Zwischen Taufe und Tod

Werbung
Werbung
Werbung

Sakramente als weibliche Riten: Ausstellung von Abigail O'Brian in München.

Unter dem Titel Die Sieben Sakramente zeigt die 1957 in Dublin geborene Künstlerin Abigail O'Brian erstmals ihren 2004 vollendeten monumentalen Zyklus: Kühl und distanziert präsentieren sich die Installationen aus großformatigen Fotografien, Skulpturen, realen Objekten, Stickereien und Soundeinspielungen, ein dicht gewebtes Netzwerk aus Anspielungen, Symbolen und Doppeldeutigkeiten. In ihrer Kindheit geprägt von einem streng-konservativen Katholizismus, findet O'Brian als Frau einen ungewöhnlichen Zugang zu einer Thematik, die über Jahrhunderte die Künstler beschäftigt hat. Herausragende Werke, etwa von Rogier van der Weyden, ganz besonders von Nicolas Poussin, aber auch solche der Genre- und der Stilllebenmalerei des 17. Jahrhunderts haben sie nachhaltig inspiriert; ihr besonderes Interesse galt den Darstellungen meist älterer Frauen, wie sie bei ihrem Vortragsabend erklärte.

Sakramente ohne Männer

So gibt es in ihrem Sakramenten-Zyklus keine männlichen Protagonisten, keine Jünger beim Abendmahl, nicht die Darstellung eines Priesters. Reflektiert werden ausschließlich weibliche Rituale des Alltags vor dem Hintergrund der kanonisierten Sakramente: The Last Supper, das sie mit dem Sakrament der Ehe verbindet, Baptism, Kitchen Pieces - Confession + Communion, in welchem sie die Sakramente Beichte und Kommunion vereint, Extreme Unction - From the Orphelia Room (Letzte Ölung) sowie Garden Heaven - Holy Orders (Himmlischer Garten - Priesterweihe) und Martha's Cloth - Confirmation. Immer geht es um die Rolle der Frau in den Lebensabschnitten zwischen Taufe und Tod, bei der Vorbereitung eines Hochzeitsmahles, beim Baden des Kindes, beim Kochen, Sticken und Lesen. O'Brian hat ihre weiblichen Personen sorgfältig ausgewählt, "alle in mittlerem Alter, in dem man - wie ich selbst - nachdenkt über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft". Ihre Frauen halten inne, scheinen nachzusinnen, nehmen nur ausnahmsweise einen Blickkontakt mit dem Betrachter auf. O'Brian fügt ihren "Gemälden" fotografierte bzw. reale Gegenstände aus der alltäglichen Dingwelt hinzu, die zugleich als Metaphern auf das Sakrale verweisen: Wasser, Brote, Fische, Früchte, die Verwendung von Rot und Blau in der Bekleidung der Personen.

Einsames Abendmahl

Über der langen Abendmahlstafel der Gemeinschaft (in Anspielung auf Leonardo da Vinci) agieren die Frauen unter sich, am Abend vor der Hochzeit. Am Tisch selbst ist für nur eine Person gedeckt, der Saum des schneeweißen Leinentischtuches trägt rundumlaufend sieben gebündelte Striche. An die Stelle der Gemeinschaft tritt das Alleinsein.

Fast plakativ steif wendet sich die Mutter ihrem Mädchen in der Wanne zu, in lebhaftem Kontrast zum Bild des lebendig sprudelnden Wassers daneben. Sorgfältig inszenierte Taufgegenstände sind zugeordnet. Eingestickt in den Saum des Taufkleides ist zu lesen: Mea Culpa - Verweis auf Erbsünde oder individuelle Schuld.

In der Luxusküche - mehr Statussymbol als Arbeitsraum - sind Mutter und Tochter, einander zugewendet und doch fast fremd, selbst wie ein Stilleben arrangiert. Zu Beichte und Kommunion gehören 100 real gebackene Brote in einem siebenstöckigen Regal, fünf große, geschnitzte Holzbrote in einem Korb. 30 versilberte Bronzeabgüsse gebrochener Brote erinnern an Verrat und materielle Wünsche.

In Orphelias Raum bleibt die Person ausgespart, Briefe sind die einzige Botschaft. Eine Urne aus Eis schmilzt, wird erneuert: Zeichen für den Kreislauf von Werden und Vergehen.

Dem Sakrament der Priesterweihe setzt O'Brian kunstvoll geschnittene Buchshecken entgegen, Bilder aus dem Bischofsgarten Clemenswerth (Lingen bei Osnabrück), in dem ein barocker Kirchenfürst sich einst vergnügte. Zwölf in Bronze gegossene, versilberte Bonsai-Bäumchen, wie Monstranzen in kleinen Vitrinen im Kreis ausgestellt, sind Zeichen einer unlebendigen Natur - Metaphern für die im Zölibat eingeschränkte Sexualität.

Werden und Vergehen

O'Brian sieht ihre Frauen in einem Schwebezustand zwischen den gegensätzlichen Positionen der vita activa und der vita contemplativa, dem tätigen, diesseits orientierten und dem geistigen, jenseits orientierten Leben, in der christlichen Tradition verbunden mit den Gestalten von Martha und Maria (Lukas 10, 38-42). Ohne gesellschaftskritische Untertöne und selbstquälerische Zweifel interpretiert die Künstlerin das weibliche Rollenverständnis ganz neu. Die Stationen der Sieben Sakramente sieht sie verbunden mit den Stationen gelebten Lebens, vorgetragen in einer distanziert und emotionslos ausgewogenen Balance. Grund zur Hoffnung bleibt: Die Hecken treiben hier und da neu aus, mit dem Ballen entwurzelte Bäume könnten aus ihrer Verschnürung gelöst, neu gepflanzt werden.

Die Sieben Sakramente Abigail O'Brians sind von großer Eindringlichkeit und Erzählkunst, mit hohem ästhetischen und inhaltlichem Anspruch. Dem Besucher bleibt bei intensiver Betrachtung Spielraum zu Deutung und Selbstpositionierung.

DIE SIEBEN SAKRAMENTE. Abigiail

O'Brian und der ritualisierte Alltag.

Haus der Kunst, München,

Prinzregentenstr. 1.

Bis 12. April täglich 10-20 Uhr.

www.hausderkunst.de

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung