jahr der Erinnerung an 1914 ist Karl Kraus' "Die letzten Tage der
Menschheit" allgegenwärtig. Doch es lohnt auch der genaue Blick in
andere Literatur, die bisher weniger beachtet wurde.
Autobiografische Erzählungen von Helmuth A. Niederle.Helmuth Niederle ist in den letzten Jahren vor allem als unermüdlicher, mitunter wohl auch etwas zu hastiger Anthologist für den Wieser Verlag tätig gewesen. Der Band "Nicht nach Ithaka" versammelt nun autobiografische Erzählungen des Autors von sehr unterschiedlicher Länge und auch nicht ganz gleicher Qualität.Am stimmigsten sind zweifellos die gut zwei Drittel des Bandes ausmachenden Erinnerungen an die Kindheit in einem Mietshaus am Währinger Gürtel. Niederle ist Jahrgang 1949, und wenn er hier locker und plaudernd von seinen
Ulrich Woelks Roman über männliche Selbstfindung.Inhaltlich ist der Roman "Die Einsamkeit des Astronomen" des gelernten Astrophysikers Ulrich Woelk eine Variation auf mehrere aktuell beliebte Muster, die mit dem allmählichen Altern einer Autorengeneration ebenso zu tun haben wie mit den Verunsicherungen, die ein deregulierter Arbeitsmarkt und die Auflösung der konventionellen Geschlechterrollen mit sich bringen. Der Tod des Vaters lenkt den Blick zurück auf die eigenen Anfänge und familiären Prägungen, während berufliche und beziehungsgeschichtliche Erschütterungen aktuell vor allem
Beobachtungen zu Schriftzeichen führen zu kulturkritischen Befunden über den Zustand der Zivilisation in Peter Simon Altmanns Erzählung "Der Zeichenfänger"."Der Zeichenfänger", so nennt der 1968 in Salzburg geborenen Peter Simon Altmann seinen ersten Roman, den er bescheiden "Erzählung" nennt. Wie der Autor ist der Ich-Erzähler gelernter Japanologe, sein Spezialgebiet ist die Etymologie chinesischer Schriftzeichen in der japanischen Sprache. Aktuell hat er einen befristeten Assistentenvertrag in Wien, dann wird er sich, den Gesetzen des universitären Wanderzirkus folgend, in einer
Maria E. Brunners Roman "Berge Meere Menschen" erzählt eine Südtiroler Kindheit.Schon der Titel deutet an, dass hier etwas fehlt, nämlich die Beistriche. Seit Marlene Streeruwitz die Punkt-Obsession zum stilistischen Markenzeichen entwickelt hat, scheint sich die Vorstellung zu verbreiten, Stil sei in Satzzeichen-Eigenarten zu verwirklichen. Doch der Punkt-Abusus scheint für den Leser nicht immer ganz so überzeugend wie für die Autorin. Hier kommt noch eine gewisse Inkonsequenz dazu - manchmal ist der Beistrich dann doch da, und zwar nicht nur in den Vatersätzen, wo er nie fehlt. Auch
Marlene Streeruwitz folgt in ihrem neuen Roman einem egomanen Aufsteiger und seinen Gedanken und Gedankenhopsern.Klappentexte können reißerisch sein, an die Fakten sollten sie sich aber doch halten. "Der Held", so ist zu Marlene Streeruwitz' neuem Roman "Kreuzungen" zu lesen, "macht sich auf, zu den Allerreichsten der Welt zu gehören. Dazu beendet er sein bisheriges Leben, aus dem sein Reichtum hervorgegangen ist. Er verlässt Wien und seine Frau, die Kinder und sogar seine Therapeutin. Eine Schönheitsoperation eröffnet sein neues Leben." Das könnte einen interessanten Roman ergeben,
VOR 150 JAHREN WURDE DIE WIENER RINGSTRASSE ERÖFFNET. GEWALTIGEN
SPEKULATIONEN FOLGTE EIN BÖRSENKRACH. NUR SPUREN DAVON FINDEN SICH IN
DER LITERATUR DIESER ZEIT.
