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Alptraum in Slowenien

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„Christen für den Sozialismus“ — das ist zumindest für Slowenien kein neuer Slogan. Er hat sogar schon eine kleine Geschichte hinter sich.

Edvard Kocbek, slowenischer Poet und Romancier, trat zu Beginn des Zweiten Weltkrieges in eine Koalition mit Kommunisten ein und zog mit seiner Gruppe der Christlichen Sozialisten zu den Partisanen, denn, wie er sagte, „die Kommunisten können uns (Christen) nur dasjenige nehmen, was wir je schneller, desto besser loswerden müssen. Unsere Entscheidung (nämlich eine Koalition mit den Kommunisten im Par-: tisanenkampf) ist in -Wirklichkeit! I nur fuf “die“ BSqüemirchkTeit der be-steheft8ten^Kir<*en trüktur' und-' des' bürgerlichen Gläubigen gefährlich“.

Die „Christlichen Sozialisten“ akzeptierten sogar „die marxistischleninistische Erkenntnis über objektive Gesetze der Gesellschaftsentwicklung“ und den „Marxismus-Leninismus als soziopolitische Methode in der Strategie und Taktik des Befreiungskampfes“.

Die Gesetze der Gesellschaftsentwicklung zeigten sich freilich bald. Die slowenischen Christlichen Sozialisten wurden gezwungen, ihre Organisation (obwohl vollberechtigte Partner in der Koalition) nach 1945 aufzulösen. Ihre Funktionäre gingen in der KP auf.

Nur Edvard Kocbek bestand auf seiner christlichen Weltanschauung. In den Nachkriegsjahren verlor er deswegen allmählich alle seine Funktionen. Er widmete sich vorwiegend der Literatur. Doch seine Schriften, nämlich das Tagebuch aus der Partisanenzeit „Tovarisija“ („Die Kameradschaft“) und später . die Novelle „Strah in pogum“ („Angst und Mut“), in denen er die geistige und seelische Not des Menschen im Partisanenkampf realistisch schilderte und die Frage des Gewissens aufwarf, ob das menschliche Leben einer Utopie geopfert werden dürfe, brachte ihn in Ungnade bei der Partei und für mehrere Jahre in die Isolation.

Uber seinen siebzigsten Geburtstag konnte aber auch die Parteizeitung „Delo“ (Laibach) nicht hinwegsehen: sie brachte einige Notizen, verfaßt von Kocbeks ehemaligen Genossen, in denen er als eine komische Figur hingestellt wurde.

Doch das literarische und geistige Opus Kocbeks gehört zum Gipfel der zeitgenössischen slowenischen Schöpfung, daher wollten zumindest die Triester slowenischen Schriftsteller Boris Pahor und Alojz Rebula seiner schöpferischen Tätigkeit eine Anerkennung zollen. So erschien in Triest ein Heft als Festschrift zu Kocbeks Jubiläum, und dieses Heft läßt jetzt die Behörden in Slowenien nicht rasten und ruhen — seine Verbreitung in Slowenien ist verpönt und verfolgt. Reisende werden danach untersucht, ob sie die Kocbek-Würdigung im Gepäck haben.

Daß ein Regime, welches unter den Fortschrittlichen sogar um einen (selbstverwalteten) Schritt weiter ist, sich vor einem Heft fürchtet, ist an sich ein Paradox. Nicht zuletzt aber die Tatsache, daß ein Poet zu einem seiner Alpträume wurde...

Nur wenige Kilometer von Österreichs Grenze.

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