Wenn Gott verlorengeht

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Die Verfilmung des Weltbestsellers "Gespräche mit Gott" von Neale Donald Walsch entpuppt sich als um Zustimmung heischende Predigt.

Von Gilbert Keith Chesterton, einem englischen Autor und Theologen an der Schwelle des 20. Jahrhunderts, stammt der Ausspruch: "Wenn der Mensch aufhört, an Gott zu glauben, glaubt er nicht an nichts, sondern an alles Mögliche. Dies ist die Stunde der Propheten - und sie kommen in Scharen". Eine cineastische Entfaltung dieses Zitats ist derzeit in den Kinos zu sehen - in der gleichnamigen Verfilmung des Weltbestsellers von Neale Donald Walsch, "Gespräche mit Gott".

Amerikanische Spiritualität

Erzählt wird die Geschichte einer wundersamen Wandlung des Protagonisten von einem mittelständischen Durchschnittsamerikaner zu einem Propheten neuer Spiritualität. Wie es sich für einen Propheten gehört, ist dieser Weg steinig und führt zunächst an den Rand der Gesellschaft: Neale - auch optisch dem Autor Walsch exakt nachempfunden - verliert seinen Job und seine Familie. Als Obdachloser schlägt er sich mit dem Sammeln von Pfandflaschen durchs Leben. Er hadert mit dem Schicksal, mit Gott, fragt nach dem Warum. Die Wende geschieht, als "Er" antwortet. Neale schreibt seine "Gespräche mit Gott" nieder, findet einen Verleger und tourt - finanziell saniert - als erleuchteter aber stets bescheiden auftretender Prediger durchs Land. Seine Botschaft: Gott liebt dich, er nimmt dich an, wie du bist - gepfeffert mit ein wenig Neobuddhismus (alles fließt, alles ist eins) und kruder Subjektphilosophie (alles hängt stets von dir und deiner Entscheidung ab).

Man könnte den Film als Nischenprodukt abtun - er ist gänzlich unspektakulär, glänzt weder durch Spezialeffekte noch durch außergewöhnliche schauspielerische Leistungen. Es werden keine sozialen Missstände angekreidet, keine Bezüge zu politischen Verhältnissen hergestellt, es zählt nur Neale und sein "Gott".

Theologisch ließen sich freilich Argumente gegen das angediente Gottesbild vorbringen: Gott bleibt den ganzen Film über letztlich hohle Phrase. Sein Name wird zur Metapher für all jene Sehnsüchte des Protagonisten, die gesellschaftlich und zwischenmenschlich unerfüllt bleiben: Seelenmassage, Psychotherapie-light für das spätmoderne Subjekt, dass sich nach dem bereits antizipierten Ende kirchlich verfasster Religiosität ganz auf sich und seine individuelle Sinnsuche zurückgeworfen sieht. Und auch dies macht der Film vor: Wo Gott mit keiner Tradition der Gottesrede, Religion oder Kirche mehr in Verbindung gebracht wird, wo jeglicher Inhalt verdampft, dort werden Sinnangebote zur frei verfügbaren Ware, zum Geschäft, denn: Spirit sells!

Lüftet man den spirituellen Schleier, so entpuppt sich die nach Zustimmung des Publikums heischende Predigt Walschs nämlich als Angebot einer durch und durch säkularen Mythologie mit einer hochpolitischen Speerspitze: "Gott" wird darin zum Chiffre einer Spiritualität, die keine Utopie der Veränderung mehr in sich trägt, sondern zum Garanten des gesellschaftlichen Status quo mutiert.

Was Walsch zu bieten hat - sei es im Film, in seinen Büchern oder in seiner zur Massenbewegung avancierten weltweiten Community (im Übrigen auch mit Ablegern in Österreich) - ist eine Mythologie, die entwurzelten Individuen auf Sinnsuche Antwort bietet und damit zugleich politisches Protestpotenzial still stellt. Sie produziert seelische Zufriedenheit, wo materielle Unzufriedenheit nach Veränderung schreien sollte; sie macht das Individuum zum Alleinverantwortlichen für sein Glück und produziert eine Distanz zum Politischen, das auf aktiver Solidarität basiert. Politik erscheint als Geschäft der "Macher".

Politik und Theologie

Die deutsche Tageszeitung taz brachte es auf den Punkt: der Film ist ein Anschauungsobjekt, in dem die "Befindlichkeiten der schweigenden Mehrheit der USA" erfahrbar werden - einer mehr schlecht als recht lebenden und arbeitenden, seelisch ausgezehrten Mehrheit, "der es immerhin zu verdanken ist, dass George Bush für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde".

In Europa scheint die Zeit des pragmatischen, religiös gestützten Konservativismus noch nicht gekommen zu sein. Aber man rüstet sich bereits: nicht mit Bibel und Schwert, nein, zur Standardlektüre konservativer Kreise avancieren derzeit vor allem Texte des deutschen Staatsrechtlers (und "Kronjuristen" Adolf Hitlers), Carl Schmitt. Darunter ein Werk mit dem viel sagenden Titel "Politische Theologie".

Gespräche mit Gott

Conversations with God

USA 2007. Regie: Stephen Simon. Mit Henry Czerny, Vilma Silva, T. Bruce Page. Verleih: Einhorn. 108 Min.

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