Teure Gesundheit im Alter?

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Beim Symposium "Gesundes Altern in Europa" diskutierten Experten, ob das Gesundheitswesen künftig noch leistbar sei. Die klare Forderung: gesünder leben.

Eine Dame im Publikum machte ihrer Entrüstung Luft: Sie arbeite in einem Krankenhaus in England, sagte sie, in dem mehr Leute für Verwaltungsangelegenheiten angestellt seien als Ärzte und Pflegepersonal zusammen. Dass bei so viel Bürokratie das Gesundheitssystem nicht mehr lange leistbar ist, sei wohl kein Wunder.

Bei dem internationalen Symposium "Gesundes Altern in Europa", das im Rahmen der österreichischen eu-Präsidentschaft vom European Healthy Ageing Advocacy Forum veranstaltet wurde, ging es neben den Faktoren für Gesundheit im Alter auch darum, ob die europäischen Gesundheitssysteme das Älterwerden der Bevölkerung tragen können oder nicht. Schließlich werden bereits in vier Jahren in Europa mehr 55-bis 64-Jährige leben als 15-bis 24-Jährige. Die Zahl der Über-60-Jährigen wird bis zum Jahr 2030 um fast 40 Prozent steigen. In Österreich werden 2035 rund 30 Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre alt sein. Und während es derzeit 400.000 Menschen zwischen 75 und 85 Jahren gibt, werden es bis 2035 eine Million sein.

Nicht weniger Krankheiten

Auf dem Symposium warnte jedoch der Gesundheitsökonom Claude LePen von der Universität Paris Dauphine davor, allein das Älterwerden der Bevölkerung für die steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen verantwortlich zu machen. Schließlich brauche ein gesunder älterer Mensch ebenso wenige medizinische Leistungen wie ein gesunder jüngerer. Auffallend sei jedoch, dass "die Leute des gleichen Alters heute deutlich mehr Behandlungen als noch 1970 erhalten." Man dürfe dabei aber nicht glauben, dass es dank des medizinischen Fortschritts weniger Krankheiten gebe. "Es werden nur früher tödliche Krankheiten geheilt und durch chronische Krankheiten ersetzt." Und deren Behandlungen sei eben teuer.

Dazu kommt, dass medizinischen Leistungen teilweise extrem ineffizient sind. Günther Leiner, Präsident des Europäischen Gesundheitsforums Gastein (siehe Interview), schätzt diesen Anteil je nach Fachrichtung auf 20 bis 80 Prozent. Auch neue Behandlungsmethoden, die auf den ersten Blick kostengünstiger sind als ältere, brächten oft eine weitere Kostensteigerung, erklärt er und verdeutlicht diese Aussage am Beispiel koronarer Herzkrankheiten: Der traditionelle Eingriff, eine Bypass-Operation, koste 15.000 Euro. Die Erweiterung der Herzkranzgefäße mit Hilfe eines Ballonkatheders sei um 11.700 Euro günstiger. Seit Einführung dieser Methode sei es jedoch zu keinem Kostenrückgang gekommen, sondern zu einer massiven Ausweitung der Operationen - und damit insgesamt zu einer Verteuerung.

Im Rahmen des Symposiums wurde mehrfach betont, dass die Menschen selbst den bedeutendsten Beitrag zur Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems leisten können und müssen: Selbstverantwortung und gesunde Lebensweise seien unverzichtbar, mahnten etwa Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (övp) und Sozialministerin Ursula Haubner (bzö). Ihre Forderung wird durch die "Hale-Studie" der EU mit mehr als 2000 Probanden im Alter von 70 bis 90 Jahren unterstützt. Sie zeigt, dass gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung, der Verzicht auf Nikotin und nur mäßiger Alkoholkonsum das Risiko koronaren Herzkrankheiten, Gefäßkrankheiten und Krebs um jeweils mehr als 60 Prozent gegenüber der Vergleichsgruppe ohne gesunden Lebensstil verringert.

Ernährungswissenschafterin Lisette de Groot von der niederländischen Wageningen Universität, die die Ergebnisse der Studie vorstellte, betonte, es gebe zudem deutliche Hinweise darauf, "dass durch diese relativ einfachen und kostengünstigen Maßnahmen auch Behinderung und Pflegebedürftigkeit im Alter auf eine relativ kurze Phase vor dem Tod hinausgeschoben werden kann".

Österreichs Weg: Prävention

Was - abgesehen von der Lebensqualität der Betroffenen - wiederum unverzichtbar ist für das künftige Gesundheitssystem: Derzeit werden 80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in der Familie gepflegt. Durch die steigende Lebenserwartung bei geringer Geburtenrate "wird sich das Potenzial dafür auf die Hälfte verringern", prognostiziert Rauch-Kallat. "Eine gute Gesundheitspolitik muss daher alles tun, um die Selbstbefähigung zu verlängern." Mit insgesamt fünf Gesundheitspässen sollen daher künftig alle Altersgruppen vom Säugling (im Mutter-Kind-Pass) bis zum Senioren (im Gesundheitspass 60+) zu regelmäßiger Vorsorgeuntersuchung und gesundem Leben animiert werden (Bestellung der kostenlose Gesundheitspässe unter broschuerenservice.bmgf@bmgf.gv.at). Dazu kommt Rauch-Kallats "Kampf gegen den inneren Schweinehund", von dem sie sich mittels Fernsehwerbung und Internetauftritt ( www.isch.at) eine aktivere, gesündere Bevölkerung erhofft.

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