"Kontrollen weg von Verbänden"

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Man versucht häufig, Sport als unabhängig vom restlichen Leben darzustellen. Es wird aber immer Betrug geben.(NADA-Chef M. Cepic)

Der Druck für Veränderungen zum Besseren muss von der Politik kommen: Der Sport wird das logischerweise nicht von sich aus ändern, meint NADA-Chef Cepic.

Doping im Spitzensport ist auch heute keine Seltenheit. Die Internationale Biathlon Union (IBU) steht unter Verdacht, 65 auffällige Proben vertuscht zu haben. Der mittlerweile zurückgetretene IBU-Präsident Anders Besseberg soll sich jahrelang von Russland bestechen lassen haben. Zur Aufdeckung des Skandals haben vor allem die Aussagen des ehemaligen Leiters des Anti-Doping-Laboratoriums in Moskau, Grigorij Rodtschenkow, beigetragen. Der Whistleblower floh 2016 in die USA und hält sich seitdem als Kronzeuge des Dopingskandals an einem versteckten Ort auf.

Michael Cepic, Geschäftsführer der Nationalen Anti-Doping Agentur Austria (NADA Austria), meint dazu: "Der Biathlonskandal bestätigt mich darin, was wir seit 2016 gemeinsam mit Deutschland fordern: Die Kontrollen gehören weg von den Verbänden. Man kann sich nicht selbst kontrollieren. In keinem anderen Bereich kontrolliert man sich selbst und verwaltet anschließend auch noch die Resultate dieser Kontrollen. Der Interessenskonflikt innerhalb der Verbände ist hier einfach viel zu groß." Noch erschreckender: Bei den Olympischen Spielen, so berichtet Cepic, obliege das ganze Kontrollsystem dem Veranstalter, dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC).

"Ich ziehe hier gerne das Beispiel der Bankenaufsicht heran. Es würde niemand auf die Idee kommen zu sagen, dass Banken die Bankenaufsicht selbst wählen können sollten und die Bankenaufsicht anschließend die Kontrollen an den Banken durchführen und diesen die Kontrollergebnisse übergeben dürfte. Im Sport ist es aber genau so."

Cepic ist überzeugt, dass eine Änderung an diesem System am Willen des Sports scheitere. Ein großes Problem seien außerdem die Vereinsstatuten, nach denen die internationalen Fachverbände des IOC operieren. Diese würden größtenteils aus den Vierziger-, Fünfziger- und Sechzigerjahren stammen. Der Spitzensport habe sich aber geändert. "Wir haben es heute im Sport mit Organisationen zu tun, die Umsätze im dreistelligen Millionenbereich machen", so der NADA-Geschäftsführer. "Bei manchen Verbänden, etwa der FIFA, sind wir bereits im Milliardenbereich. Nichtdestotrotz werden diese vom Prinzip her wie kleine Vereine geregelt." Cepic fordert, diese millionenschweren Unternehmen auch wie solche zu behandeln. Der Druck müsse seiner Meinung nach allerdings von Seiten der Politik kommen, denn: "Der Sport wird das logischerweise nicht von sich aus ändern."

Ewiges Doping

Leistungssteigernde Substanzen wurden bereits im Altertum bei Sportwettkämpfen eingesetzt. "Früher hat man Stierhoden und Pilze gegessen. Die Intention war dieselbe: die Leistung zu verbessern. Die Methoden haben sich geändert, aber der Grundgedanke hat sich bis heute gehalten", so Cepic. Zu den "Klassikern" würden nach wie vor anabole Steroide, EPO und Eigenblutdoping zählen. In den letzten Jahren werde außerdem vermehrt auf Wachstumshormone zurückgegriffen. Dass es jemals Spitzensport ohne Doping geben wird, glaubt Michael Cepic nicht: "Man versucht häufig, den Sport unabhängig vom restlichen Leben darzustellen. Es wird aber immer Leute geben, die den kurzen Weg suchen und betrügen. Man kann durch Maßnahmen und Prävention zwar die Quote herabsetzen, aber einzelne Menschen werden es trotzdem immer versuchen." Ihm zufolge müsse man versuchen, den Sport so sauber wie möglich zu halten, aber auch zwischen flächendeckendem Doping und Einzelfällen unterscheiden.

Für einen weltweiten Code

Österreich befinde sich beim Thema Doping im europäischen Mittelfeld. "Österreich ist im Spitzensport durchaus vergleichbar mit anderen westeuropäischen Ländern", so der NADA-Geschäftsführer. "Ich bin überzeugt, dass es hier kein organisiertes, systematisches Doping gibt. Aber dass Individuen oder kleine Gruppen dopen, halte ich durchaus für möglich." Die Standardsperre bei Doping beträgt in Österreich vier Jahre. Mildernde oder verschärfende Umstände können Einfluss auf das Strafmaß nehmen.

Laut Cepic sei es jedoch wichtiger, den WADA-Code weltweit einheitlich umzusetzen, als über die Dauer von Sperren zu diskutieren. Die Anti-Doping-Arbeit sei nämlich von Land zu Land verschieden. "In Afrika etwa ist die Anti-Doping-Arbeit praktisch nicht existent. Bei Ländern, die kaum Spitäler oder Schulen haben, finde ich es aber vermessen, den Bau eines Dopinglabors zu fordern. Aus meiner Sicht ist das die Aufgabe des Sports und Geld gäbe es hier zur Genüge." Zudem ist Cepic dafür, Anti-Doping-Gesetze im Strafrecht anzusiedeln. "Wir bestrafen Betrüger im Sport oft milder als Betrüger in anderen Lebensbereichen."

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