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Der Prozeß

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Der österreichische Dichter Franz Kafka (1883—1924) war in seinem kurzen Leben stets ein Einzelgänger, der einsam und unverstanden lebte, und dessen dichterisches Werk erst sehr spät, lange nach seinem Tode, erkannt und gewürdigt wurde. Es versagen alle literarischen Einordnungsversuche, denn Kafka blieb in all seinen Dichtungen eigenwillig und kompromißlos. Hinter seiner realistisch-klaren Prosa verbirgt sich etwas Geheimnisvolles, Phantastisch-Groteskes, und das Alltäglichste erhält bei ihm eine metaphysische Transparenz. Sein erst 1925 erstmalig veröffentlichtes Werk „Der Prozeß“ wurde nun von Orson Welles bearbeitet und verfilmt, wobei manche nicht unwesentlichen Züge des Werkes verändert wurden. So trägt der Angeklagte Josef K. nicht mehr die selbstbiographischen Züge eines kleinen Beamten, dem ein Prozeß gemacht wird, ohne daß er weiß, wessen man ihn beschuldigt und der doch zusehends in Angst und Schuldgefühle verstrickt wird. Er wird im Film zu einem hektisch-rebellischen jungen Mann unserer Zeit inmitten gigantisch-modernen Wohnhäusern und gläsernen Büropalästen. Wie fast immer bei Orson Welles erhält das Dekorative riesige Ausmaße, bedrohend und bedrückend. Die existentielle Angst kommt nicht mehr sosehr vom Inneren her, sondern stürzt von einer überdimensionalen Umwelt dunkler Mächte auf den einzelnen. Da dieser surreale Film seine innere Logik von der Logik“ r des i Traumes ableitet, kann jede (Wifklichkek aufgehobenl werden.: ;beii “der Entschlüsselung der Symbole wird allerdings auch jede Interpretation möglich. Es ist sicherlich ein interessanter Film, soweit man seine filmischen Mittel zu genießen bereit ist, vom Inhaltlichen her aber bleibt vieles offen und rätselhaft, zumal hier äm an sich schon schwer verständlichen Werk Kafkas noch die eigenwillige Formung Orson Welles beigegeben wurde. Es ist ein Streifen voll drückender Perspektiven, und vergeblich sucht man nach einem Schimmer Hoffnung oder Erlösungslicht. Die menschliche Existenz besteht hier nur aus Angst, Not, Schuld und mündet in die Verzweiflung des Nichts.

Ein zweiter Film dieser Woche gibt ein interessantes Beispiel, wie man ein Shakespeare-Drama mit einigem Geschick wirkungsvoll in die Gegenwart transponieren kann. „Die heiße Nacht“ :'st ein „Othello“ im Smoking. Die wesentlichen Elemente der Vorlage wurden fast lückenlos übertragen, und die Handlung ist dramatisch und psychologisch glaubwürdig. Aus dem Othello Shakespeares wurde ein schwarzer Jazzpianist, der seine weiße Frau abgöttisch liebt, aber wegen seiner Hautfarbe an Minderwertigkeitskomplexen leidet Er ist glücklich über die Liebe seiner Gattin und geichzeitig voll Angst, sie zu verlieren. Das ganze Spiel — im Gegensatz zur Vorlage — ohne tragisches Ende, rollt in einer einzigen Nacht während einer Party bekannter Jazzmusiker ab. Die wie zufällig eingestreuten Darbietuneen geben dem Streifen eine unerhörte Atmosphäre und dramatische Spannung.

Kläglich fiel dafür das französische Ehebruchsdrama „Die Schlange“ aus, in dem die abgedroschene Problematik eines Liebesdreiecks eine ebensowenig glaubwürdige wie künstlerisch akzeptable Abwandlung erhielt. In dem Film „P r o- t i t u t i o n“ mißglückt der Versuch, naive Mädchen vor jener gefährlich schiefen Bahn zu warnen, da dieses heikle Thema mit viel zuwenig Kraft und Geschick angepackt wurde.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich): III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Ein Gericht steht köpf — IV (Für Erwachsene): „Die heiße Nacht“, „Barras heute“, „Bestie des Grauens“ — IV a (Für Erwachsene, mit Vorbehalt): „Der Prozeß“, „Begegnung am Meer“ — IV b (Für Erwachsene, mit ernstem Vorbehalt): „Prostitution“, „Liebe will gelernt ein“ — V (Abzuraten): „Die Schlange“.

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