6759123-1968_07_08.jpg
Digital In Arbeit

Stagnation nach stürmischer Entwicklung

Werbung
Werbung
Werbung

Durch den Kontakt: milt französischen und belgischen Jungarbeitern und Arbeiterseelsorgern kam die Idee der KAJ nach Kriegsende auch nach Österreich. Der spätere Zehtralseelsorger der KAJ und heutige Leiter des Wiener Sieel- sorgeamtes, P. Josef Zeininger, begann 1946 gemeinsam mit einigen Jungarbeitern in der Krimpfarre in Wien im Geiste Cardijns zu arbeiten. Aus der einen Gruppe wurden — unter schwierigsten Bedingungen — in den folgenden Jahren mehrere in ganz Wien und in anderen Städten unserer Heimat. Aus der anfangs „Christliche Arbeiterjugend“ benannten Bewegung wurde 1948 — nach dem Beschluß der Bischöfe, das berufsständische Gliederungsprinzip in der katholischen Jugend einzuführen — die Katholische Arbeiterjugend Österreichs, parallel zur Land- und Mittelschuljugend. In späteren Jahren wurde — um den speziellen Interessen und Problemen der 14- bis 17jährigen besser gerecht zu werden — innerhalb der KAJ eine eigene Teilgliederung, die Jung-KAJ, geschaffen. Wie schon eingangs erwähnt, erlebte die KAJ im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens eine stürmische Aufwärtsentwicklung. Nicht, daß es keine Widerstände oder Schwierigkeiten gegeben hätte. Das erste Auftreten in vielen Betrieben, der Zeitungsverkauf auf der Straße usw. waren nicht einfach, und in nicht wenigen Pfarren begegnete man dem Anliegen der KAJ mit Skepsis, wenn nicht gar mit offener Ablehnung. Ausschlaggebend war damals sicherlich die große Begeisterung und Einsatzfreude, die heute — und das ist symptomatisch für die Jugend unserer Tage — eher einer nüchternen, sachlichen und kritisch-prüfenden Haltung gewichen ist; obwohl es gleichzeitig unrichtig wäre, den Jugendlichen jede Begeisterungsfähigkeit von vornherein abzusprechen. Aber die äußeren Gegebenheiten und somit auch die Jugend selbst sind heute eben anders als vor zehn oder fünfzehn Jahren. Daher sind in der praktischen Arbeit der Bewegung angepaßte Methoden, die gleichzeitig das Wesen der KAJ berücksichtigen, unerläßlich. Daß dies nicht immer und überall beachtet wurde, mag mit ein Grund für das mancherorts festzustellende Stagnieren der KAJ- Arbeit sein. Kein Grund jedoch, der KAJ deshalb die Existenzberechtigung streitig zu machen. Hat sie doch seit ihrer Gründung Wesentliches zur Erneuerung und Neuorientierung der Kirche, zur Verbesserung des Verhältnisses Kirche-Arbeiterschaft beigetragen:

• Die Methode der KAJ „Sehen — Urteilen — Handeln“, die Aktivistenrunde usw. wurden von anderen Gliederungen und Organisationen der Katholischen Aktion übernommen.

• Viele Priester kamen mit der Arbeitswelt in Berührung und lernten die Anliegen und Interessen der Arbeiterjugend kennen, einige entschlossen sich bereits für einen Betriebseinsatz.

• Jugendliche aus dem sozialistischen Arbeitermilieu stießen zur KAJ, KAJ-Mitglieder wiederum engagierten sich im gewerkschaftlichen Bereich, im Betriebsapostolat.

• Hatten in der herkömmlichen Katholischen Jugend Jungarbeiter Seltenheitswert, so änderte sich das Bild in vielen Pfarren sehr bald.

• Die Bemühungen, die Kirche von parteipolitischen Einflüssen femzu- halten und sie zu einer aufgeschlosseneren Haltung in sozialen Fragen und in bezug auf die Arbeiterseelsorge zu führen, blieben nicht erfolglos.

Welche Argumente werden nun gegen die KAJ ins Treffen geführt? Zunächst spielt die Milieufrage eine besondere Rolle. Die Landjugend (KU) befürchtet in Anbetracht des Zurückgehens der vorwiegend bäuerlichen Gemeinden, der andauernden Landflucht usw. eine Beeinträchtigung und Beschneidung ihres Aufgabengebietes und plädiert für eine „Katholische Jugend auf dem Lande“. Sie fühlt sich also auch für tausende Pendler und Industriearbeiter in den Landbezirken „zuständig“, obwohl sie in ihrer Arbeitsweise und Zielsetzung keineswegs auf das Arbeiter- bzw. Betriebsapostolat ausgerichtet ist. Die KAJ soll sich in die Städte „zurückziehen“. Dort propagiert man wiederum — wie z. B. in Wien — die Einheitspfarrjugend. Oft keine echte. Alternative, unverbindlich, ohne viel Programm, aber bequemer, zeit- und kräftesparender.

