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Neuwahlen

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In Ankara wollte der amtierende parteilose Ministerpräsident des Bosporuslandes, der 54jährige Bankier Naim Talu, seinen Auftrag zu einer „Regierungsbildung um jeden Preis“ an Staatschef Admiral Fachri Korutürk zurückgeben, falls sich nicht noch im letzten Augenblick ein Ausweg aus der durch das unklare Wahlergebnis vom 14. Oktober vorigen Jahres hervorgerufenen Staatskrise finden sollte. Nachdem die Chefs der beiden größten Parlamentsfraktionen, Bülent Ecevit von den „Volksrepublikanern“ und Süleiman Demirel von der „Gerechtigkeitspartei“, in den verflossenen drei Monaten mehrere vergebliche Anläufe zur Bildung einer jeweils von ihnen angeführten Koalitionsregierung unternommen hatten, sollte der seit dem letzten Frühjahr im Amt befindliche Übergangspremier Talu zunächst eine „Regierung der nationalen Konzentration“ unter Einschluß aller Parteien und dann irgendein lebensfähiges Kabinett bilden. Das erste Modell scheiterte am Widerstand der „Volksrepublikaner“, das zweite an der Weigerung der „Gerechtigkeitspartei“, mit Ecevit zu koalieren.

Nachdem Drohungen des Staatschefs und vertrauliche Kontakte zwischen Admiral Korutürk und der Armeespitze sowohl Neuwahlen wahrscheinlich gemacht als auch die Gefahr eines erneuten Eingreifens der Militärs in die Politik hatten sichtbar werden lassen, schien sich doch noch eine Annäherung zwischen „Volksrepublikanem“ und „Heilspartei“ anzubahnen. Die Sozialdemokraten scheuen, obwohl die inzwischen abgehaltenen Gemeinde-. wählen ihre Position noch verstärkten, kostspielige Neuwahlen. Das gleiche gilt für die islamischen Konservativen, deren Kassen noch vom letzten Wahlkampf arg strapaziert sind und die zudem nicht sicher sein können, ob sich ihr überraschender Aufwärtstrend vom 14. Oktober fortsetzen wird. Doch die Meinungsunterschiede erwiesen sich als erneut zu groß.

In der Türkei glaubt man daher, Staatspräsident Korutürk werde Premierminister Talu immer wieder mit der provisorischen Führung der Regierungsgeschäfte betrauen und dann für das bevorstehende Frühjahr Neuwahlen ausschreiben.

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