Ein Sportidol im Brennpunkt der Politik

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Nationalität und Emotionalität - die beiden für sich noch harmlosen Elemente ergeben im Sport ein Gemisch, an dem sich Einzelne wie Massen berauschen. Für Österreich gilt dies - naheliegend - für den Skisport, der Siege und Umsätze ins Land bringt. Zeitgerecht zur Alpinen Skiweltmeisterschaft in Garmisch-Partenkirchen 2011 (7. bis 20. Februar) hat der Sportjournalist Florian Madl das Buch "Karl Schranz - vom Sportidol zum Netzwerker“ vorgelegt. Sachlich und distanziert werden Lebensweg und Lebensleistung der Skilegende dargestellt. Wie er Spielball der Sportpolitik wurde, wie ihn die Politik nutzte, wie er schließlich für Skibewerbe politische Fäden zog. Auszüge zeigen die Aktualität mancher Problematik. (red)

Karl Schranz bleibt eine Ausnahmeerscheinung. In mancherlei Hinsicht, etwa in der Selbstbezogenheit, werden er und Hermann Maier miteinander verglichen. Schranz ebnete den Sportlern den Weg vom Amateur zum Profi. Florian Madl beginnt sein Buch mit einer Charakteristik von Karl Schranz und mit den Anfängen seiner Laufbahn im Kapitel "Der einsame Wolf vom Arlberg“:

… Im sportlichen Scheuklappendenken des Arlbergers hatte vorerst kein Lebenspartner Platz, das weiß auch seine spätere Frau Evelyn: "Man hätte ihn damals nicht als Partner haben können. Er lebte nach dem Motto: Augen zu und durch, da gab es kein Links und kein Rechts. An seiner Seite hätte das wohl niemand geschafft.“ Schranz selbst wusste das: "Eine Freundin würde mich nur ablenken. Nach meiner Karriere habe ich noch genug Zeit, mich um Frauen zu kümmern.“ Eine tiefe Verbindung schien er gar nicht erst zuzulassen: "Wenn du heiratest, riskierst du nicht mehr so viel. Du weißt schließlich, dass Frau und Kind auf dich warten.“ Und Angst wollte Schranz keine kennen, eine plagte ihn ohnehin jedes Mal aufs Neue: "Wenn du Angst hast, brauchst du gar nicht fahren. Ich hatte nur Angst, dass ich nicht gewinne.“ …

… Raum gab es in seinem Sportlerleben offensichtlich nur für einen, dessen Gutmütigkeit im Alltag den Pisteneremiten Schranz ertrug, sich mit diesem vielleicht gar ergänzte. Einer wie der Kitzbüheler Hias Leitner, der von sich behauptet: "Mit mir konnte er nicht streiten, der Karl, weil ich nicht streiten konnte. An mir prallte alles ab.“ …

Von seinem Zimmerkollegen konnte Leitner viel lernen. Die akribische Vorbereitung, das Brillenputzen am Abend vor dem Rennen etwa. Oder das Einzeltraining. "Schon zu Schulzeiten stand ich morgens häufig eine Stunde früher auf, um ins Verwalltal zu laufen (locker), oder an den St. Antoner Skipisten entlang hoch zu sprinten (so schnell und so weit es nur irgendwie ging). Es war mehr als nur ein Wollen. Skirennfahrer werden, das war für mich eine Berufung“, gestand Schranz in seiner Autobiografie. … Und Leitner bestätigte: "Wenn Schranz sagte: Jetzt gehen wir trainieren!, dann gingen wir trainieren.“ Der erhob die harte Arbeit zu seiner Philosophie: "Training, Training, noch mal Training - sollte zum Geheimnis meiner Erfolge werden.“ Er wollte "mehr, härter und effektiver“ als seine Konkurrenten trainieren, aber auch unter Einbeziehung moderner Hilfsmittel und Ausrüstungsgegenstände. …

… Es gab Sommertage, da lief Schranz zwei Mal auf den Sattelkopf, seinen Hausberg in St. Anton. Manchmal mit Bleiweste, manchmal ohne. Im Keller war die Kraft- vulgo Folterkammer, auch ihr widmete er sich für diese Zeit unüblich und vor allem oft. Bestätigen kann das auch Hias Leitner: "Er trainierte am härtesten, auch wenn er allein zuhause war.“ …

