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DR. KARL TIZIAN / ZWISCHEN RATSSTUBE UND LANDTAG

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Hoch gehen noch immer die Wogen des „Schwäbischen Meeres”. Der Wirbel um die verunglückte Taufe des modernsten Schiffes unserer Bodenseeflotte hat sich noch nicht gelegt. Im Gegenteil: Die bürokratischen Mühlen wurden knarrend in Gang gesetzt, im Parlament gab es heiße Auseinandersetzungen,

Filme sollten maßlose Ausschreitungen dokumentarisch belegen, Filme sollten beweisen, welch erhebende Feier die Verhinderung des Schiffstaufaktes war — kurz, die Fronten scheinen sich versteift zu haben. Der Appell des Bregenzer Bürgermeisters und Präsidenten des Vorarlberger Landtages, D r. Karl Tizian, der seinen Landsleuten, aber auch den Wiener „Nach-dem- Richter-Rufern” zur Mäßigung riet, ist im allgemeinen Feldgeschrei untergegangen.

Es mochte um die Jahreswende 1947/48 gewesen sein. Am politischen Himmel des westlichsten Bundeslandes war der Stern Ernst Kolbs aufgegangen, der seine Bahn freilich bald in die Bundeshauptstadt lenkte. Ein Vorarlberger schilderte in jenen Tagen dem Präsidenten der Bundeswirtschaftskammer die gemischte Freude, die Kolbs Aufstieg in seiner Heimat ausgelöst hatte. Trocken erwiderte Julius Raab damals: „Nehmt euch halt den Tizian!”

Der so empfohlene Dr. Karl Tizian — geboren am 12. April 1915 — hatte bereits die Leiden zweier Weltkriege auskosten müssen: Sein Vater — Mittelschulprofessor — war im Herbst 1914 gefallen; die tapfere Mutter fand neben der Führung einer Tabaktrafik noch Zeit, im katholischen Leben der Landeshauptstadt tätig zu sein. Der Student Tizian hatte gerade seine Doktordissertation über die Diözesanregulierung Josephs II. und die Errichtung eines Vorarlberger Bistums fertiggestellt, als es galt den grauen Soldatenrock anzuziehen. Kriegsdienst in Norwegen, Rußland, Italien und Jugoslawien führte den jungen Offizier quer durch Europa. Heute ist Dr. Tizian Hauptmann der Reserve des österreichischen Bundesheeres und findet trotz beruflicher Überlastung doch immer Gelegenheit, die Waffenübungen bei seiner Einheit, einem Jägerbataillon, mitzumachen. Inzwischen hatte Dr. Tizian eine Familie gegründet: ein Sohn und vier Töchter wuchsen in seinem Haus heran. Noch ‘nicht fünfzigjährig, ist er bereits Großvater.

Schon 1949 zog Dr. Tizian in den Vorarlberger Landtag ein, ein halbes Jahr später machte ihn Bregenz zum Bürgermeister. Der junge Bürgermeister erkannte die Verpflichtung, die seiner Stadt gegeben war: Der Wohnungsbau wurde forciert, die Kanalisation, die wegen der Reinhaltung des Bodensees eine überstaatliche Pflicht darstellt, wurde in einem großzügigen Projekt zusammengefaßt, der Festspielgedanke schließlich zur heutigen Vollendung geführt.

Zahlreich sind die Verpflichtungen, die Bürgermeister Tizian neben seiner Arbeit für die Heimatstadt zu erfüllen hat: So vertrat er Vorarlberg bei zahlreichen internationalen Konferenzen und Tagungen, ist auch Präsident des Landesverbandes für Fremdenverkehr — und findet doch immer noch ein wenig Zeit, um mit seiner Familie skizufahren, zu schwimmen und zu turnen.

Vor kurzem nun hat der Vorarlberger Landtag den Bürgermeister von Bregenz mit den Stimmen aller Parteien zum Präsidenten gewählt. Der große Schritt von der Gemeindestube in die Landespolitik ist getan. Große Probleme bringt die Zukunft, vor allem die schon lange hinausgeschobene Entscheidung über die Trassierung der Autobahn im Bregenzer Raum. Karl Tizian könnte der Mann sein, der die Lösung findet, die den notwendigen Nord-Süd-Verkehrsweg schafft und doch das Bild der Landeshauptstadt am Bodensee für alle Zeiten bewahrt.

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