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Hiesige und Migranten tun es, Trainer und Athleten tun es, Gene und Umwelt tun es: aufeinander wirken. Wechselwirkungen in unterschiedlichsten Lebensbereichen standen im Zentrum der GLOBArt Kompass-Tagung 2008 in Krems.

Ein Kanon ist nichts Außergewöhnliches. Und doch bekommt er an diesem Morgen am Campus der Donau-Universität Krems einen tieferen Sinn: Stimmenanimator Norbert Hauer lockt die Anwesenden aus ihren Sesseln, motiviert sie zum Nachsingen und verwebt - selbst singend und dirigierend - das anfangs zögerliche Summen zu einem kräftigen, vielschichtigen Klangteppich. Der morgendliche Kanon ist mehr als eine Lockerungsübung: Er ist ein Beispiel dafür, welch opulenter Klang durch musikalische Wechselwirkung möglich ist.

"Wechselwirkungen. Von- und miteinander Lernen" lautete das Thema des Symposiums, zu dem der Verein GLOBArt Dienstag vergangener Woche Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Disziplinen nach Krems geladen hatte. Ein Schwerpunkt der Tagung lag dabei - nicht zuletzt anlässlich des heurigen Europäischen Jahrs des interkulturellen Dialogs - auf den Wechselwirkungen zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen.

"Fremdheit ist bedrohlich und unheimlich", weiß die Erziehungs- und Sozialwissenschafterin Marianne Gronemeyer. Darum habe sich der Mensch verschiedene Strategien gegen das Fremde zurechtgelegt: Er will es - in imperialistischer oder kolonialistischer Manier - besiegen; er versucht, über die Fremdheit des Anderen hinwegzusehen; oder er sucht den Konsens. Letzteres, könnte man meinen, sei der Weg, den man heutzutage beschreiten müsste. Doch Gronemeyer wiegelt ab: "Wirklicher Konsens ist unmöglich, er ist eine Illusion und verleugnet nur die Fremdheit des Anderen." Sie selbst plädiert lieber für den Begriff "Gastlichkeit" (siehe Interview nächste Seite).

Mit interkulturellen Wechselwirkungen - allerdings aus geopolitischer Perspektive - beschäftigt sich Udo Steinbach. Der Nahost-Experte und langjährige Direktor des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg drängt in Krems auf einen intensiven Dialog, um die verzerrte gegenseitige Wahrnehmung von islamischer und westlicher Welt zu beenden. Der so genannte Karikaturenstreit sei beispielhaft gewesen für das programmierte Nichtverstehen der jeweils anderen Seite. Was also tun? Nach Steinbach bedarf es einer neuen Haltung des Westens, um nicht immer nur "selbst mit Zielvorstellungen zu kommen", sondern innerislamische Erneuerungsbewegungen zu unterstützen (siehe Interview unten).

Anders als Steinbach nimmt der Wiener Kulturphilosoph Wolfgang Müller-Funk eher die islamische Welt in die Pflicht und plädiert für eine "Kritik der reinen Toleranz": "Der Respekt vor einer anderen Religion oder Kultur findet dort seine Grenzen, wo es um Menschenrechte und den Umgang mit Minderheiten geht", stellt er klar. Toleranz gegenüber Intoleranz sei intolerabel.

Sie sind also kompliziert, die Wechselwirkungen zwischen den Kulturen. Kaum weniger komplex ist das, was sich zwischen Pädagogen und ihren Schützlingen abspielt. "Der talentierteste Pädagoge ist jener, der es schafft, Begeisterung zu entfachen", weiß Anton Innauer, nordischer Sportdirektor des ÖSV. Bei Lehrenden - egal ob im Schigymnasium Stams oder anderswo - sei deshalb Empathie gefordert. Wie seine Kremser Gesprächspartner - darunter die Gesangspädagogin und Medizinerin Gertraud Berka-Schmid und der Vorstand der Wiener Philharmoniker, Clemens Hellsberg - wünscht sich auch Innauer eine größere Wertschätzung von Sport- und Musikerziehung in der Schule. "Man unterschätzt, was Musik, Sport und Körpergefühl für das Lebensgefühl eines Menschen bedeuten", erklärt der erfolgreiche Trainer.

Was das seelische Wohlbefinden für die Gesundheit bedeutet, wird nach Ansicht von Matthias Beck ebenso unterschätzt. Anhand der Wechselwirkungen von Genetik und Epigenetik zeigt der Mediziner und katholische Theologe auf, wie das ganze Denken und Fühlen des Menschen auf die genetische Ebene und ihre An- und Abschaltmechanismen einwirkt - und deshalb mitverantwortlich dafür werden kann, ob etwa Krankheiten wie Krebs ausbrechen oder nicht. Nach christlicher Lesart könne auch das Erfüllen des göttlichen Willens zu mehr Lebensdynamik und innerem Frieden führen, glaubt Beck - und schließt mit einer Conclusio, die für die gesamte Kremser GLOBArt-Tagung gelten könnte: "Alles hängt miteinander zusammen."

Nähere Infos: www.globart.at

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