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Alte Eiche — zartes Pflänzchen

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Seit seinem panikerregenden utopischen Hörspiel aus dem Jahre 1938, längstens aber seit seinem genialen Spielfilmerstling „Citizen Kane” (1941) ist Orson Welles das Enfant terrible schlechthin unter den Regisseuren. Keine Konvention, über die er sich nicht schon hinweggesetzt hat. Seinen elften Spielfilm, „Die Stunde der Wahrheit”, hat er für das französische Fernsehen gemacht, gleichzeitig ist es sein erster in Farbe gedrehter Spielfilm. Wenn sich Welles — meistens nachdem er in mehreren schwächeren Streifen als Darsteller mitgewirkt hat — zu einer Regiearbeit aufrafft, ist das Ergebnis immer außergewöhnlich, so auch hier: Er erzählt die „Unsterbliche Geschichte” nach der Novelle der Dänin Tanja Blixen. Mit wenigen Schauplätzen und nur vier Darstellern gelingt ihm ein kammerspielähnlicher Streifen, der optisch und schauspielerisch unverkennbar seine Handschrift trägt. Welles’ Vorliebe für mystische Bezüge tritt mehr als einmal deutlich zutage, ebenso wie die Anklänge an seinen zitierten „Citizen Kane” spürbar werden. Doch das ist letzten Endes auch auf eine gewisse thematische Parallele zurückzuführen: In beiden Fällen steht das Schicksal eines großen, alten, despotischen und einsamen Mannes im Mittelpunkt. Dazu Orson Welles selbst in Greisenmaske als Hauptdarsteller — wie eine knorrige alte Eiche, aber als Regisseur kann er diesmal stärker beeindrucken. Interessanterweise hält der für das Fernsehen hergestellte Streifen auch jeder kritischen Beurteilung durch Gert Kinobesucherstand, ja -L--et dürfte durch die große Leinwand~ sogar noch gewonnen haben. — Fast noch interessanter als der Hauptfilm ist in diesem Fall das Beiprogramm: „Porträt Orsons Welles.” Der französische Dokumentarfilmregisseur Franęois Reichenbach gibt hier in knapp 35 Minuten ein aus Photos, Stehkadern, Arbeitsbildem, Interviews und Aussprüchen des Meisterregisseurs zusammengetragenes Bild, das in seiner Vielfalt ein faszinierendes Porträt der schillernden Persönlichkeit und eine anschauliche Analyse der Arbeitsmethoden des genialen Filmschöpfers darstellt.

Nach langer Zeit endlich wieder einmal ein echt österreichischer Spielfilm: Georg Lhotzkys „Moos auf den Steinen”, als Kinostreifen gedreht, erlebte seine österreichische Erstaufführung, aber gleichzeitig auch im Fernsehen, das seine Herstellung maßgeblich gefördert hatte. Die Möglichkeit einer breiteren kommerziellen Auswertung in den Kinos hat man sich damit zwar genommen, doch für die Masse des Publikums wäre diese Parabel vom österreichischen Menschen und der österreichischen Landschaft — gedreht nach einem Roman von Gerhard Fritsch — ohnehin nicht bestimmt gewesen. Zu verspielt ist dazu die Kamera, zu symbolisch die theatischen Bezüge: Österreich als verfallenes Schloß, der Vergangenheit verbunden … Falsch auch, diesen Film einem vom Hauptabend- prognamm ermüdeten Publikum im Nachtstudio vorzusetzen, außerdem ist die verspielte Kamera (technisch perfekt Walter Kindler) nicht für das Fernsehen geeignet. Es regen sich Zweifel, ob das dem zarten Pflänzchen „österreichischer Spielfilm” gutgetan hat. Immerhin aber ein Lichtblick am ansonsten trüben Horizont der heimischen Spielfilmproduktion.

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