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Konsulent

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Seit -22. September erscheint „Österreichs größte Tageszeitung“ unter einer neuen redaktionellen Leitung. In wenigen Zeilen wurde den überraschten Lesern und der nicht weniger überraschten Öffentlichkeit mitgeteilt, daß ein Wechsel in der Chefredaktion stattgefunden hat. Die Beteuerungen von „gegenseitigem Einvernehmen“ sowie die Versicherung, daß Dr. Hugo Portisch auch in Zukunft als politischer Leitartikler zur Verfügung stehen und die politische Großberichterstattung besorgen wird, überzeugen wenig.

Man wechselt nicht buchstäblich über Nacht „im gegenseitigen Einvernehmen“ die Leitung eines Blattes. Ein Vollblutjournalist wie Doktor Portisch ist gewiß der letzte, der freiwillig den Hut von der Redaktionsstange nimmt, ohne selbst den Lesern —seinen Lesern — plausible Gründe für diesen überstürzten Wechsel ins Konsulentenfach zu sagen. Denken wir nur daran, welche herben Worte das damals unter Dr. Portischs Führung stehende Blatt zu ähnlichen Vorgängen in der Parteijournalistik zu sagen wußte.

Was wurde hier gespielt? Das Dunkel nährt nur die Gerüchte. Man kann sich vorsteUen', daß eine journalistische Individualität wie Doktor Portisch nicht überall applaudiert wurde und werden kann. Es ist auch kein Geheimnis, daß die freimütige Art des langjährigen Leaders des „Kurier“ da und dort aneckte. Auch mag sein konsequent durchgehaltener österreichischer Kurs im In- und Ausland nicht nur Bewunderer auf den Plan rufen. Aber gerade wegen dieser persönlichen und politischen Eigenschaften wurde das Blatt bei Zehntausenden geschätzt.

Nun ist Dr. Portisch über Nacht .Xonsulent“ geworden. Wir können uns nicht vorstellen, daß dieser Konstruktion Dauer beschieden sein wird. Kein Wort gegen den Nachfolger. Eberhard Strohal ist als ein gewissenhafter Journalist bekannt. Aber die Individualität Portischs, sein „Angriffsgeist“ und sein Temperament, mit dem er das von ihm geführte Blatt mitriß, werden fehlen. Nicht nur seinem Blatt, sondern auch unserem Land, das heute Österreicher vom Schlage Hugo Portischs vielleicht dringender denn je wieder auf den verschiedenen Kommandobrücken brauchen würde.

Die Landschaft österreichischer Publizistik ist auf jeden Fall um eine

•weitere Schattierung grauer geworden.

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