Wenn Doubles auf Lesereise gehen

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Das neue Buch von Rafik Schami: Ein deutscher Meistererzähler aus Damaskus.

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Das neue Buch von Rafik Schami: Ein deutscher Meistererzähler aus Damaskus.

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Rafik Schami ist ein orientalischer Erzähler, er versteht es, das ganze Leben in eine Geschichte zu verweben und die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Die geschriebenen Geschichten können natürlich mit den frei erzählten Versionen nicht leicht Schritt halten. Schami hat es geschafft, als Ausländer mit seinem Fremdsein Wünsche und Sehnsüchte zum Klingen zu bringen. Er wurde 1946 in Damaskus geboren, lebt seit 1971 in Deutschland und gehört zu den erfolgreichsten Schriftstellern deutscher Sprache. Er ist zum Begriff geworden, und damit war die Zeit gekommen, selbst in seiner Geschichte aufzutreten. Eben weil Schami so begehrt ist und Tausende seine Geschichten auch hören wollen, reist er unaufhörlich, Hunderte Lesungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, organisiert von Buchhändlern und Volkshochschulen, führen ihn mehrmals pro Jahr um den Erdball.

Er ist müde und verzweifelt, als ihm ein Freund den Rat gibt, sich doch um einen Doppelgänger umzusehen. Die Idee reift und findet ihren Niederschlag in einer Anzeige: "Ausländischer Mitarbeiter gesucht. Größe 185-190 cm. Voraussetzung: vollkommene Beherrschung der deutschen Sprache. Aufgabenbereich: Schauspiel. Beste Bezahlung." Die Bewerbungen übertreffen alle Erwartungen und sieben bleiben über, werden im Vortrag der Texte mühsam geschult, eingeführt in die Welt der Literatur und müssen Buchhandlungen besuchen: "Die Buchdeckel sind keine Deckel, sondern Fenster, die den Blick auf eine Welt öffnen, die nur das eine Buch zeigt, und so marschieren Welten, Maschinen, Tiere, Feen und die Größen der Welt bescheiden und leise durch die kleinen Regale und betteln um Berührung, denn erst die Berührung erweckt sie zum Leben. Und das ist im Grunde das größte Geheimnis der Buchhandlung."

Die sieben Doppelgänger, die Schami wie Marionetten dirigiert und, um sie leichter auseinanderzuhalten, von R1 bis R7 (R für Rafik) durchnumeriert, werden angesteckt von der Liebe zur Literatur und brechen als echte Schamis auf, um zu lesen. Die Täuschung gelingt, doch Schami hat keineswegs mehr Zeit zum Schreiben, sondern ist mit seinen Doppelgängern beschäftigt, die sich für ihn zu einer siebenköpfigen Hydra auswachsen. Immer neue Probleme tauchen auf, wenn eines gelöst scheint. Niemand entdeckt die Täuschung, selbst Freunde nicht, doch die Individualität siegt über die Gleichförmigkeit und das Original hat zu kämpfen, um letztlich als solches anerkannt zu werden.

Eine runde Sache, eine einfache Erzählung mit Geschichten über den Literaturbetrieb, die Einsamkeit von Reisenden, über Literatur, mit einfachen Wahrheiten und Situationen, zugleich aber eine Hilfe für schwierige Fällen des Alltags: "Ich weiß nur, daß Erzählen eine Voraussetzung hat, die am wenigsten beachtet wird: zuhören. Auch ich stottere bis heute, wenn ich merke, meine Worte dringen nicht ins Ohr, sondern prallen an eine unsichtbare Mauer und fallen tot zu Boden. Und so kommen die nächsten Sätze bereits geschwächt aus meinem Mund und schleichen sich unbeachtet in die Vergessenheit."

So einfach die Lösung für den gestreßten Autor am Anfang scheint, so aufwendig ist letztlich die Lösung für die daraus erwachsenen Probleme. Eine Ecke wird dem maßlosen R7 zum letalen Verhängnis und bringt die Erlösung. Doch das Happy End ist trotzdem wiederum keine runde Sache, denn Schami muß mit der Eifersucht leben. Die schöne Haifa liebt nämlich leider nicht ihn, sondern einen seiner Doppelgänger und er "kann ihr alles erzählen, nur nicht die Wahrheit". Das ist aber sicher nicht das Ende, sondern nur der Beginn einer neuen Geschichte.

Sieben Doppelgänger Von Rafik Schami Carl Hanser Verlag, München 1999 166 Seiten, geb., öS 190,- /e 13,80

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