Priester überlastet und skeptisch

Seitens des Klerus gibt es noch immer viele, die der KAJ und ihren Anliegen verständnislos, oftmals sogar mit offener Ablehnung gegenüberstehen. Problematisch wird das jedoch erst, wenn man weiß, daß diese Haltung meist nicht nur der KAJ, sondern der Frage der gesamten Arbeiterseelsorge gegenüber eingenommen wird. Die Ausbildung in den Priesterseminaren ist trotz vereinzelter positiver Ansätze noch immer zu theoretisch. Den meisten Theologen fehlt — von Spätberufenen abgesehen — jede Beziehung zur Arbeitswelt, ihren Erfordernissen und Problemen. In dieser Hinsicht sind die — hoffentlich ausbaufähigen — Betriebseinsätze von Priestern und Theologen ein großer Fortschritt. Anderseits gibt es zahlreiche Kapläne, die wohl hinter der KAJ stehen, jedoch z. B. durch Schulstunden und andere pfarrliche Aufgaben so ausgelastet sind, daß ihnen nur noch ein Minimum an Zeit zur Verfügung bleibt. Diese Gründe sind ebenfalls mitbestimmend, daß in nicht wenigen Pfarren der einfachere Weg einer ungegliederten Pfarrjugend gegangen wird: Man sammelt die — meist von den Ministranten bzw. der Jung- schar kommenden — noch vorhandenen Jugendlichen und bildet eine Gruppe. Vielen Priestern, auch führenden KA-Funktionären in Pfarren und Diözesanstellen, ist die KAJ zu sehr Laienbewegung, zu selbständig, zu „radikal und linksstehend“, zu stark sozialpolitisch engagiert usw.

Konsequenzen für die Zukunft

Eine Organisation oder Bewegung, die erfolgreich in die weitere Zukunft gehen will, wird gut daran tun, von Zeit zu Zeit eine kritische Bestandsaufnahme vorzunehmen und über ihre künftige Arbeitsweise und Zielsetzung beraten. Die KAJ und KAB Österreichs haben anläßlich der vierten Nationalen Priesterstudientagung im August 1967 in Innsbruck damit begonnen. Es wurde dabei der Wunsch nach einer intensiveren Bildung der Laienverantwortlichen, nach stärkerer Mitarbeit der Erwachsenen in der Jugendarbeit und nach größerer Gemeinsamkeit in der Bildung und Aktion mit den mehr als 18jährigen Burschen und Mädchen zum Ausdruck gebracht. Daneben bleiben ferner die Intensivierung des Betriebsapostolates und deren Zusammenarbeit untereinander von brennender Aktualität. Daß bei dieser Tagung, deren Bedeutung die Anwesenheit des Apostolischen Nuntius in Österreich und namhafter Referenten unterstrich, allgemein die Notwendigkeit einer eigenständigen Bewegung für junge Arbeiter betont wurde, sollte für die KAJ nicht nur Genugtuung, sondern vielmehr Ansporn für vermehrte Anstrengung sein.

Die Katholische Arbeiterjugend und Katholische Arbeiterbewegung sind sicherlich nicht „überholt“. Sie haben ihre besondere Aufgabe und Sendung innerhalb der Kirche. Sie sind, wie es Josef Cardijn sagte, in ihrem Wesen spezialisierte Katholische Aktion, Laienapostel in der Welt der Arbeit, Kirche in der Arbeiterjugend und Arbeiterschaft. Cardijn hat ein reiches Erbe hinterlassen. Viele Pläne warten auf Ausführung, Millionen auf der ganzen Welt sind zur Aktion aufgerufen. Beim KAJ-Kongreß der 30.000 in Essen (Ruhrgebiet), gab Kardinal Cardijn nochmals sein Vermächtnis an die KAJ von heute und morgen kund: „Heute müssen wir uns unserer weltweiten Sendung wieder bewußt werden; heute müssen wir sie auch vertiefen. Millionen junger Menschen, Burschen und Mädchen, stecken jeden Tag tief im Arbeitsmilieu. Da entscheiden sie nicht nur über ihre Zukunft, sondern auch über die Zukunft der Welt. Die Jugend von heute wird für unsere Welt das Werkzeug sein, entweder zur Vernichtung oder zum Aufbau einer allseitigen Wohlfahrt. Dafür müssen überall, in allen Städten und Pfarrgemeinden, in allen Arbeitsstätten und Fabriken, die jungen Arbeitnehmer und Arbeitnehmer innen sich vereinigen, um zusammen ihre eigenen Möglichkeiten und die Weltfragen zu studieren und einstimmig zu lösen. Eine Weltsolidari- tät ist nicht möglich, wenn wir nicht in Freundschaft miteinander, mit unserem Nachbarn, mit den Gastarbeitern in der Fabrik oder den Bürokollegen, Zusammenleben. Die Weltfragen werden nicht gelöst werden, wenn nicht jedermann, nicht jeder junge Mensch sich einsetzt. Nicht jeder für sich, sondern alle zusammen in einer großen Bewe-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung