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SÜLEYMAN DEMIREL / „EISERNE HAND“ DER TÜRKEI

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Daß die „Gerechtigkeitspartei“ bei den türkischen Wahlen am 10. Oktober 54°/o der Stimmen erhalten würde, wagten selbst ihre optimistischsten Anhänger nicht zu hoffen. Der als strahlender Sieger hervorgegangene Parteichef Süleyman Demirel rückt nunmehr vom stellvertretenden Ministerpräsidenten zum Regierungschef auf. Damit findet eine im wahrsten Sinne des Wortes „kometenhafte“ Politikerkarriere ihren vorläufigen Höhepunkt. Mit 41 Jahren ist Demirel der jüngste Ministerpräsident, den die türkische Republik je hatte.

Der junge „Leader“ ist von Beruf Hydraulik-Ingenieur und hat einen Teil seiner Ausbildung in den USA genossen. Demirel verkörpert somit den westlich erzogenen, dynamischen Managertyp, der im Geschäftsleben Istanbuls und Izmirs im Vordringen ist. Seine eigene Firma hat die Vertretung eines amerikanischen Konzerns in der Türkei inne — seine guten und engen Beziehungen zu einflußreichen Politiker-und Wirtschaftskreisen haben also eine natürliche und solide Erklärung. Demirel trat bald nach der Gründung (1961) der Nachfolgeorganisation der Menderes-schen „Demokraten“ der Gerechtigkeitspartei (AP) bei und avancierte auf Grund seines organisatorischen Geschickes rasch zum

Provinzvorsitzenden. Nach dem plötzlichen Tod des Gründers der AP, Ex-General Ragip Gümüs-pala, im Frühjahr 1964, schien es der oppositionellen Gerechtigkeitspartei zunächst an Führerpersönlichkeiten zu fehlen. Schließlich wählte der Parteikongreß Demirel mit knapper Mehrheit zum neuen Parteivorsitzenden.

Es wäre zweifellos falsch, wollte man den Wahlsieg der „Gerechten“ als alleiniges Verdienst Demireis hinstellen, er hat jedoch durch seine besonnene, sympathische Art viel dazu beigetragen. Der „appeal des smarten business-man“, der die Hebung des allgemeinen Lebensstandards zu seinem Hauptwahlversprechen gemacht hatte, kam bei den Massen besser an als die Verstaatlichungspläne von Inönüs Volkspartei.

Trotz seines Namens — Demirel bedeutet „eiserne Hand“ — wird er kaum mit einer solchen regieren. Daß er ein Mann des Ausgleichs und des Arrangements zu bleiben gedenkt, beweist die Ernennung seines einstigen Rivalen im Kampf um den Parteivorsitz, Saadettin Bilgic, zum Vize-Ministerpräsidenten. Dem im Gegensatz zu vielen seiner Parteifreunde durch keine „Menderes-Vergangenheit“ kompromittierten jungen Technokraten fehlt freilich noch die gerade in der Türkei so wichtige Erfahrung des innenpolitischen Taktikers. Immerhin kann er sich auf eine starke parlamentarische Mehrheit stützen, braucht auf keine Koalitionspartner Rücksicht zu nehmen und hat es daher leichter als seine Vorgänger. Ob es ihm aber gelingen wird, die Lösung der dringenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Türkei über alle Gegensätze hinweg voranzutreiben, muß abgewartet werden. Demirel hat es in knapp einem Jahr zum Führer der stärksten türkischen Partei gebracht, er hat einen überwältigenden Wahlsieg hinter sich und ist zum höchsten Regierungsamt aufgerückt; seine größte Prüfung liegt jedoch noch vor ihm: die Bewährung als verantwortlicher Realpolitiker.

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