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Zum achten Mal erwies sich die Stadt als guter Ort für Gedichte - und bot ein absurdes Lehrstück über Kunst und Kommerz.

Dass Lyrik nicht nur wert ist gelesen zu werden, sondern auch Klangerlebnis sowie Mittelpunkt eines Gesprächs sein kann, das sich weder hinter germanistischen Beckmessereien noch hinter subjektiven Erlebnissen verschanzt, das hat der Meraner Lyrikpreis letztes Wochenende zum achten Mal bewiesen. Dass die Qualität der Texte von enormer Dichte und die Jury auf fünf Mitglieder reduziert worden war, hat dieses Gespräch intensiver gemacht als je zuvor.

"Lyrik ist Arbeit an den Möglichkeiten unseres Sprechens. Lyrik ist soziale Form. Ist Arbeit an den Korrumpiertheiten der Rede, an ihren Schönheiten, an den Gewaltsamkeiten der Rede, ist Traum von einer Zivilisierung durch Sprache", sagte Arno Dusini, Germanist der Universität Wien und langjähriger Meraner Juror, in seinem Festvortrag. Vieles davon haben die vorgetragenen Gedichte eingelöst.

Aus 452 Einreichungen hatte eine Vorjury ausgewählt, die Jury hatte sich dann auf neun Kandidatinnen und Kandidaten geeinigt. Die Überraschung: Diesmal war kein Österreicher unter den Finalisten. Weil sie alle von der gesamten Jury eingeladen sind, muss in Meran kein Juror seinen Kandidaten "durchbringen"; so profiliert sich die Jury nicht auf Kosten der Autoren. "Ich war zum ersten Mal in der Jury, aber ich muss sagen, dass ich mich sofort ganz wohlgefühlt und zurechtgefunden habe", sagte die Autorin und vielfache Übersetzerin Ilma Rakusa im Furche-Gespräch.

Konkurrenz Kommerzmusik

Auf absurde Weise hat die Meraner Kurverwaltung ihr eigenes Projekt konterkariert: Am Freitag Nachmittag konnte man die Autorinnen und Autoren gerade noch verstehen und die Jury sich kaum mehr konzentrieren, weil durch die geschlossenen Fenster volkstümelnde Musik in aggressiver Lautstärke eindrang: Das zdf nahm zur selben Zeit sein Sonntagskonzert in Meran auf. So geht es, wenn man sich gerne die Kulturfeder an den Hut steckt, aber gleichzeitig die in klingende Münze umsetzbare breite Publicity wichtiger ist - ein groteskes Lehrstück über Kunst und Kommerz.

Überzeugende Preisvergabe

Die kompetenten Organisatoren reagierten schnell: Am Samstag ging die Veranstaltung im Meraner Stadttheater weiter und mündete in eine gelungene Preisverleihung an die 27-jährige in Leipzig lebende Ulrike A. Sanders, "die das Kunststück schafft, aus Erfahrungen Erfindungen zu machen - Erfindungen, die Leerstellen lassen für die Imagination des Lesers" (Jurybegründung). Der bereits mit renommierten Preisen ausgezeichnete Ulf Stolterfoht, Jahrgang 1963, wurde "für seine vielfältig amalgamierten, hochartifiziellen und zugleich kraftvollen Gedichte" mit dem Alfred Gruber-Preis der Gemeinde Meran ausgezeichnet. Der 1964 geborene Schweizer Andreas Neeser erhielt für seinen Gedichtzyklus den Medienpreis der rai / Sender Bozen.

Die Entscheidung ist der Jury nicht leicht gefallen, denn es wären noch mehr Autoren preiswürdig gewesen, etwa der bereits mit dem Leonce-und-Lena-Preis ausgezeichnete Ron Winkler - einer von denen, "die wirklich sehr komplex operiert haben, mit vielen Zitaten, Montagen, verschiedenste Sprechweisen ineinander amalgamiert" (Ilma Rakusa). Mehrmals war in den Diskussionen die Rede vom weiten Raum, den ein Gedicht eröffnet - es ist erstaunlich, wie viel gerade junge Lyrikerinnen und Lyriker an Zitaten, an Mythologie, aber auch an Geografie und Lebenswelt im Blick haben. In zwei Jahren werden sie das in Meran wieder sichtbar und hörbar machen.

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