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Südtirol wird aufgefüllt

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In diesen Tagen, da wieder eine Abwanderungswelle aus der Zone B von Triest stattfindet, mag es nicht uninteressant sein, Zahlen aus verläßlicher Quelle über die Zuwanderung in die Provinz Bozen, insbeson* dere die Stadt Bozen, zu hören.

Die Bevölkerungsdichte der Provinz Bozen hat trotz der erheblichen Bevölkerungsverluste durch die seinerzeitige Abwanderung — in der Provinz Bozen waren es rund 40.000 — in'ungewöhnlichem Maße zugenommen. Die ansässige Bevölkerung in der Provinz Bozen betrug am 21. April 1936 laut Statistik der vorletzten Volkszählung 298.290 Personen und am 8. November 1951 laut Statistik der letzten Volkszählung 330.934 Personen, also um 35.644 Personen mehr als 1936, obwohl rund 40.000 Personen abwanderten. Die Bevölkerungszunahme beträgt in der Provinz Bozen rund 12 Prozent.

Demgegenüber ist die Bevölkerungszunahme der Provinz Trient fast um die Hälfte geringer. In der Provinz Trient waren am 21. April 1936 370.739 und am 5. November 1951 394.625 Personen ansässig, was einem Bevölkerungszuwachs von nur 6,4 Prozent gleichkommt.

Trotz der Abwanderung hat somit die Provinz Bozen eine Bevölkerungszunahme zu vermerken, die ungefähr doppelt so hoch ist wie die der Nachbarprovinz Trient in der gleichen Zeit. Besonders die Stadtgemeinde Bozen, die seinerzeit einen ungewöhnlich hohen Anteil an Abwanderern verzeichnete (ungefähr 10.000), weist trotzdem eine ungeheure Bevölkerungszunahme auf, die zum allergrößten Teil durch Zuwanderung aus den alten Provinzen zu erklären ist. Wäre diese Zuwanderung aus den alten Provinzen nicht so hoch gewesen, so stünden für die Rückwanderung, die ja im seinerzeitigen Abkommen Gruber-Degasperi vom September 1946 ausdrücklich genehmigt und durch das sogenannte Optantendekret vom 2. Februar 1948 auch praktisch geregelt ist, ungleich mehr Wohnungen und Arbeitsstellen zur Verfügung, die nun durch die Zuwanderer blockiert sind.

Die Bevölkerung der Gemeinde Bozen wuchs trotz einer Abwanderung von über 10.000 Personen seit 1936 von 45.505'auf 70.091 Personen, was eine Zunahme von 24.586 Personen oder 54Prozent bedeutet. Die durchschnittliche Bevölkerungszunahme der italienischen Gemeinden von der Größe Bozens, also von 50.000 bis 100.000 Einwohnern, beträgt im selben Zeitraum dagegen nur 19,2 Prozent.

Diese Daten beweisen, daß die Zuwanderung in die Provinz Bozen politisch geleitet wird.

Die Stadtgemeinde Trient, die faktisch keine Abwanderung in dieser Zeit verzeichnet, weist eine Erhöhung der Einwohnerzahl von 56.017 im Jahre 1936 auf 62.128 im Jahre 1951 auf, also um 6111 Personen oder 10,9 Prozent.

Dementsprechend ist auch die Wohnungs-iage in der Provinz Bozen schwierig. Am 5. November 1951 wohnten in der Provinz Bozen in 69.470 Wohnungen 74.636 Familien; 5166 Familien haben keine eigene Wohnung; zu diesen Familien, die ohne Wohnung sind, zählen noch 2407 Familien, die in der Provinz Bozen in Notunterkünften (Baracken, Grotten, Erdhöhlen usw.) wohnen, so daß sich ein Mangel von 7573 Wohnungen ergibt. In der Provinz Trient hingegen wohnten am selben Stichtag 99.198 Familien in 95.448 Wohnungen; somit besaßen in der Provinz Trient 3750 Familien keine eigene Wohnung. Wenn man noch die 459 Familien dazurechnet, die in Notwohnungen untergebracht sind, so ergibt sich für die Provinz Trient (die bedeutend größer ist) ein Mangel an 4209 Wohnungen. In der Provinz Bozen hausen 3,22 Prozent der Familien in Notwohnungen, während in der Provinz Trient lediglich 0,45 Prozent in Notwohnungen untergebracht sind.

Noch größer tritt die Wohnungsnot zutage, wenn man die beiden S t ä d t % Bozen und Trient vergleicht. In der Stadt Bozen wohnten am 5. November 1951 in 14.711 Wohnungen 17.745 Familien, was einen Ueberfüllungsquotienten je Wohnraum von 1,4 Personen ergibt; 1761 Familien sind in der Stadt Bozen allein in Notwohnungen untergebracht, das sind 73 Prozent aller Notwohnungen der Provinz. Für die Gemeinde Bozen ergibt sich somit ein Bedarf von 4795 Wohnungen.

In der Stadt Trient wohnten am 5. November 1951 in 14.743 Wohnungen 16.007 Familien, sohin mit einem Ueberfüllungsquotienten je Wohnraum von 1,2 Personen. Außerdem wohnten noch 148 Familien in Notwohnungen. Es ergibt sich daher für die Stadtgemeinde Trient ein Mangel von 1412 Wohnungen, um 3383 Wohnungen weniger als in Bozen.

Diese Zahlen beruhen auf den vom Statistischen Zentralamt in Rom auf Grund der Volkszählung vom 5. Jänner 1951 herausgegebenen Daten und sind ein Beweis dafür, daß eine gerechte Verteilung der Zuwanderung praktisch bis heute noch nicht durchgeführt wurde. Laut statistischen Daten sind rund 9000 Südtiroler bis heute legal, das heißt im Wege der Rücksiedlung, in die Provinz Bozen rückgewandert, die lediglich einen kleinen Prozentsatz des Bevölkerungszuwachses der Provinz Bozen ausmachen, während der größte Teil des Bevölkerungszuwachses aus den alten Provinzen stammt. Daß unter diesen Umständen die Rückwanderung der Südtiroler praktisch sehr leidet und technisch langsam unmöglich wird, ist klar. E.s sei anerkannt, daß die italienische Regierung immerhin der Region Bozen-Trient bis heute ungefähr 440 M'Mio-nen Lire zur Schaffung von Wohnungen und Herrichtung von Unterkünften, sowie Erbauung eigener Rückwandererheime gegeben hat. Wenn man aber hört, daß für den Bau von Volkswohnhäusern, die fast ausschließlich mit Italienern besiedelt werden, jährlich Milliarden zur Verfügung gestellt werden, so bedeutet diese halbe Milliarde, die für die Rückwanderer aufgewendet wird, nur einen Tropfen auf den heißen Stein.

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