Orson Welles als Krimiheld

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Davide Ferrario mischt souverän Fakten und Erfundenes.

Rom 1947. Der Krieg ist zu Ende, doch das Leben läuft noch längst nicht wieder in geordneten Bahnen. Die Menschen begegnen einander mit Misstrauen, Altfaschisten, Kommunisten und Mafiosi intrigieren im Kleinkrieg des Alltags, und auf wessen Seite die Polizei steht, ist schon gar nicht klar. Die Filmindustrie soll nach Werken wie "Rom, offene Stadt" nun leichtere Kost produzieren, um die Leute wenigstens im Kino ihre Sorgen vergessen zu lassen.

Für einen dieser Kostümfilme reist ein amerikanischer Schauspieler an, auf der Flucht vor Steuerschulden und einer Menge bürokratischen Ärgers, Orson Welles. Kein Fremder ist er in der Welt der Stars. Der Ex-Ehemann der Diva Rita Hayworth hat sich in Amerika bereits als Regisseur hervorgetan, ist bekannt dafür, überall anzuecken und sucht nun - nicht gerade auf einem Höhepunkt seiner Karriere - im Nachkriegseuropa eine Art Exil. Den Cagliostro soll er spielen, die Gage wird gleich ins nächste Projekt wandern, eine Shakespeare-Verfilmung: Othello. Die Journalisten interessieren sich zum Leidwesen des ehrgeizigen Workaholics zunächst mehr für seine gescheiterte Ehe als für seine Arbeit. Rom scheint wenig Notiz von ihm zu nehmen.

Bis ihn eines Tages der legendäre Gangster Lucky Luciano überreden möchte, einen Film über sein Leben zu drehen, und Welles sich mit einer Leiche in den Armen am Set wiederfindet. "Römisches Maskenspiel" ist der zweite Roman Davide Ferrrarios, und der erste, der auch ins Deutsche übersetzt wurde.

Kunstvoll hat der italienische Filmkritiker und Drehbuchautor Fiktion und Kinogeschichte miteinander verwoben. Die Krimihandlung ist frei erfunden, die weiteren Einzelheiten, die Welles' Italienaufenthalt betreffen, sind aber authentisch, bis hin zu seiner Romanze mit der Schauspielerin Lea Padovani. Auch die meisten Nebenfiguren haben reale Vorbilder.

In Ferrarios Roman steckt fundierte Recherchearbeit, nicht nur, was Orson Welles betrifft. Auch über die politische Situation im krisengeschüttelten Nachkriegsitalien hat er sich kundig gemacht. Das Treffen zwischen Orson Welles und dem Kommunistenführer Palmiro Togliatti hat er ebenso wenig erfunden (es ist in einer FBI-Akte über Orson Welles belegt) wie den amerikanischen Invasionsplan für Italien für den Fall, dass die kommunistische "Demokratische Volksfront" die Wahlen vom April 1948 gewonnen hätte. Auch in jener Organisation, die sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit mit der Eliminierung von Faschisten und bekannten Kollaborateuren befasst, wird Geschichte zur Story.

Die Krimihandlung ist also etwas kompliziert. Orson Welles, der anfangs zufällig mit dem Fall konfrontiert ist, packt die Neugier, und zusammen mit dem Privatdetektiv und Ex-Polizisten Tommaso Moravia, einer der wenigen frei erfundenen Gestalten, geht er den verzweigten Spuren nach. Was sich als weder einfach noch ungefährlich erweist. So manche Fährte zeitigt zunächst interessante Ergebnisse, erweist sich aber dann als Sackgasse, manch andere führt zu Schlägereien oder Schießereien, vor allem aber in einen Sumpf von Korruption, Erpressung und dunklen Geschichten aus damals jüngster Vergangenheit.

Darüber hinaus ist der Roman spannend erzählt und besticht durch klare Sprache und natürliche Dialoge auch in der deutschen Übertragung von Moshe Kahn, der sich bereits mit Übersetzungen von Pier Paolo Pasolini oder Paul Celan (ins Italienische) einen Namen gemacht hat.

Und nicht zuletzt haben wir es mit einer Hommage an Orson Welles zu tun, "an seinem Genie als Erzähler und Taschentrickspieler orientiert sich in aller Bescheidenheit dieser Roman."

RÖMISCHES MASKENSPIEL

Roman von Davide Ferrario

Haymon-Verlag, Innsbruck 2001

429 Seiten, geb., e 25,29 /öS 348.-

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