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Die Region Trentino-Südtirol

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Im seinerzeitigen Abkommen Dr. Gruber-Degasperi vom September 1946, das ein Bestandteil des italienischen Friedensvertrages ist, wurde den Südtirolern ausdrücklich die Autonomie zuerkannt.

Diese Autonomie ist den Südtirolern nicht gewährt worden; statt dessen wurde mit Gesetz vom 26. Februar 1948, Nr. 5, ein „Sonderstatut für Trentino und Südtirol“ erlassen, das die beiden Provinzen Bozen und Trient in eine zusammenschließt und so von vornherein eine italienische Zweidrittelmehrheit sichert.

Laut Tätigkeitsbericht der Region Süd-tirol-Trentino von den Jahren 1949 bis 1952 leben in der Region, d. h. in den zwei Provinzen Trient und Bozen, heute ungefähr 500.000 Italiener, 210.000 Deutsche und 17.000 Ladiner. Damit ist die Richtlinie gegeben ... In der Provinz Bozen leben (laut amtlichem Tätigkeitsbericht der Region) nur etwa 115.0QO Italiener, hingegen aber über 200.000 Deutsche und 17.000 Ladiner. Durch die Schaffung der Region wurde daher das italienische Uebergewicht von Anfang an sichergestellt und im Statut der Regionalautonomie verankert. Tatsächlich besteht auch der Regionalrat aus 33 Italienern und 13 deutschen Mitgliedern.

Es ist nicht uninteressant, die Aufgaben der gemeinsamen Verwaltung, das ist die Regionalverwaltung, und die Aufgaben der einzelnen Provinzen zu untersuchen.

Laut Artikel 4 des Regionalstatuts fallen in die Kompetenz der Region folgende Befugnisse: 1. Organisation der Regionalämter und des Personals, 2. Ordnung der halbregionalen Körperschaften, 3. Gemeindegrenzen, 4. Enteignung im öffentlichen Interesse, jedoch nicht hinsichtlich von Werken zu Lasten des Staates, 5. Verkehrswege, Wasserleitungen und öffentliche Arbeiten von regionalem Interesse, 6. Bergwerke mit Einschluß der Mineral- und Thermalgewässer, Steinbrüche und Torfstiche, 7. Anlage und Führung der Grundbücher, 8. Feuerwehren, 9. Landwirtschaft, Forstwesen und Försterpersonal, Vieh- und Fischbestände, Pflanzenschutzstelle, landwirtschaft; liehe Hauptgenossenschaften, Untersuchungsanstalten und landwirtschaftliche Versuchsanstalten, 10. Almwirtschaft, Pflanzen- und Tierschutzparks, 11. Jagd und Fischerei, 12. Sanitäts- und Spitalsbetreuung, 13. Ordnung der Handelskammern, 14. Verkehr und Transporte von regionalem Interesse, 15. Entwicklung des Genossenschaftswesens und Aufsicht über die Genossenschaften, 16. Meli-orisierungsbeiträge in bezug auf öffentliche Arbeiten, die von der Region sowie von änderen öffentlichen Körperschaften innerhalb des Gebietes der Region durchgeführt werden, 17. Fremdenverkehr und Hotelindustrie.

Außerdem erläßt die Region für die untenstehenden Sachgebiete Gesetzesbestimmungen im Rahmen der von den Staatsgesetzen festgelegten Grenzen unter dem Vorbehalt, daß diese nicht im Gegensatz zum Interesse der Nation stehen dürfen: 1. Gemeinde- und Pro-vinzialordnung, 2. öffentliche Unterstützungsund Wohlfahrtseinrichtungen, 3. Hebung der gewerblichen Erzeugung und der Handelstätigkeit, 4. Ordnung der Anstalten für Bodenkredit, Agrarkredit, Sparkassen, Raiff-eisenkassen und regionale Kreditanstalten,

5. Benützung der öffentlichen Gewässer,

6. direkte Uebernahme von Diensten im öffentlichen Interesse und deren Führung durch Sonderanstalten, 7. Wasserbauten der 4. und 5. Kategorie und 8. Meliorisierungs-arbeiten.

