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OTTO FORST-BATTAGLIA / EIN GROSSER POLYHISTOR GING VON UNS

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Der Gelehrte und Publizist Otto Forst-Battaglia, durch seine Werke und Aufsätze in polnischer, deutscher und französischer Sprache im ganzen gebildeten Europa und darüber hinaus bekannt, war einer der wenigen lebenden Menschen, welche die Bildungswelt Alteuropas verkörperten, in ihrem lebhaften Wechselspiel slawischer und romanischer Elemente mit all dem, was Zeit, Wind und Wellen zukommen ließ in der Gesellschaft des alten Reiches der Donaumonarchie und in der Gesellschaft der Gebildeten rauschen Warschau und Paris. Otto Forst-Battaglia wurde am 21. September 1889 in Wien geboren, als Sproß einer österreichisch-polnischen Familie, wobei wir uns erinnern wollen, welche Rolle der Polenklub im Reichsrat spielte. Er besuchte hier das Schottengymnasium, studierte dann Jus und Geschichte, promovierte summa cum laude, sub auspicis, 1915 in Bonn, habilitierte sich 1917 und leistete seinen Militärdienst in der österreichischungarischen Armee. Als Gelehrter, Publizist und freier Schriftsteller kehrte er auf Reisen zu Vorträgen und Vorlesungen an den Universitäten Straßburg und Freiburg in der Schweiz ein; seit 1948 gehörte er auch dem Lehrkörper der Universität Wien (Genealogie, polnische Geschichte und Literatur) an. 1940 bis 1949 war er im diplomatischen Dienst, als Kulturattache' bei der polnischen Gesandschaft in Bern.

Welche Werke soll man hier kurz namentlich nennen aus der Fülle des nie ermüdenden Schaffens dieses Mannes, der im Freundeskreis als seinen Hauptberuf (seit 1950) Großvater und als sein Steckenpferd seine Kram-pussammlung nannte?

Diese Verbindung uiird hier nicht zufällig vermerkt: Otto Forst-Battaglia waren ein Humor und eine in reichen, schönen und schmerzlichen Erfahrungen bestätigte Menschenkenntnis eigen, eine zutiefst europäische, christliche und humanistische Menschenliebe, die nicht jedermanns Sache sind, gerade auch in der Wissenschaft nicht. So ist es eben kein Zufall, daß neben seinen Werken zur Genealogie, zur polnischen, deutschen und französischen Geschichte und Geistesgeschichte, wobei seine Vorliebe der Literaturgeschichte gehörte, auch ein Buch über Johann Nestroy und ein Buch über Karl May stehen. Sein unter dem Pseudonym Theodor Rall 1934 erschienenes Werk „Deutsches katholisches Schrifttum heute“ macht darauf aufmerksam, daß sich dieser österreichisch-polnische Forscher und Publizist immer gerade auch mit den Fragen christlicher und spezifisch katholischer Bildung, Literatur und Geistigkeit befaßt hat. Diesem Grundbezug seines Wesens verdanken wir es auch, daß Otto Forst-Battaglia seit Gründung der „Furche“ ihr geschätzter Mitarbeiter und Freund geworden war. Neben der schönen Literatur, dem Glauben und seinen Fragen war Otto Forst-Battaglia den politischen Problemen mit Leib und Seele zugewandt. Hier vorab der Geschichte, der Tragödie des polnischen Volkes und allem geschichtlichen und zeitgeschichtlichen Geschehen in Mittel- und Osteuropa.

Als Konservativer von echtem Schrot und Korn war Tadeusz Poraj-Kobielski — denn niemand anderer als Otto Forst-Battaglia verbarg sich hinter diesem den „Furche“-Lesern wohlbekannten Pseudonym — dabei ebensosehr ein Gegner des Totalitarismus und aller ideologischen Verkrampfungen wie ein ruhiger, auch hier lebensweiser, humorvoller Beobachter der oft seltsamen Wege, die Gott und Mensch in der Geschichte gehen.

Die Lücke, die der Tod Otto Forst-Battaglias riß, wird wohl nie mehr zu schließen sein: Wien besitzt heute ganz wenige Männer mehr, die, wie Forst-Battaglia, Altösterreich, seine Bildungs- und Menschenwelt, eindrucksvoll verkörpern. Das sei hier nicht zuletzt als eine Einladung an eine junge Generation verstanden, sich mit dem Lebenswerk dieses Grandseigneurs europäischer Bildung zu befassen; sie wird hier mehr finden, als sie vielleicht zu erhoffen wagt.

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