"Man hat immer zwei Möglichkeiten"

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Als die "bedeutendste Komödie der Zeit" bezeichnete Erich Maria Remarque Franz Werfels "Jacobowsky und der Oberst". Die Tragikomödie aus dem Jahr 1941 wurde vielfach bearbeitet, populär machte sie die Verfilmung mit Danny Kaye und Curd Jürgens (1958), und bis heute findet man das Stück häufig auf den Spielplänen vor allem österreichischer Bühnen. In Wien inszenierte es Bruno Max erst vor zwei Jahren in der "Scala" mit viel Verve, nun realisierte der polnische Regisseur Janusz Kica diese "Komödie einer Tragödie" - so untertitelte es Werfel - an der Josefstadt. Die Tragödie der Verfolgung wird durch die Zwangsgemeinschaft eines höchst ungleichen Männerpaares zur makabren Komödie.

Vor dem Hintergrund des Einmarsches der Nazis in Paris 1940 gestaltet Werfel den Konflikt zweier polnischer Flüchtlinge, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger spielt den selbstgefälligen katholischen Oberst und Antisemiten Tadeusz Boleslav Stjerbinsky. Sein Pendant gibt Johannes Silberschneider als polnischer Jude S. L. Jacobowsky seit Jahren verfolgt wird und bereits zum fünften Mal auf der Flucht ist. Vorerst scheint sie nur das gemeinsame Ziel, nämlich England, zu verbinden, dann entspinnt sich rund um die Zuneigung der beiden zur schönen Französin Marianne eine groteske Eifersuchtskomödie.

Während Föttinger einen eindimensionalen, polternden Oberst mit allzu dick aufgetragenem Akzent gibt, der die Figur auf die Hauptinteressen Frauen, Alkohol und Religion reduziert, gestaltet Silberschneider einen differenzierten Charakter, der sich im Laufe des Abends noch vielseitiger entfaltet. Stets am Abgrund stehend, rettet sich Jacobowsky über kristallklares Denken und seinen Galgenhumor vor dem völligen Verzweifeln. Selbst in der schlimmsten Ausweglosigkeit hofft Jacobowsky noch auf eine Lösung, sein Lebensmotto wird zum Leitmotiv des Stückes: "Man hat immer zwei Möglichkeiten im Leben!" Am Ende steht er vor der Frage "Wie sterben?" und der Satz, der sich bislang als verlässlicher Aufmacher für eine komödiantische Situation erwies, erreicht plötzlich grausame Wirklichkeit, auch wenn dem Titelhelden in letzter Sekunde, wie auch seinem Autor, die Rettung ins Exil gelingt.

Appell für menschenwürdiges Handeln

Franz Werfel verarbeitet in dem Drama auch die eigene Flucht in die USA und die seiner Frau Alma Mahler-Werfel. 1940 hatten sie den Stuttgarter Bankier Stephan S. Jakobowicz in einem kleinen Hotel in Lourdes kennengelernt und dieser erzählte ihnen von seiner abenteuerlichen Flucht. Die im Stück zitierten Orte kannte Werfel ebenfalls: Paris, Bayonne, St. Jean-de-Luz heißen die Stationen. Auch die ständige Sorge, ob genügend Benzin zur Verfügung steht, sowie die Konfrontation mit kriegstraumatisierten Soldaten aus der Nervenheilanstalt in Nantes sind nicht reine Fiktion.

In Karin Fritz' düsterem Bühnenbild dienen Schiebewände und eine vielseitig eingesetzte Treppe zur Überwindung der Hindernisse. Dass sich akkurat der patriotische Oberst mit Jacobowsky zusammentut, wird zum Treppenwitz erklärt: "Als in Deutschland im Jahre dreiunddreißig diese Pest und dieses Leid über mich kam, da habt ihr Polen euch die Hände gerieben und gesagt:'Recht geschieht dem Jacobowsky!' Und als später dann in Österreich diese Pest und dieses Leid über mich kam, da habt ihr die Achseln gezuckt und gesagt:

'Was geht's uns an?' Und nicht nur ihr habt gesagt, 'Was geht's uns an?', sondern alle anderen habens auch gesagt. Engländer und Amerikaner und Franzosen und Russen."

Silberschneider spricht diese Sätze direkt ins Publikum, als Appell für menschenwürdiges Handeln, gegen jegliche Form von Nationalismus und falsch verstandenen Patriotismus. So zeigen sich Werfels Dialoge angesichts der fortwährenden Religionskriege und einer Theologie der Gewalt immer noch als aktuell.

Auf den allegorischen Charakter, der im Stück in der Konfrontation des Ewigen Juden mit dem Heiligen Franziskus eine überzeitliche Komponente erfährt, hat Regisseur Janusz Kica wohlweislich verzichtet. Er betont und parodiert hingegen die nationalen Zuschreibungen, so die Pseudo-Gewissenhaftigkeit der Gestapo (Wojo van Brouwer), die Devotheit des polnischen Dieners Szabuniewicz (Matthias Franz Stein) oder die Eitelkeit der eleganten Marianne (Pauline Knof), die niemals ohne Hutschachtel reist. Am Ende jedoch wirft sie Rock und Mantel ab und kämpft in schwarzen Hosen sowie Baskenmütze, dem Symbol des Widerstandes, als "Madame la France" für ein freies Frankreich.

In Janusz Kicas Inszenierung wirken manche Charaktere holzschnittartig und ihre Begegnungen gestelzt, was zwar der komischen Zuspitzung dient, Werfels messerscharfe Anklage gegen Konformismus und Gleichgültigkeit aber verschleiert. In jedem Fall macht es Freude, Johannes Silberschneider als überzeugenden Jacobowsky zu sehen!

Jacobowsky und der Oberst Theater in der Josefstadt 3., 24., 28. März, 3.8., 9. April

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