Woran das Gesundheitswesen krankt

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Auf dem Land wird die Versorgung als Erstes zusammenbrechen, wenn der derzeitige Trend anhält“, ist Armin Fidler, strategischer Berater für Gesundheitspolitik bei der Weltbank, überzeugt. Geht es nach vielen internationalen Experten, so kommt es früher oder später zum finanziellen Kollaps der Gesundheitssysteme in der westlichen Welt. Auch Peter Boyle, Präsident des International Prevention Research Institute in Lyon, befürchtet, dass der gegenwärtige hohe Standard nicht aufrecht erhalten werden könne. Doch nicht jeder teilt diese Befürchtungen. "Es heißt immer, das Gesundheitssystem sei nicht mehr finanzierbar. Aber es ist genügend Geld da - nur wird es nicht richtig eingesetzt“, bekräftigt Günther Leiner, Präsident und Gründer des European Health Forum Gastein (EHFG).

Unnötige Behandlungen und der unnötige Einsatz aufwändiger diagnostischer Verfahren reißen gewaltige Löcher in die Gesundheitsbudgets. Bei Rückenschmerzen zum Beispiel, weiß Leiner, werde zu früh und zu viel operiert und auch zu häufig eine teure Computertomografie oder Magnetresonanztomografie angeordnet. "Falsche finanzielle Anreize, ein Ausreizen der Abrechnungssysteme, aber auch Anspruchsdenken der Patienten machen das Gesundheitswesen krank“, erklärt Leiner: "Das ist wie ein Virus im System.“ Auch die Sorge vor Klagen spielt eine immer größere Rolle. In den USA gehen bereits rund ein Drittel der Gesundheitsausgaben auf "defensive Medizin“ zurück, also auf Diagnostik und Therapie, die in erster Linie dem Schutz vor Klagen und nicht dem medizinischen Nutzen dient.

Kritik an Kampagnen und totaler Sorge

Speziell in Österreich stelle der Föderalismus ein Problem im Gesundheitswesen dar, kritisiert Leiner. Einige Bundesländer betreiben aus arbeitsmarktpolitischen oder infrastrukturpolitischen Gründen mehr Krankenhäuser als medizinisch notwendig. "Man muss sich überlegen, ob man nicht kleinere Krankenhäuser oder einzelne Stationen schließt“, fordert Leiner. Dies sei durchaus im Sinne der Patienten, betont er: "Kleine Krankenhäuser können mangels Routine oft nicht die notwendige Qualität in der Behandlung bieten, zum Beispiel wenn dort nur dreimal im Jahr eine Lungenoperation durchgeführt wird.“

Indirekt kritisiert Leiner auch, dass zu viel Geld in diverse Initiativen und Kampagnen fließe: "Ständig werden Gesetze und alle möglichen Hilfsmaßnahmen gefordert. Aber wir sind freie Menschen und tragen Verantwortung. Der Staat oder die EU muss sich nicht um seine Bürger kümmern, als ob sie Babys wären.“ Dafür gab es - höchst unüblich - Applaus bei einer Pressekonferenz. Offenbar hat da jemand etwas ausgesprochen, was insgeheim viele denken. (M. K.)

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