Medienprofi Dürer

Das Blatt aus dem Jahr 1511 zeigt wohl Abels Mord an Kain. Die Entschlossenheit des Täters, die Brutalität, mit der er sein Opfer niederdrückt und zum zweiten Schlag ausholt, spricht dafür. Es kann sich aber auch um eine bisher nicht identifizierte antike Szene handeln. Der Holzschnitt ist eines der 80 Dürer-Blätter, die in Nürnbergs Jubiläumsjahr 2000 in Dürers Stadt gezeigt werden konnten und in einer sehr günstigen Buchausgabe vorliegen. Die ausführlichen Kommentare zu jedem Blatt referieren jüngsten Wissensstand, dies macht den Band zum Muss für jeden an Dürer Interessierten.

Er ist aber auch ein Beitrag zum Thema Sammeln und Sammler. Leihgeber war der Sohn des Anfang 2000 verstorbenen Unternehmers Otto Schäfer, der nicht nur einen Großteil von Dürers druckgraphischem Werk zusammentragen konnte, sondern von allem, was auf den Markt kam, jeweils die drucktechnisch besten Blätter im besten Zustand erwarb, jahrzehntelang. Einzelblätter wie von Dürer illustrierte Werke.

Denn Dürer war nicht nur einer der größten europäischen Künstler aller Zeiten, sondern auch ein höchst moderner früher Medienprofi. Er erkannte als einer der Ersten die Chance, sich die damaligen drucktechnischen Errungeschaften in mehrfacher Hinsicht nutzbar zu machen. Mit ihrer Hilfe verstand er es zunächst, seine "Reichweite" zu erhöhen und eine führende Marktposition zu erringen, wie man heute sagen würde. Das Ansehen und den finanziellen Erfolg, den er nicht zuletzt seiner Druckgraphik verdankte, setzte Albrecht Dürer aber vor allem in ein Mehr an künstlerischer Freiheit um. Eine großartige Einführung ist zu rühmen - nicht zuletzt auch in die vielen offenen Fragen der Dürer-Forschung. H.B.

Albrecht Dürer. 80 Meisterblätter. Holzschnitte, Kupferstiche und Radierungen aus der Sammlung Otto Schäfer.

Von Matthias Mende, Anna Scherbaum, Rainer Schoch und Erich Schneider, Prestel Verlag, München 2000, 168 Seiten, 80 Duplextafeln, geb., öS 364,-/e 26,45