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KAJ/M

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KAJ/M — das ist keine Geheimformel. Das bedeutet: Katholische Arbeiterjugend/Mädchen.

Vor fünf Jahren wurde mit der Wahl einer Zentralführerin eine gesamtösterreichische Jungarbeiterinnenbewegung gegründet,.

Immer wieder und überall hörte man die gleichen Einwände: Die Mädchen lehnen es ab, Arbeiterinnen zu sein; oder die KAJ/M zerreiße die Einheit der Katholischen Jugend; oder für die Mädchen sei die Arbeit in den Betrieben nur ein Zwischenzustand, und sie dächten doch nur an das Heiraten, ob sie nun Studentinnen, Landmädchen oder Arbeiterinnen seien, es genüge also eine Katholische Mädchenbewegung usw.

Wenn auch die Widerlegung dieser Einwürfe nicht schwer war, so war doch die Stimmung, die diese immer wieder gesagten Einwände hervorriefen, nicht leicht zu überwinden. Es gelang aber doch, vor allem auch durch den Hinweis auf das in den bestehenden Gruppen Erzielte, allmählich im Klerus und in der katholischen Laienwelt unsere Ueberzeugung zum Durchbruch zu bringen, daß die KAJ/M mindestens ebenso notwendig ist wie die KAJ bei den Burschen.

Wir mußten immer wieder darauf hinweisen, daß in den großen Industriezentren, aber auch schon vielfach in den Kleinstädten und Dörfern die meisten jungen Arbeiterinnen der Religion fernstehen, daß das sittliche Niveau, durch das Milieu bedingt, immer tiefer herabsinkt. Wir mußten immer wieder erschütternde Beispiele anführen, wie gutgeartete Mädchen, aus guten Familien und Ortschaften stammend, bald durch das Betriebsmilieu religiös und sittlich verdorben wurden; wie manche von ihnen frühzeitig heiraten mußten und heute von ihren Männern verlassen sind, andere sich dazu bewegen ließen, das Kind in ihrem Schöße zu morden und heute körperlich und seelisch schwer erkrankt oder überhaupt infolge wiederholter Abtreibungen gestorben sind. Wir konnten darauf hinweisen, wie ganze Jahrgänge von Mädchen aus den besten katholischen Gegenden Oesterreichs und Deutschlands durch das Betriebsmilieu schon nach einem halben Jahr wie umgewandelt waren und sowohl im Spotten über 'die Kirche und die Religion wie in ihrem sittlichen Verhalten mit der Masse liefen.

Wir haben darauf aufmerksam gemacht, daß heute über die Hälfte der Mädchen Oesterreichs in der Industrie, im Gewerbe und Handel arbeitet — daß fast überall, in großen wie in kleinen Betrieben die religiös-sittliche Situation gleich bedauerlich ist — und daß diese religiös und sittlich unterminierte Generation die Mütter von morgen stellen wird. — Man hat uns wegen dieser Feststellung von Tatsachen Pessimisten genannt; wir glauben es nicht zu sein, sonst hätten wir uns nicht an die Arbeit gemacht die KAJ/M in Oesterreich zu gründen und unter vielen Schwierigkeiten aufzubauen.

Es scheint sich nun doch die Ueberzeugung Bahn gebrochen zu haben, daß eine weibliche

KAJ notwendig ist, um den jungen Arbeiterinnen und Angestellten das nötige Rüstzeugrzu geben, damit sie selber dem Milieu standhalten und auch ihre Kameradinnen gut beeinflussen können und so auch allmählich das Arbeitermilieu umgestaltet werde.

So konnten wir die KAJ der Mädchen aufbauen, „stilan“ — langsam —, wie Cardijn e immer empfiehlt — womit wir wieder den Unmut derer erregten, die'schnelle Erfolge sehen wollten.

Wir haben bewußt langsam vorwärtsgearbeitet. Wir glaubten nicht, das Hauptgewicht zunächst auf die Erfassung recht vieler junger Arbeiterinnen legen zu sollen, sondern auf die gute Ausbildung derer, die wir für diese große Aufgabe gewonnen hatten. Und das braucht Zeit, ob es sich um junge Arbeiterinnen handelt, die aus einer ungläubigen Familie stammen — und das waren in der ersten Zeit der KAJ/M weitaus die meisten, und auch heute sind ihrer noch viele —, oder um katholische Mädchen, die bisher nur Vorträge angehört und an apostolische Aufgaben kaum gedacht hatten.

Außerdem haben die Mädchen nach ihrer Arbeit im Betrieb, die immer anstrengender wird, auch noch zu Hause mitzuhelfen, so daß ihnen nicht soviel Zeit zur Verfügung steht wie den Burschen. Sie heiraten auch viel früher, so daß der Wechsel in den Aktivistinnenrunden und in der Führerschaft der KAJ/M viel rascher vor sich geht als in der männlichen KAJ. Wenn man dann noch die äußeren Hemmungen in Rechnung zieht, Gegnerschaft oder Zurückhaltung, wo man Linterstützung und Förderung erwarten sollte, so begreift man, daß die weibliche KAJ sich nicht stürmisch entwickeln konnte.

Trotzdem steht heute die KAJ/M etwa dort, wo die Burschen KAJ vor drei Jahren gestanden ist, das heißt, daß die KAJ/M gleichen Schritt mit der männlichen KAJ halten konnte, die vier Jahre vor ihr in Oesterreich begonnen hat.

Heute ist in allen Ländern Oesterreichs die KAJ/M entweder schon planmäßig aufgebaut oder (in nur kleinen Ländern) wenigstens im Aufbau begriffen. In ganz Oesterreich haben wir jetzt mehr als 200 Aktivistenrunden und mindestens ebenso\iele Gruppen von Jungarbeiterinnen und mehr als 1000 Aktivistinnen, das heißt durchgebildete und eifrige Apostel in Betrieb, Wohnstätte und Freizeit. Einige tausend Mitglieder, die ihr Versprechen abgelegt haben, und noch mehr von der KAJ/M Beeinflußte in Gruppen oder „Zellen“ der Aktivistinnen, vervollständigen das Bild. Eine Zeitschrift „Unser Leben“, die in wenigen Monaten über 10.000 Abonnenten gewinnen konnte, trägt das Gedankengut der KAJ/M in die Masse der jungen Arbeiterinnen.

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