Die Provinzen selbst haben die Befugnis, Gesetzesbestimmungen zu erlassen über: 1. Ordnung der Provinzialämter und des dazugehörigen Personals, 2. Fortbildungsund Bürgerschulwesen, Fachschulen für Landwirtschaft, Handel und Industrie, 3. Toponomastik (Ortsnamen), wobei für das Gebiet der Provinz Bozen die Verpflichtung der Dappel-sprachigkeit aufrecht bleibt, 4. örtliche Sitten und Gebräuche sowie kulturelle Einrichtungen (Bibliotheken, Akademien, Institute, Museen) mit Provinzcharakter, 5. örtliche Künstlerische Veranstaltungen, 6. StädtebauOrdnung und Regulierungspläne, 7. Landschaftsschutz, 8. Gemeindenutzungsrecht, 9. Festsetzung der Teilbarkeitsgrenze für landwirtschaftliche Grundstücke sowie Regelung der „geschlossenen Höfe“ nach dem Tiroler Höferecht, das in das für die Region übernommene Grundbuchgesetz eingebaut wurde, sowie Regelung von Familicngcmeinschaften, die auf alten Satzungen und Gewohnheiten beruhen, 10. Handwerk, 11. Volks Wohnhäuser, 12. Seehäfen (wieso die Provinzen Bozen und Trient zu Seehäfen kommen, ist allerdings nicht aus dem Gesetz zu ersehen), 13. Messen und Märkte, 14. erste Hilfeleistung bei öffentlichen Unglücksfällen.

Man ersieht allein schon aus dieser Zweiteilung der Kompetenzen die Absicht, der italienischen Bevölkerung ein eindeutiges Uebergewicht zu geben. Anzuerkennen ist, daß sich die Regionalbehörden im allgemeinen von dem Kampfe, der derzeit die Oeflentlich-keit bewegt, fernhalten und die Regional-und Provinzangelegenheiten in gemeinsamem Einvernehmen besorgen.

Wenn es trotzdem nicht gelungen ist, die Oeffentlichkeit davon zu überzeugen, daß die Einrichtung der Region an sich bei sachlicher Handhabung der Gesetze vorteilhaft wäre, so deswegen, weil die Praxis in vieler Hinsicht nicht auf dem Boden der Gesetzgebung geblieben ist. Die Behandlung der Invaliden und Rentner sowie der Kriegerwitwen von Südtirolern, die in der Deutschen Wehrmacht dienen mußten, läßt heute noch auf sich warten, obwohl den Betreffenden mehrmals, unter anderem auch von dem derzeitigen Ministerpräsidenten Pella, eine baldige Erledigung zugesagt wurde. Seinerzeit wurde von der italienischen Regierung festgelegt, daß sowohl die Südtiroler als auch die Italiener, die unter der italienischen Republik von Salo (Mussolini-Regierung) Dienst taten, von allen Renten und Pensionen ausgeschaltet sein sollen. Diese Stellungnahme der italienischen Regierung wurde inzwischen dahingehend revidiert, daß die Italiener der einstigen Republik Salo ihre Pensionen erhalten haben, während die Südtiroler bisher leer ausgingen.

Ausdrücklich wurde mehrmals betont, daß auch die Südtiroler, die mehr oder weniger zur Deutschen Wehrmacht gepreßt wurden, Anspruch auf Pension haben. Die Praxis sieht anders aus: bis jetzt ist diese Regelung zum allergrößten Teil nicht durchgeführt worden.

Um aber zur Tätigkeit der Region zurückzukommen, so seien (stets auf der Grundlage des offiziellen Tätigkeitsberichtes der Region für die Jahre von 1949 bis 1952) einige für die Allgemeinheit interessante Daten angeführt:

Für Beratung, Aufklärung und Berufsausbildung wurden im Jahre 1951 folgende Beträge ausgegeben:

In der Provinz Trient vom Staate 2,500.000 Lire, von der Region 2 Millionen, in der Provinz Bozen vom Staate 600.000 Lire, von der Region 1,450.000. Für Berufsausbildung wurden aufgewendet im Jahre 1952 für die Provinz Trient vom Landwirtschaftsministerium 2,090.000, von der Region zwei Millionen, für die Provinz Bozen vom Landwirtschaftsministerium 2,248.500, von der Region 2 Millionen, für landwirtschaftliche Versuchsfelder für Futtermittel für die Provinz Trient vom Land- und Forstwirtschaftsministerium 400.000 Lire, von der Region 3,643.000 Lire, für die Provinz Bozen vom Land- und Forstwirtschaftsministerium 200.000 und von der Region 4,500.000 Lire.