Wer sozialkritische Krimis mag, wird mit Manfred Wieningers nunmehr fünftem Marek-Miert-Krimi gut bedient.Auch im fünften Marek Miert-Krimi ist der Ex-Polizist immer noch ein einigermaßen heruntergekommener und technologisch unterversorgter "Diskont-Detektiv", wie er sich selbst annonciert. Ganz kann das Kokettieren mit dem Verlierer-Image natürlich nicht aufgehen, denn untrüglich ist der Instinkt seiner "Nasenhärchen" und im Zweifelsfall ist der Zufall immer auf seiner Seite, das ist gewissermaßen eine Grundbedingung jedes Serienhelden. Im Clinch liegt er nach wie vor mit dem Chef der
Nicht recht überzeugend gerät Christoph W. Bauers Roman zur Stadtgeschichte Innsbrucks.Von Christoph W. Bauer lagen bisher fünf schmale Bücher vor, allesamt sprachlich eigenwillig, formal Genregrenzen sprengend - beim Band "fontanalia", der sich als Leporello präsentiert, sogar buchtechnische - und mit genialen Titeln versehen. "Aufstummen" nannte er etwa, "verstummen" und "aufbegehren" überblendend, seinen artifiziell komponierten Abgesang auf eine totgelaufene Beziehung, der einen Rezensenten mit Formulierungen wie "gekonnt spielerische Sprachdichte" und "wortkarge Eloquenz" ordentlich
Zu Beginn von Sebastian Schinnerls Romandebüt "Pluton oder Die Reise ans Meer" sehen wir den erfolgreichen Investmentbanker Heinrich-Herbert Sauvegarder im Taxi sitzen. Zufrieden pafft er seine "Churchill"; die Ledertasche mit Handy, Taschengeld, Terminkalender, Papieren und Adressbuch hält er fest in der Hand, und der "flache, silberne Aktenkoffer auf meinem Schoß erfüllte mich mit Genugtuung". Er ist prall voll mit Banknoten, doch Sauvegarder ist nicht auf der Flucht mit der Beute aus dunklen Geschäften sondern auf dem Weg in ein exquisites "Betagtenheim". Er ist 92 Jahre alt,
Gerhard Roths neue Reise durch Wirklichkeits- konstruktionen und psychische Abgründe.Gerhard Roths neuer, wie immer umfangreicher Roman beschäftigt sich nicht primär mit der österreichischen Gegenwart. Das können Kritiker mitunter schwer ertragen - ein Autor wie Gerhard Roth hat einfach immer ein Empörer gegen die heimische Politunkultur zu sein. Also fanden sich bislang in allen Berichten über das Buch (und vor dessen Erscheinen) jene auf 450 Seiten auffindbaren zwei Sätze, die diesbezüglich etwas hergeben. Sie werden auch in den kommenden Besprechungen zu lesen sein und sollen hier
Hansjörg Zauner schafft poetische Luxusgüter und sprengt Dogmen des Denkens.Mehr als ein Dutzend Bücher hat Hansjörg Zauner, Sprachartist mit eigenwilligen "Denkfiltern" und Professionist an seiner speziellen "wortmähmaschine", schon vorgelegt und alle sind poetische Luxusgüter. So ist denn auch "Luxus" der Titel des neuen Bandes, der 15 Abschnitte umfasst. Wie immer sind die angedeuteten Handlungselemente, etwa die Arbeit an der Verfilmung seiner 1999 erschienenen Prosastücke "Jolly", nicht das Entscheidende.Radikale Spracharbeiter wie Hansjörg Zauner haben es in der Rezeption schwer;
Als Günther Nenning starb, protestierte Brigitte Schwaiger gegen die Geschmacklosigkeit, dass keiner der Nachrufe ohne den Begriff des „Wurschtels“ auskam. Nun, da Brigitte Schwaiger, geboren am 6. April 1949 in Freistadt, tot in der Donau treibend aufgefunden wurde, verteidigt niemand sie gegen den posthumen Rufmord: Unwidersprochen verwenden alle Meldungen die Formulierung, sie habe mit ihren späteren Werken nicht mehr an den phänomenalen Erfolg ihres Romanerstlings „Wie kommt das Salz ins Meer“ (1977) „anknüpfen können“. Das weist die „Schuld“ ihrem Versagen zu und