Schlawiner mitten im Showbiz

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Für seine Fans ist er der größte Popstar aller Zeiten. Für seine Kritiker bleibt Robbie Williams ein talentloser Clown.

Für seine Plattenfirma EMI war er ein Umsatzbringer und buchstäblich der Weihnachtsmann. 55 Millionen verkaufte CDs und ausverkaufte Fußballstadien von Seoul über Oslo bis Mexico City. Jeden Herbst erschien eine neues Robbie-Williams-CD, welche verlässlich für Millionenumsätze sorgte. Für den hoch verschuldeten EMI Konzern, welcher Künstler wie die Rolling Stones und Radiohead verloren hat und Coldplay bald verlieren wird, ist Williams überhaupt die letzte Hoffnung, wie man branchenintern munkelt.

Und für die Nordamerikaner ist Robbie Williams immer noch ein Niemand. Trotz mehrerer intensiver und auch kostspieliger Versuche ist es mit der Marke Robbie Williams immer noch nicht gelungen, den größten Musikmarkt der Welt zu knacken.

Die große Frage jedoch ist, unabhängig von Fan und Kritikermeinungen, ob es der Künstler erneut schafft, einen Anschluss an den schnelllebigen Popzirkus zu finden. Drei Jahre Pause sind eine lange Zeit. Der letzte wirklich große Hit – „Feel“– liegt bereits sieben Jahre zurück. Eine halbe Ewigkeit, denn eine Binsenweisheit im Musikbiz ist: Die Fans reichen nie für den großen Erfolg. Dieser wird mit Hausfrauen und Formatradiohörern eingefahren und wurde auch von Robbie hart erkämpft.

1995 trennte sich der Künstler von der britischen Boygroup Take That – man kann auch von einem Rausschmiss sprechen. Robbie verbrachte ein Jahr mit den Rüpeln von Oasis. Der Künstler erhoffte sich, dass der gewitzte Songwriter Noel Gallagher einige Hits für ihn schreiben würde. Das einzige, was Williams jedoch von den Gallagher-Brüdern mitbrachte, war ein Alkohol- und Drogenproblem. Somit schrieb er sein erstes Solowerk mit Guy Chambers. „Life Through a Lense“ kaufte anfangs noch niemand. Robbie biss sich durch, ging auf Tour und spielte in kleinen Hallen. In Wien kamen im November 1997 keine 100 Leute zum Konzert. Es schien wie verhext, das Album lag wie Blei in den Regalen. Nach einem Jahr brachte die dritte Single „Angels“ den Umschwung. Die Ballade stürmte die europäischen Hitparaden. Williams schaffte den Schritt aus dem großen Schatten seiner Vorband und übertraf den Erfolg sogar mit seinen folgenden Alben.

Lausbub und Frauenheld

Williams entwickelte sich inzwischen zu „Everyone’s Darling“ und äußerte sich auch öffentlich über seine Alkohol- und Drogenprobleme. Der Sänger kokettiere erfolgreich mit dem Image des Lausbuben und Frauenhelden und begeisterte mit seinem Charme sowohl Medien wie auch Fans. Clevere Popsongs wie „No Regrets & Supreme“ und auch gelungene Balladen wie „She’s the One“, „Eternity & The Road To Mandalay“ sind inzwischen Teil des Radioalltags.

Am Beginn des neuen Jahrtausends war Robbie ganz oben und sein gewieftes Management hatte noch einen Trumpf im Ärmel. Der Schlaumeier deutete einen Schritt zurück an und machte dabei drei nach vorne. Ein Album mit Swingklassikern, bei dem Frank Sinatra und Dean Martin über die Schulter schauten. Das Projekt sei ein Bubentraum, erzählte der Sänger und ein Geschenk für seine Mama. Dazu gab Williams einen Auftritt in der ehrwürdigen Royal Albert Hall. Mit Smoking, Big Band, Frank Sinatras Pianisten und einem Duett mit Nicole Kidman. Das Konzert war in allen europäischen Haushalte zu sehen und die CD & DVD „Swing When Your Are Winning“ wurde von selbigen bereitwillig erworben. Die Welt liebte diesen Schlawiner, der sich mit Smoking und offener Fliege respektvoll durch die Sinatra-Songs durchschummelte. Das nächste Popalbum folgte November 2002. „Escapology“ hieß das Werk und wirkte müde und uninspiriert, was damals jedoch niemandem auffiel, da die grandiose Single „Feel“ alle Schwächen überdeckte und den Mythos des verletzlichen Entertainers geschickt weiterspann.

I just wanna feel Real love and the love ever after There’s a hole in my soul You can see it in my face

Die Tournee zur Platte wurde gigantisch, über 1,5 Millionen füllten die Stadien und Williams tat, was er am besten kann – er unterhielt und begeisterte die Massen. Seine wahre Stärke ist die des Entertainers. Es wäre naheliegender gewesen, anstatt des Swings eine Platte mit Elvis-Songs zu machen. An die coole Lässigkeit eines Sinatra gibt es ohnehin kein Rankommen, aber dem verschmitzten und auch verschwitzten Charme eines Elvis Presley kann sich Robbie da schon eher nähern.

Gegenläufig zum Erfolg wurden die Alben schwächer. „Intensiv Care“ (2005) und sein letztes Werk „Rudebox“ (2006), welches gar als Flop gilt, entpuppten sich als halbgare Pflichterfüllung. Robbie zog sich zurück, leckte seine Wunde, beobachtete angeblich Ufos und genoss in seiner Wahlheimat Los Angeles einen Alltag, geprägt von Anonymität und gepflegter Langeweile.

Mit dieser ist es vorerst vorbei. Das neue Album ist fertig und die Marketingmaschine rollt. Das Londoner Konzert Ende Oktober wurde in die ganze Welt übertragen und zeigte einen aufgeräumten und gut gelaunten Sänger.

Nur ein bisschen leiser

Das neue Album „Reality Killed the Video Star“ besteht aus einer netten und wenig aufregenden Sammlung guter Popsongs, denen jedoch das letzte Stück zum Klassiker fehlt. Denn selbst die in Deutschland verkauften 400.000 Einheiten der neuen CD gereichen nur zur Pflicht und noch nicht zur Kür für den erfolgsverwöhnten Superstar. Trotz des Umstandes, dass Robbie Williams noch zu den wenigen zählt, die CDs in Millionenstückzahlen verkaufen, wird es zur Rettung des angeschlagenen EMI-Konzerns wohl nicht mehr reichen. Die falsche Annahme, dass einige wenige überteuerte Superstars die marode Musikindustrie retten können, kommt dann möglicherweise bereits zu spät.

Und der Mensch Robbie Williams? Dieser tönt wie eh und je – nur ein bisschen leiser. Gesund und fit sei er, die Liebe des Lebens hätte er gefunden und das beste Album seiner Karriere gemacht. Also immer noch der Lausbub und Schlawiner, und das ist gut so. Denn was wäre der Popzirkus ohne solch schillernde Figuren. Denn Popmusik soll auch Spaß machen.

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