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Fragwürdige Eröffnungspremieren

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Das Theater der Courage eröffnet mit dem Trauerspiel „Der Vater“ von August Strindberg. Der junge Strindberg schreibt sich hier die Verzweiflung seines Lebens von der Seele. Erbarmungslos wütet der Kampf der Geschlechter. Der „Mann“ ist ein hilfloses Wesen, das der Frau, den „Weibern“, der „Mutter“ erliegt. Pathologische Und psychopathische Züge überwiegen zudem. Der Großteil des Publikums fragt sich: Warum? Für diese Wiener von 1953 ist Freud bereits Literatur, sind die geistigen und seelischen Kämpfe Alt-Europas bereits so weit ins Vergessen abgedrängt, daß die Bus-Fekete-, Lehär-und Walzerfilme ungehemmt als Tagesregenten zwischen Grinzing und dem Ballhausplatz ihre Herrschaft antreten konnten. Es ist also recht unziemlich, hierzulande heute an den Untergrund des Lebens zu rühren. Selbst Weinheber, der in seinen „Mutter“-Anrufen Strindberg oft merkwürdig nahesteht, ist ja in diesen seinen echtesten Bezügen vergessen oder gar nicht gesehen worden. Schade, daß Strindberg keine gültigere Repräsentation mit seinen immer noch gültigen, das heißt virulenten Problemen gefunden hat als eben dieses Frühwerk, das es den Spöttern so leicht macht. Dieser Rittmeister, der von seiner Frau im Kampf um eine freiere Erziehung der Tochter in den Wahnsinn getrieben wird, ist kein glaubwürdiger Zeuge für das, was Strindberg sichtbar machen will: die Abgründe des Menschen in der Auseinandersetzung zwischen Mann und Frau, die keine mani-chäische, platonistische Verdrängung, kein Verschweigen auch aus der Welt schaffen kann. — Fritz Kortner hat in seiner hier gespielten Bearbeitung das Grauenhafte dieses Dramas gemildert, vereinfacht, aber eben dadurch auch unwirklicher gemacht; sein Schluß (die Tochter folgt dem Rat des toten Vaters, sagt sich von der Mutter los) deutet eine Gnade an, die es in diesem gnadenlosen Kampf bei Strindberg selbst nicht gibt. — Die Schauspieler (vor allem Hintz Fabri-cius) bemühen sich sehr, das harte Stück ins Leben zu projezieren.

Als Eröffnungspremiere wählt das Theater am Parkring die Groteskkomödie „A f-färe Kasanzew“ von Arkadij Awer-tschenko. Die deutschsprachige Erstaufführung dieses Schwankes, der, ambitioniert (wie immer in diesem Theater) gespielt, alle Lacher für sich gewinnt, dürfte für absehbare Zeit das Publikum binden. Termingemäß würde diese Witzelei ura kleine Gauner, Versicherungsagenten und ein pflichtbewußtes, sehr idealistisches junges Liebespaar im Gartenlaubenstil allerdings besser in die Faschingssaison passen. Friedrich H e e r

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