"Der Mann mit dem Rubel" sitzt in U-Haft

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Die spektakuläre Verhaftung des russischen Milliardärs Michail Chodorkowski hat an der Moskauer Börse einen Kurssturz ausgelöst. Nicht nur die Aktie von Chodorkowskis Firma Jukos, dem größten ÖlUnternehmen des Landes, sondern auch der Aktienindex RTS brachen ein. Analysten fürchten nun eine Kapitalflucht aus Russland.

Putin: "Hysterie beenden"

"Ich bitte darum, alle Spekulationen und Hysterie in diesem Zusammenhang zu beenden. Die Regierung soll sich in diese Diskussion nicht hineinziehen lassen", betont indessen der russische Präsident Wladimir Putin. Während Putin eine Einmischung des Kremls bestreitet hat der Fall russischen Medienberichten zufolge politische Hintergründe: Der politisch ambitionierte Chodorkowski sei der Staatsführung vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen unbequem geworden, nachdem er seine Unterstützung für die in Opposition stehenden liberalen Parteien angekündigt hatte.

Russlands prominentester und reichster Untersuchungshäftling hat seine Karriere als Chemie-Ingenieur begonnen. Doch schon ein Jahr nach Erhalt seines Diploms an der Moskauer Mendelejew-Institut hielt er 1987 seine Urkunde als diplomierter Volkswirt des nicht minder angesehenen Plechanow-Instituts in den Händen. Von da ab begann sein Aufstieg an die Spitze von Russlands Finanzwelt.

Noch unter Präsident Michail Gorbatschow gelangte er an die Spitze einer kommerziellen Innovationsbank, die er 1990 aufkaufte. Danach geriet Chodorkowski erstmals mit der Politik in Berührung. Unter Boris Jelzin wurde er 1992 zum Leiter des Investitionsfonds der EnergieIndustrie und avancierte schon im Jahr darauf für mehrere Monate zum Vize-Energieminister.

Einmal selbst Steuerfahnder

Eine Ironie des Schicksals wollte es, dass er 1994-1995 Mitglied der Arbeitskommission der Regierung "zur Verbesserung der Zahlungsdisziplin" wurde. Heute nennt die Justiz massive Steuerhinterziehung als einen der Hauptvorwürfe gegen den Oligarchen. 1995 sattelte Chodorkowski auf das Geschäft mit Erdöl um. Seitdem hat er seine Firma Jukos zum zweitgrößten Ölkonzern Russlands hochgearbeitet. Einen Teil seiner Geheimnisse hat der Öl-Magnat 1992 in dem Buch "Der Mann mit dem Rubel" verraten. Unter anderem sein außergewöhnliches Hobby: er sammelt Tagebücher und Notizblöcke.

Zuviel Ehrgeiz tut nicht gut

Ohne die Erlaubnis des russischen Präsidenten hätte ein Geschäftsmann vom Kaliber Chodorkowskis nicht festgenommen und angeklagt werden können, meint der Moskauer Politologe Wladimir Pribilowskij. Chodorkowski könnte den selben Fehler wie seine vermögenden Kollegen gemacht haben: "Er zeigte zu viel Ehrgeiz und zu wenig Kooperationswillen."

Mit der Inhaftierung Chodorkowskis ist Putin möglicherweise einen Schritt zu weit gegangen. Denn selbst Kreml-treue Politiker kritisieren den Staatschef und fühlen sich an die Sowjet-Ära erinnert. Die Rettung für Chordokowski muss aber aus dem finanzkräftigen Ausland kommen, sind russische Politologen überzeugt. Denn einen Einbruch des russischen Aktienmarktes will auch Putin nicht heraufbeschwören.

WM/APA

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