Sagenhaft und der Welt entrückt

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St. Agatha, das älteste Gotteshaus im Montafon, geht auf ein Bergleute-Gelübde zurück.

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St. Agatha, das älteste Gotteshaus im Montafon, geht auf ein Bergleute-Gelübde zurück.

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Unweit vom Paßübergang ins Klostertal, in 1.487 Meter Meereshöhe auf dem Kristberg, steht das unvergleichlich schöne St. Agatha Kirchlein, das laut dem Pfarrarchiv derzeit älteste bestehende Gotteshaus im Tal Montafon. Urkundlich wurde es erstmals 1450 erwähnt, doch alles weist darauf hin, daß es schon im 14. Jahrhundert für die walserischen Bergknappen errichtet wurde. Einer uralten Sage nach erfolgte der Bau aufgrund eines Gelübdes der im Silberstollen verschütteten, dann doch glücklich geretteten, Knappen.

An der nördlichen - immer wieder weiß gestrichenen - Wandfläche blieb all diese Jahre hindurch ein rundlicher, grauer, zäh abstechender Fleck auffällig zurück. Immer wieder hat man versucht, ihn weiß zu färben, doch immer wieder kam der seltsame Zeuge der Sage empor.

In den Silbertaler Pfarrbüchern lesen wir, daß dieser graue Fleck von Erdfeuchtigkeit verursacht sei. Die Sage jedoch weist auf ein vermauertes Gewölbe hin.

Der Pfarrer Peter Bitschnau hat unlängst beschlossen, diese Frage aus einer neuen Sicht (Strahlungsdifferenzen als Datierungshilfe) zu erforschen. Spezialisten wurden eingesetzt. Professor Josef Fastl aus Wien legte den oberen Teil der strahlungsveränderten Wandfläche frei und es hat sich bestätigt, daß vom Kirchlein ein Stollen in das Berginnere, in den vermuteten Unglücksstollen, führt; daher, so Fastl (und auch der Archäologe Wilhelm von Sydow), gehört die Vermauerung um den Stolleneingang zu der ältesten Bausubstanz dieser Kirche, ist ein Teil der ehemaligen Knappenhauswerkzeughütte.

Eine Legende wurde damit zur Realität. Das Hochbergkirchlein mit seiner alten, steilflächigen Holzdecke, mit gotischen Fresken des Chorraums, mit der eindrucksvollen frühgotischen Statue der heiligen Agatha im Seitenaltar und vielen anderen Elementen von höchstem kunstgeschichtlichen Wert, ist ein Meisterwerk der Authentizität von unwiederholbarem Zauber .

Wer bis hierher hinaufsteigt, dem muß die äußere Welt der Plastikattrappen viel kleiner, sie muß ihm gering erscheinen. Weit über das Gewölbe des Alltags erschließt sich hier ein Weg zum Aufbau des niedergebrochenen geistigen Lebens unserer Zeit, ohne falsche Idyllisierung der Landschaft, einfach ein Stück unverfälschter Natur, wie eine Schwelle zu urzeitlicher Höhe der Schönheit - und wir erfahren, wie die Welt eigentlich ist, wie sie sein könnte.

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