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Militärpolizisten

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Die Türkei leidet immer mehr unter Maßnahmen der Regierung, die man nur noch als offenen Terror bezeichnen kann. In Ankara und Istanbul gab es eine Verhaftungswelle, als deren Zweck auch der gutgläubigste Beobachter nur einen Präventivschlag gegen potentielle Oppositionelle erkennen kann. Unter den Verhafteten befinden sich linksgerichtete Jugendliche ebenso wie Gewerkschaftler, Journalisten und Intellektuelle. Die Geheimpolizei machte in mindestens einem Fall sogar vor einem Lehrer samt dessen Schülern nicht halt. Gleichzeitig verstärkte die Regierung Erim, entgegen ihrem öffentlichen Versprechen, die Freiheit der politischen Berichterstattung sicherzustellen, die Gängelung von Rundfunk und Fernsehen. Die Presse unterliegt nach wie vor einer strengen Vorzensur. Dadurch schwinden die Möglichkeiten, sich über die innenpolitischen Vorgänge in dem Bosporusland korrekt zu unterrichten. Auch für die Auslandspresse wird die Berichterstattung immer schwieriger.

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Die Türkei leidet immer mehr unter Maßnahmen der Regierung, die man nur noch als offenen Terror bezeichnen kann. In Ankara und Istanbul gab es eine Verhaftungswelle, als deren Zweck auch der gutgläubigste Beobachter nur einen Präventivschlag gegen potentielle Oppositionelle erkennen kann. Unter den Verhafteten befinden sich linksgerichtete Jugendliche ebenso wie Gewerkschaftler, Journalisten und Intellektuelle. Die Geheimpolizei machte in mindestens einem Fall sogar vor einem Lehrer samt dessen Schülern nicht halt. Gleichzeitig verstärkte die Regierung Erim, entgegen ihrem öffentlichen Versprechen, die Freiheit der politischen Berichterstattung sicherzustellen, die Gängelung von Rundfunk und Fernsehen. Die Presse unterliegt nach wie vor einer strengen Vorzensur. Dadurch schwinden die Möglichkeiten, sich über die innenpolitischen Vorgänge in dem Bosporusland korrekt zu unterrichten. Auch für die Auslandspresse wird die Berichterstattung immer schwieriger.

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Die von den Militärs und dem aus ihren Reihen hervorgegangenen Staatspräsidenten Sunay an die Macht gebrachte Regierung des ehemaligen Juraprofessors Nihat Erim erweist sich als unfähig zur Bewältigung der dringend notwendigen, überfälligen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Reformen. Einer der Gründe dafür ist allerdings die versteinerte Parteienstruktur im Parlament. Die in ihm nach wie vor tonangebende Gerechtigkeitspartei des gestürzten letzten gewählten Premierministers Demirel stützt sich auf die konservative Landbevölkerung und ist entschlossen, alle Reformprogramme zu blockieren. Die Republikanische Volkspartei des Atatürk-Mitarbeiters und greisen ehemaligen Generals Inönü nahm zwar in den letzten Jahren manche Züge einer modernen reformistischen Sozialdemokratie an. Sie ist aber durch den überlebten Mythos des ehemaligen Ismet Pascha paralysiert, der aus egoistischen, machtpolitischen Gründen das Emporkommen einer jüngeren Führungsschicht nahezu vollkommen zu verhindern wußte.

So trostlos dieser Zustand ist, rechtfertigt er doch kaum die offenkundige Immobilität der Regierung. Ihre Wahlrechtsänderungs- und Reformgesetze, besonders diejenigen hinsichtlich des Landbesitzes, sind irgendwo steckengeblieben. Statt dessen konzentriert sie gegenwärtig ihre ganze Energie darauf, die Abgeordneten der Volkskammer für eine umwälzende Verfassungsänderung zu gewinnen, die ein Drittel der 157 Grundgesetzparagraphen ändern, ergänzen oder aufheben soll. Dieses Projekt läuft praktisch auf die Verewigung des Ausnahmezustandes und die dauernde Einschränkung der wichtigsten demokratischen Grund rechte hinaus. Es würde den Behörden die Kontrolle über Gewerkschaften, Parteien, Vereine und andere öffentliche Zusammenschlüsse verschaffen und in der Türkei „griechische Verhältnisse“ schaffen. Freunde des Kabinettchefs Erim argumentieren, daß man die gewaltigen inneren Probleme mit dem traditionellen Instrumentarium der parlamentarischen Demokratie einfach nicht mehr lösen könne. Fraglich ist jedoch, ob das mit den Mitteln der Diktatur geschehen kann.

Professor Erim scheint den bequemsten Weg gehen zu wollen, indem er zunächst einmal die gesamte potentielle Opposition gewaltsam ausschaltet. Damit muß allerdings früher oder später jeglicher Grund zur Inangriffnahme echter Reformen entfallen. Und geriau darauf scheint seine Politik schon jetzt hinauszulaufen. Sie ist keineswegs reformistisch, sondern eher restau- rativ. Erim tat bis jetzt überhaupt nichts, den Ursachen der permanenten Unruhe in seinem Land zu Leibe zu rücken. Er versucht nur, mit nackter Gewalt an den Symptomen, dem Terror linksgerichteter Jugendlicher, herumzukurieren.

Dabei machte er den gleichen Fehler wie Menderes und Demirel: Er schlägt die Linke und streichelt die Rechte. Die Verhaftungen der letzten Tage richten sich ausnahmslos gegen Personen, die der Sympathie mit ‘irgendwelchen Linksgruppen auch nur vage verdächtig sind. Die Anhänger der militanten religiösen Rechten bleiben ungeschoren. Nach Lage der Dinge dürfte Erim damit jedoch nur eines erreichen: die Bevölkerung, die von dem Terror der Linksjugend abgestoßen war, wird sich dieser politischen Richtung zwangsläufig wieder zuwenden.

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