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Diktat der Militärs
In einer Sitzung des „Nationalen Sicherheitsrates” unter Staatspräsident General Cevdet Sunay in Ankara, über deren Verlauf amt-licherseits Stillschweigen bewahrt wird, soll Luftwaffenbefehlshaber General Batur die sofortige Übernahme der Regierungsgewalt durch die Streitkräfte gefordert haben. Am gleichen Tag drangen auch Einzelheiten über die Hintergründe des Scheiterns von Senator Urgüplü bei seinen knapp dreiwöchigen Sondierungen über die Bildung einer Zivilregierung mit parlamentarischer Mehrheit und dem Vertrauen des Generalstabes in die türkische Öffentlichkeit. Dem 25köpflgen Kabinett hätte eine Mehrheit von neun Ministern aus der bürgerlich-konservativen „Gerechtigkeitspartei” des im März vorigen Jahres nach einer Intervention der Armee zurückgetretenen letzten parlamentarisch regierenden Ministerpräsidenten Suleiman Demirel angehören sollen. Diese Absicht sei jedoch auf Opposition von zwei Seiten gestoßen: Demirel habe sich gegen die Beteiligung seiner Parteifreunde an einer nicht von ihm geleiteten Regierung gesträubt, und der Generalstab habe das personelle Übergewicht der „Gerechtigkeitspartei” in einem Kabinett Urgüplü nicht gebilligt.
Gegen Demirel
Staatspräsident Sunay fand bislang keinen sowohl den beiden Häusern der großen Nationalversammlung, Volkskammer und Senat, sowie dem Generalstab genehmen neuen Premierministerkandidaten. Die seit dem vor rund fünf Wochen erfolgten Rücktritt von Ministerpräsident Nihat Erim anhaltende Regierungskrise weitet sich daher aus zur Staatskrise. Kritiker der Militärs •in der anatolischen Haupstadt bezeichneten es am Montag als elementarsten Fehler, daß man die sich auf eine sichere parlamentarische Basis stützende Regierung Demirel gestürzt habe, statt sich damit zu begnügen, sie zur Durchführung wirtschaftlicher und sozialer Reformen zu zwingen. Demireis Einfluß habe sich außerhalb der Regierung als noch gefährlicher erwiesen. Eine Rückkehr des Expremiers an die Macht könnten die Generäle jedoch ohne Gesichtsverlust nicht hinnehmen. Nach Angaben aus Armeekreisen will man jetzt versuchen, ihn auf dem Umweg über das gegenwärtig gegen seinen Bruder, der sich an Regierungsaufträgen bereichert haben soll, endgültig au diskreditieren.
Diese Absicht erhebt die Armee aber nicht des Mangels eines geeigneten Kandidaten für eine zivile Ministerpräsidentschaft. Der amtierende Regierungschef Ferit Melen, der zu der relativ kleinen „Ver-trauenspartei” gehört, findet mit seinem ihm von Professor Erim zurückgelassenen Rumpfkabinett keine parlamentarische Mehrheit. Der im Machtkampf gegen den greisen Atatürk-Nachfolger Ismet Inönü als vorläufiger Sieger hervorgegangene neue Chef der sozialdemokratischen „Republikanischen Volkspartei”, Bülent Ecevit, hat den Militärs zu fortschrittliche Ideen. Einstweilen bleibt unklar, wie die Armeegruppe, die zur direkten Machtübernahme drängt, die dringenden Reformen durchführen und gleichzeitig die Opposition von rechts und links in Schach halten will.
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