Beträge für Arbeiten in der Landwirtschaft (Bildung von Genossenschaften unter Kleingrundbesitzern, Wiederinstandsetzung kriegsbeschädigter Grundstücke, Festigung der Abhänge in Gebieten mit rutschigem und bröckligem Boden, Bau von Terrassen und Mauerwerk, Bebauung von brachliegenden Grundstücken und Neuanlagen von Reben und Obstbäumen) wurden ausgegeben im Jahre 1951 für die Provinz Trient 61,700.000, für die Provinz Bozen 40,433.861, Kriegsschäden für die Provinz Trient 8,334.569, Provinz Bozen 21,360.622 (gegen Kollaudierung von 51,279.841), Bewässerung: Provinz Trient 18,100.049, Provinz Bozen 11,903.582, landwirtschaftliche Bauten: Provinz Trient 12,222.770, Provinz Bozen 47.031.452 (gegen 210,027.401 kollau-dierte Werke).

Aufschlußreich ist auch die Bewegung im Waldbestand. Die dem Staate gehörigen Forste in der ganzen Region betragen 11.471 ha, aus denen bis 31. Dezember 1951 74.659 Kubikmeter Holz entnommen wurden. Die Nettoeinnahmen aus den Staatsforsten allein betrugen im Jahre 1951 rund 345 Millionen Lire. Insgesamt hat die Provinz Bozen einen Waldbestand von 297.451 ha, die Provinz Trient von 296.661 ha, insgesamt also 594.012 ha. An Almen hat die Provinz Trient 700 mit einem Gesamtausmaß von 119.000 ha, während die Provinz Bozen 684 Almen mit 160.000 ha besitzt, also insgesamt 1384 Almen mit 350.000 ha.

Ein bezeichnendes Ergebnis zeigt die Aufstellung über Straßenbauten in der Region: Im Jahre 1948 waren insgesamt in der Region 608 km Provinzstraßen, davon 489km inderProvinzTrientund 120 km in der Provinz Bozen, 2166 km Landesstraßen, davon 1 7 8 6 km in der Provinz Trientund 380km in der Provinz Bozen, 242.660 km noch zu klassifizierende Straßen, davon 156.680 (!) in der Provinz Trient und nur 86.080 km in der Provinz Bozen, 254.330 km ehemalige Militärstraßen, davon 204.330 km in der Provinz Trient und 150.000 km in der Provinz Bozen.

Trinkwasserleitungen gab es insgesamt in der Region 563, davon 492 m der Provinz Trient und 71 in der Provinz Bozen.

Unter das Kapitel öffentliche Bauten fallen auch die Schulgebäude. Insgesamt wurden 115 neue Schulgebäude in der Provinz Trient und 40 in der Provinz Bozen errichtet, weitere 100 Schulhäuser wurden in der Provinz Trient und 50 in der Provinz Bozen wiederhergestellt.

Aus diesen amtlichen statistischen Daten ergibt sich der klare italienische Vorteil für die Region, da durchschnittlich für die Provinz Trient immer mehr ausgeworfen ist als für die Provinz Bozen, was selbstverständlich bei einer Autonomie der Provinz Bozen nicht möglich wäre. Aehnlich ist die Lage auf dem Gebiet der Wohnsiedlung und des Arbeitsmarktes.

Es ist daher unzutreffend, wenn offizielle römische Stellen erklären, daß es kein Problem Südtirol gebe, da „die deutschsprachige Bevölkerung Südtirols sich aller Garantien erfreue, die sich irgendeine Minderheit nur wünschen könne“.

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