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Zeitbilder

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Wien zeigte um die Jahrhundertwende, zur Zeit des Jugendstils, der Secession, ein ausgeprägtes Gesellschaftsbild. Sehr eindrucksvoll, in besonderer Dichte führt dies Hermann Bahr in seinem im Jahr 1900 entstandenen Lustspiel ,,Die Wienerinnen“vor, derzeit im Wiener Volkstheater zu sehen.

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Wien zeigte um die Jahrhundertwende, zur Zeit des Jugendstils, der Secession, ein ausgeprägtes Gesellschaftsbild. Sehr eindrucksvoll, in besonderer Dichte führt dies Hermann Bahr in seinem im Jahr 1900 entstandenen Lustspiel ,,Die Wienerinnen“vor, derzeit im Wiener Volkstheater zu sehen.

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Das damalige unechte moderni- stisch-secessionistische Getue eines Teils der guten Gesellschaft um eine neue Wohn- und Lebenskultur, die Gründung eines literarischen Salons aus snobistischem Ehrgeiz, die Bewunderung scheinüberlegener,

hochmütig süffisanter Kritik am echten Neuen wird überaus witzig ad absurdum geführt. Gegen dieses Getue steht der rüd unbekümmerte Architekt Ulrich auf, der für alles Echte in der Modeme kämpft und gleich auch das etwas verdrehte Köpfchen seiner Frau Daisy einrenkt. Daß es da auch noch eine junge Frau gibt, die einen hysterischen Verzweiflungsanfall bekommt, weil sich der sitzengelassene Verehrer verlobt hat, charakterisiert sehr pointiert diese Gesellschaftsschicht.

All das ist versunken? Gewiß. Aber modische Trends, die nachgeahmt werden, gibt es zu jeder Zeit, in jeder Gesellschaft. Hier ersteht dies überaus lebendig in theatermäßig sehr wirksamen Szenen, die dialogisch reizvoll geführt sind. Sehenswerte Aufführung unter der Regie von Gustav Man- ker. Kitty Speiser und Dolores Schmi- dinger zeichnen vorzüglich charakterisierend die beiden unterschiedlichen jungen Frauen, Zentren des Gesellschaftsgetriebes in diesem Stück. Herwig Seeböck ist so recht der ungebärdig für Echtheit kämpfende Architekt Treffliche Besetzung der weiteren Rollen. Durch die Bühnenbilder und Kostüme von Maxi Tschunko kommt die Zeit der Jahrhundertwende optisch gut zur Geltung.

Und nun das Volkstheater in den

Wiener Außenbezirken: Aufführung der Komödie einer Tragödie ,,Jaco- bowsky und der Oberst“ von Franz Werfel. Auch da ein Zeitbild. Menschen auf der Flucht aus ihrer Heimat im Zweiten Weltkrieg. Da gibt es zwei Polen völlig gegensätzlicher Wesensart, den schon zum fünften Mal fliehenden Juden Jacobowsky und den herrisch anmaßenden Oberst Ster- binsky. Beide auf der Flucht von Paris zur Küste.

Erstaunliche Tatsache: In diesem Stück gibt es noch positive Charaktere. Der Oberst verachtet zwar zunächst den Juden, als aber Jacobowsky den Oberst durch einen überraschenden Trick vor dem Zugriff der Gestapo bewahrt, erwachen auch in dem arroganten Haudegen Dankbarkeit und humane Gefühle. Dem Oberst wird die Flucht nach England möglich, da nimmt er Jacobowsky mit. Noch erstaunlicher: Was sich am Rand des Tragischen, bei ständiger Todesbedrohung unter schuldlosen Menschen begibt, wird immer wieder komödienhaft, ja, witzig dargeboten. Und dies von einem Autor, der selbst alle Schrecken der Emigration durchlebt hatte. Er versuchte zu lächeln, wir vermögen es nicht immer.

Gute Wiedergabe durch den Regisseur Edwin Zbonek mit Emst Meister als fatalistisch gelassen bleibender Jacobowsky, mit Rudolf Strobl als draufgängerischem Oberst und Renate Bernhard als einer Französin, die sich beiden verbunden fühlt. Roswitha Meisel beschränkte sich auf spärlich andeutende Bühnenbilder.

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