… Im Winter hatte Schranz seine eigenen Methoden, denn da hatte er Gegner. Da legte er die Karten nicht auf den Tisch, er bluffte wie ein Pokerspieler: "Er fuhr in den Trainingsläufen vor dem Rennen immer eine andere Linie, damit ihn die anderen nicht kopieren konnten“, lächelte Olga Pall in Erinnerung an den ehemaligen Teamkollegen. … Schranz, der Eigenbrötler. Eine Rolle, die er als Berufsprofil anerkannt wissen will: "Ich war ein Einzelsportler und ein Egoist. Wenn ein Einzelsportler kein Egoist ist, kann er sich die Plätze 15 bis 40 aussuchen. Bei uns war nichts anderes möglich als Skirennen zu fahren und meine Zielsetzung war die gleiche wie die aller jungen Leute in St. Anton.“ …

… Im Spiegel wird Schranz einmal zitiert: "Für den Erfolg ist individuelles Training erforderlich.“ Was er in den 60er-Jahren noch geheim betrieben hätte, gehöre jetzt zunehmend zum guten Ton der Stars. Schranz: "Das Abspalten von der Gruppe ist die Zukunft.“

Die Schmach von Sapporo 1972

… Es heißt, der Blick von Karl Schranz sei an diesem Montagvormittag des 31. Jänner 1972 leer gewesen. Und die olympische Trainingsfahrt zuvor in Sapporo hätte sich der Tiroler angesichts der ihm überbrachten Nachricht auch sparen können: Ausschluss, Disqualifikation. Die Winterspiele, seine vierten und letzten, sollten ohne den 33-Jährigen stattfinden. Die Felle waren ihm in Sapporo, was übersetzt so viel wie "großer Fluss“ heißt, davongeschwommen. Etwas, das lange schwelte, beschwor eine Götterdämmerung herauf: Aufgrund "der Tätigkeit und des Einflusses, den Karl Schranz auf den alpinen Skisport nahm“, sowie die "Art und Weise, mit der er seinen Namen und seine Photographie zu Reklamezwecken verwendete“, beschloss die Generalversammlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) seinen Ausschluss. 28 votierten dafür, 14 dagegen. Kaffee-Werbung im Zuge eines Prominenten-Fußballspiels (im Sommer zuvor; Anm.) eignete sich als Dolch, den der IOC-Präsident angesetzt hatte. Schranz, weil Österreicher und damit diplomatisch weniger problematisch als vier Jahre zuvor Frankreich, bot sich als scheinbar gefahrloser Kompromiss an. In Grenoble (1968) ging das Internationale Olympische Komitee vor Staatspräsident Charles de Gaulle bekanntlich noch in die Knie. Schranz war sich Jahre später dessen bewusst: "Da ging es nicht um mich alleine. Einen Franzosen, Deutschen oder Amerikaner hätten sie in Sapporo nicht ausgeschlossen. Aber mit dem kleinen Österreich ging das. Es war eine Beleidigung der Österreicher.“ …

… Während Schranz um Ruhe bemüht war, gingen anderswo die Wogen hoch. Die Weltnachrichten setzten ihn an die Spitze. Und die Mittagsausgabe des Wiener Kurier vom 31. 1. 1972 kam oft nicht einmal in die Trafiken, sie wurde den Angestellten förmlich aus den Händen gerissen; die Schlagzeile lautete: "Schranz mit 28 zu 14 Stimmen ausgeschlossen - Österreich kämpft weiter“.

Jubel in Wien bei der Heimkehr

… ORF-Generalintendant Gerd Bacher folgte dem Ersuchen (um einen Anruf bei Bundeskanzler Bruno Kreisky, Anm.) gegen Mitternacht, der Kanzler kam schnell zur Sache: "Herr ORF-General, lassen Sie sich etwas einfallen, damit wir Schranz bei seiner Rückkehr aus Japan würdig in Wien empfangen können!“ Bacher fragte: "Wie meinen Sie das?“ Kreisky fuhr fort: "Das, was mit Schranz passiert ist, können wir nicht auf uns sitzen lassen.“ …

… Zunächst trat Schranz allein auf den Balkon des Kanzleramts vor die Menge, irgendwann begleitete ihn Kreisky. "Sekunden lang hörten die beiden den, Kreisky‘- und, Karli‘-Rufen zu.“ … Als der Regierungschef Tage später meinte, es sei ihm an jenem 8. Februar angesichts des Menschenauflaufs "kalt über den Rücken gelaufen“, da konnte Bacher nicht anders als zu sagen: "Davon hab ich nichts gemerkt, als Sie mich um die Organisation gebeten hatten.“ …

Karl Schranz

Vom Sportidol zum Netzwerker Eine Biografie.Von Florian Madl.

Styria Regional / Tirol 2011

208 Seiten, gebunden, e 24,95

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