Das Leben ein Tauschhandel

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Klischee

Das überfrachtete Bühnenbild erzählt von einer langen Familiengeschichte, die schon längst bedeutungslos geworden ist. Für das Bühnenbild zeichnet regisseur Alvis Hermanis verantwortlich, für das Kostüm Kristine Jurjane.

Eigentlich sollte das 1878 uraufgeführte Stück seinen Autor, der bis dahin erfolgreich auf Komödien abonniert war, in andere Sphären führen. So schrieb Alexander Ostrowskij nach 40 Komödien das als Tragödie angelegte Drama "Schlechte Partie". Erzählt wird darin die Geschichte der von der echten Liebe schwärmenden jungen Larissa. Sie ist jene titelgebende schlechte Partie: Im Grunde ihrer Seele ist sie zwar ein guter Mensch, auf dem Heiratsmarkt der Provinzstadt irgendwo an der Wolga aber kaum vermittelbar. Heiratssachen sind auch dort in erster Linie Geldsachen und außer Anmut und einen nichts mehr zählenden Adelstitel hat die Schöne nichts in eine Ehe einzubringen. So bleibt ihr, von einer umtriebigen Mutter genötigt, nichts anderes übrig, als den Erstbesten zu nehmen, was naturgemäß zu keinem glücklichen Ende führt. Der lettische Regisseur Alvis Hermanis gestattet in seiner Wunsch-Inszenierung am Burgtheater dem Autor nicht das Fach zu wechseln und legt die bittere Geschichte als burleske Komödie mit bisweilen grotesken Überzeichnungen an. So gleicht das als Gassenbühne angelegte, mit Vitrinen und Sofas vollgestellten Wohnambiente einer etwas altbackenen Puppenstube und erinnert an einen Besuch im Trödelladen.

Die Tapetenwände -blassgrün im Vordergrund, rosa im Wohnsalon im Hintergrund - sind vollgehängt mit Medaillons, Genrebildern, Stillleben und Porträts, die wohl von der langen, aber bedeutungslos gewordenen Geschichte der Familie zeugen soll.

Dem Plunder schenkt keiner der Herren mit den mächtigen Backenbärten, die sowohl sexuelle wie finanzielle Potenz markieren sollen, Aufmerksamkeit. Denn die Tochter des Hauses, Larissa, tanzt zur Feier ihres Geburtstages gerade einer Handvoll lüsterner und vermögender Kaufleute, die bei jeder Gelegenheit mit Geldscheinen um sich werfen, vor, wie so oft, wobei Marie-Luise Stockinger so artig Pirouetten dreht, als sei sie gerade eine Spielzeugdose entstiegen.

Fabian Krüger spielt den dauerbesoffenen Provinzschauspieler so, dass es einem manchmal fast nahe ginge -müsste er nicht den Brachialhumor bedienen und in jeden Suppentopf kotzen.

So subtil, wie Hermanis hier auf die Verdinglichung der Frau anspielt, ist er leider ganz selten. Nur am Anfang gelingt es ihm, das Spiel der Figuren so zu choreografieren, dass die gesellschaftlichen Animositäten zwischen dem verarmten Adel und den ungebildeten, eigensinnigen Kaufleuten, denen Ostrowskij von jeher besondere Aufmerksamkeit zukommen ließ, lesbar werden. So etwa beim großmännischen Auftritt von Paratow (Nicholas Ofczarek), wo Hut, Mantel und Sektglas jeweils von Hand zu Hand gereicht werden, dass darin eine Gesellschaft lesbar wird, deren Ordnung zur Disposition steht. Aber schon Michael Maertens als der kleine Postangestellte Karandyschew, der Larissa aufrichtig verehrt und nicht verstehen will, warum in dieser Welt eine Frau den lasterhaften Mann immer dem Unbescholtenen vorzieht, ist in seiner zu kurzen Hose und wie er sich verkrampft und unterwürfig am Hut festkrallt, zu klischeehaft auf Spießer getrimmt. Spätestens, als er mit dem Blumenstrauß aus dem knarrenden Schrank fällt und so zum Schicksal für Larissa wird, kippt die Inszenierung ins Klamaukhafte.

Auf welchen Humor die Inszenierung mitunter baut, wird in der Figur des Robinson deutlich. Der wunderbare Fabian Krüger spielt den dauerbesoffenen Provinzschauspieler als verdinglichte Figur so, dass es einem manchmal fast nahe ginge -müsste er nicht den Brachialhumor bedienen und in jeden Suppen-und Pflanzentopf kotzen.

Den leiseren Tönen die das Stück durchaus bereithält, etwa als Einwand gegen das moderne Leben, als Revolte wieder die Universalisierung des Marktes, die Unterwerfung von allem, auch der Liebe, unter das Prinzip des Geldes, schenkt Hermanis kein Gehör. Als Komödie, so muss man leider sagen, spielt diese Tragödie eine schlechte Partie.

Schlechte Partie Burgtheater, 4., 11., 12., 20. November

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