Parsifal von der Realität eingeholt

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In Kaiserslautern, wo die Vertreter der Religionsgemeinschaften deutschlandweit einzigartig gemeinsam die Erklärung "Religionen gegen Gewalt“ unterzeichnet haben, inszenierte Johannes Reitmeier 2012 Richard Wagners christlich geprägten "Parsifal“. Nun hat er die Produktion nach Innsbruck transferiert und auch weitergedacht, aber die Realität holte seine Interpretation ein. Reitmeier wählte den nicht ungefährlichen Weg der Konkretisierung und siedelte die schwächelnden Gralsritter mit ihrem leidenden König Amfortas und dessen Vorgänger Titurel - also zwei Päpsten - im Herzen des Katholizismus an. Thomas Dörflers Bühnenbild zeigt die schäbig gewordene Kuppel des Petersdoms, in dessen Innerem die Gralsenthüllung gefeiert wird. Diese Perspektive, sagte der Regisseur im Vorfeld der Innsbrucker Premiere, "hat dazu geführt, dass ich sogar großteils Wagners Regieanweisungen 1:1 umsetzen konnte.“

Hervorragende Besetzung

Der zölibatäre, frauenfeindliche Männerbund wartet auf einen Erlöser, der, durch "Mitleid wissend“, Rettung bringt. Parsifal ist der Hoffnungsträger, der die Institution wieder stärkt, den Kult vollzieht im Zeichen des Aufbruchs. Was schmerzt, ist das System, Heilung bringt die Veränderung. Gral und Speer stehen vereint für die Gesundung durch die Welteinheit der Geschlechter. Der sozial geläuterte, "reine“ Mann verweigert den Prunk der Tiara und setzt Kundry, die der Regisseur nicht sterben lässt, als Bischöfin ein. Und wenn es doch zuviel geworden ist an Hostie, Taufe, Fußwaschung, -salbung usf., dann zeigt Wagners Text die 1:1-Umsetzung. Die kirchlichen Ereignisse der letzten zwei Jahren haben Reitmeiers Inszenierung bis ins Detail aktualisiert, dadurch aber die Provokation sabotiert. Es besteht die Gefahr, dass die Aufführung dokumentarisch, wörtlich genommen wird.

Dirigent Alexander Rumpf und das kompetente, durch den engen Theatergraben in der (Streicher-)Besetzung aber eingeschränkte Tiroler Symphonieorchester Innsbruck ziehen ohne orchestralen Weihrauch, mit durchgehaltener Spannung in das Stück. Die Besetzung ist hervorragend, Guido Jentjens’ Gurnemanz, Wieland Satters Amfortas, Johannes Wimmers Titurel, Joachim Seipps Klingsor, Tilmann Ungers Parsifal und Jennifer Maines’ Kundry sind intensive Studien auf hohem vokalem Niveau. Der Chor nützt sein Steigerungspotenzial, nur die Blumenmädchen geben sich ein wenig ruppig.

(Ursula Strohal)

Parsifal - Tiroler Landestheater 2., 9., 23. März, 6., 13., 20. April

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