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Ein neuer Bergman

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Vielleicht wurde nirgends in Europa das christliche Abendmahl so sehr Gegenstand der Kritik wie im Norden. In zwei Religionsprozessen — 1884 in Stockholm gegen August Strindberg und 1933 in Oslo gegen Arnulf överland — wurden die Angeklagten doch von dem Delikt der Religionsverspottung freigesprochen.

Bei dem Film „Nattvardsgästerna“ (Die Abendmahlgäste) von Ingmar Bergman, der eben seine Uraufführung erlebte, haben die Behörden gewiß keinen Grund, einzuschreiten. Der Ritus wird hier weder kritisiert noch verspottet. Aber er dient als Hintergrund für eine Tragödie des Menschen. In einer der Landkirchen Dalekar-liens versammeln sich nur wenige Personen vor dem Silberteller mit den Hostien und dem Kelch mit dem Wein, aber diese

wenigen geben In dem Film ein trauriges Bild des Versagens. Der Pastor selber glaubt nicht an die Lehre, die er verkündet, und der Genuß von Brot und Wein wirkt kaum auf das Verhalten seiner Pfarrkinder ein.

Er ist ich dieser Tatsache qualvoll bewußt, kann sie aber nicht ändern, da ihm der Glaube fehlt. Er versieht seine Pflicht als Beamter.

Eine schwangere Frau schickt ihren psychisch kranken Gatten zur Aussprache zu dem Pastor, der seinerseits vor dem verschlossenen Mann versagt. Statt wie jeder einfach Mitfühlende der fremden Not zunächst zu lauschen, erzählt er ihm in einem aufgeregten Monolog von eigenen Schwierigkeiten. Die Folge ist totaler Kurzschluß. Das einzige, das der Mann bei

dieser „Aussprache“ hervorbringt, isti „Jetzt gehe ich“. Dann erschießt er sich.

Das alles ist glänzend gestaltet, doch schließt der Film bei der Exposition, wo er erst anfangen sollte. Es geschieht nicht viel mehr. Man erwartet vor allem, daß der Selbstmord entscheidend auf den Pastor zurückwirken, sein Schuldgefühl erwecken und dadurch die Konfrontierung von Idee und Handlung, Abendmahl und Abendmahlgästen, verschärfen werde. Erstaunlicherweise tritt aber diese naheliegend Lösung nicht ein.

Der Film ist voll von künstlerischer Schönheit und menschlichen Werten und Bergman ein Meister kühner Einfälle, aber es fehlt hier die logische Verknüpfung der angeschlagenen Motive. Es sollte offenbar gezeigt werden, wie der Mensch in seiner Lieblosigkeit vor der Liebe Gottes versagt. Aber etwas anderes wurde daraus: ein Pessimismus, der auch auf Gottes Lieb übergreift.

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